Rezension zu: Angst. Vom Nutzen eines gefürchtete Gefühls

Manager können mit Angst besonders gut umgehen, so der Philosoph Klaus-Jürgen Grün.

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Angst ist das grundlegende Gefühl unseres Lebens. In der Übergangsgesellschaft, in der wir leben, werden wir mit vielfältigen Ängsten konfrontiert: vor Gewalt und Terror, vor Wirtschaftskrisen und Umweltkatastrophen, vor Arbeitslosigkeit und gesellschaftlichem Abstieg. Für den Einzelnen wird es immer schwerer, mit Gefahren und Risiken, aber auch mit Chancen und Möglichkeiten umzugehen.

Der Philosoph Klaus-Jürgen Grün plädiert für einen bewussten und konstruktiven Umgang mit Angst. Einer seiner Gewährsmänner ist der griechische Philosoph Epikur. Die Angst vor dem Tod scheint die stärkste Angst des Menschen zu sein. Nach Epikur brauchen die Menschen aber keine Angst vor dem Tod zu haben, denn solange wir sind, ist der Tod nicht, und wenn er ist, dann sind wir nicht mehr. Epikur möchte den Menschen die Angst vor dem Tod nehmen und diejenigen entmachten, die diese Angst ausnutzen. Unsere Seele kann nach dem Tod weder bestraft noch belohnt werden, weil es nach dem Tode kein Fortbestehen der Seele gibt.

 Wichtig für den Umgang mit Angst sind Erkenntnisse aus der Psychologie. Wir sollten eine Begegnung mit den Objekten der Angst nicht vermeiden, vielmehr in eine Konfrontation mit den Angst auslösenden Faktoren treten. Die Psychologin Julie K. Norem zeigt, dass eine angstlösende Wirkung vom negativen Denken ausgehen kann. Die Befürchtung, dass etwas schief laufen könnte, führt bei ängstlichen Menschen dazu, dass sie alle Möglichkeiten im Kopf durchspielen. Diese „defensiven Pessimisten“ können erst dann effektiv nachdenken und organisieren, wenn sie ihre Angst unter Kontrolle haben. Sie fliehen nicht vor Angst, sondern lassen sie zu.

Eine wichtige Rolle spielt für Grün der Zusammenhang von Angst und Leistung. Fehlende Angst macht uns antriebslos und sorglos, zu viel Angst hemmt uns und vermindert unsere Leistungsfähigkeit. Angst in schwachen Dosen scheint aber nützlich zu sein. Sie kann uns sogar zu Höchstleistungen motivieren.

Der Umgang der Manager mit Angst stellt für den Autor das Paradigma einer konstruktiven Angstbewältigung dar. Manager – die „modernen Epikureer“ – verstehen es, erfolgreiche Strategien der Angstbewältigung zu entwickeln und Risiken, Gefahren, Chancen sowie Möglichkeiten präzise einzuschätzen. Unternehmer können die mit Unsicherheiten verbundenen Ängste besser aushalten als andere Menschen. „Von Unternehmern können wir lernen, dass der Erfolg in der Fähigkeit gründet, eine Phase des Risikos und der Unsicherheit auszuhalten, ohne von lähmender Angst vor Unsicherheit verschlungen zu werden.“

Ein Unternehmer kann nur dann erfolgreich sein, wenn er nicht bei jeder Entscheidung in Angst gerät, obgleich er reale Gefahren mit großer Präzision erfassen können muss. In vielen Fällen sind es Monate oder Jahre der Ungewissheit, ob ein Ziel erreicht werden kann. Nur wer sich nicht von Angst leiten lässt, hält diese Durststrecke durch.

Grün weiß wovon er spricht, denn er leitet das Philosophische Kolleg für Führungskräfte aus Politik, Medien und Wirtschaft. In seinen Seminaren lernt er viele Manager kennen und fördert seit Jahren einen produktiven Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen Philosophie und Wirtschaft.

Der Autor nennt abschließend einige Regeln zum Umgang mit Angst, die der WHO-Angstberater Isaac Marks aufgestellt hat:

„Angst ist unangenehm, aber selten gefährlich.

Vermeiden Sie die Flucht.

Fördern Sie die Begegnung mit der Angst.

Je länger Sie sich der Angst aussetzen, desto besser.

Je schneller Sie sich mit dem Schlimmsten konfrontieren,

desto rascher wird Ihre Angst nachlassen.“

Klaus-Jürgen Grün, Angst. Vom Nutzen eines gefürchteten Gefühls, Aufbau Verlag, Berlin 2009.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Hallo,
warum wird nicht auf den Unerschied zwischen Angst u. Furcht eingegangen? Diese beiden Begriffe führen häufig zu Verwechslungen.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Philosoph

Wenn man an Heideggers Existenzphilosophie denkt, dann hat es schon etwas für sich, die Angst in den Mittelpunkt zu stellen. Man darf es dann allerdings nicht verkürzt psychologisch sehen, sondern als ein Bewußtsein der Endlichkeit unserer Existenz und der Notwendigkeit dem Faktor Zeit zu begegnen.

Gravatar: Johannes Klinkmüller

Es mag für Sie zutreffen, Herr Ulfig, dass Angst das grundlegende Gefühl Ihres Lebens ist. Für mich trifft das nicht zu, ich habe Vertrauen ins Leben; das ist mein Grund, meine Basis.
Ich finde es nicht gut und sehr ungesund, dass Sie für alle Menschen eine solche Aussage treffen; meines Erachtens steht Ihnen das nicht zu. Damit geben Sie zudem der Angst eine Macht, die sie nur zu gern will.
Gewiss ist es wichtig, mit der Angst richtig umzugehen und sicherlich ist Angst vor der Angst gefährlich. Aber doch nicht auf der von Ihnen durch Ihre Auswahl an Angstexperten getätigten Basis. Epikurs Ansicht z.B., die Sie wiedergeben, in Ehren, aber ich habe genau deshalb keine Angst, weil ich mir sicher bin, dass ich nach dem so genannten Tod immer noch lebe.
Gewiss kann man, wie der WHO-Angstberater (was es alles gibt ...) raten, Begegnungen mit der Angst zu fördern, aber doch nicht, ohne deutlich zu sagen, dass es Grund legender ist im ganz wörtlichen Sinn, Begegnungen mit dem eigenen Mut zu fördern.

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