Wer wie ich immer wieder nachhaltig beeindruckt war von Papst Benedikt XVI., unter dessen Pontifikat ich in die katholische Kirche zurück gefunden habe, für den war dessen Rücktritt eine mittelschwere Katastrophe: Erklärbar, auch nachvollziehbar, aber eben auch unendlich schade! Und auch heute vermisse ich Papst Benedikt, freue mich, ihn ab und an zu sehen, wenn ich auch immer ein bisschen zurückschrecke bei öffentlichen Auftritten, hatte er doch angekündigt ein eher “unsichtbares Leben” zu führen.
Sei’s drum: heute vor zwei Jahren war es dann so weit – nach einer recht kurzen Sedisvakanz wurde Jorge Mario Bergoglio, bis dahin Bischof von Buenos Aires, zum Papst gewählt und führt fortan den Namen Papst Franziskus. Und für jemanden, der sich selbst als Papsttreuer bezeichnet und seinen Blog so nennt, stellte sich direkt und seither immer wieder die Frage: Wie weit ist es denn her mit der Papsttreue? Den Blog hatte ich unter anderem wegen der vielen ungerechtfertigten Angriffe auf Papst Benedikt eingerichtet und es mir zum Beispiel zur Aufgabe gemacht, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate wieder in Zusammenhang zu setzen, deutlich zu machen, wo seine Kritiker falsch lagen oder auch bewusst in die Irre führten. War der PAPSTTREUEBLOG also vielleicht nur ein Papst-Benedikt-treuer-Blog?
Die Angriffe gegen Papst Franziskus sind nun anderer Natur und auch der Umgang damit fällt schwerer. War ich gewohnt, am Mittwoch einen Blick in die geschliffen formulierten Katechesen des Papstes zu werfen, sah ich mich jetzt einer Vielzahl von kurzen Predigten aus Santa Martha, dem von ihm gewählten alternativen Wohnort gegenüber, ergänzt durch diverse Interviews und Katechesen – man käme nicht nach, selbst wenn man wollte. Die Kritiker des Papstes durchflöhen aber natürlich alles, was der Papst sagt nach dem, was gegen ihn oder die Kirche verwendet werden kann. Der zusätzliche Effekt dabei aber: Es gibt progressive Kräfte, die den Papst für sich zu vereinnahmen suchen, und seine Äußerungen oft als möglichen Bruch mit überholten Traditionen – und in ihrem Sinne positiv – bewerten. Und es gibt konservative Kräfte, die der – nennen wir es mal so – Volkstümlichkeit des Papstes kritisch gegenüberstehen, und in die gleiche Kerbe hauen, nur mit einer negativen Bewertung versehen.
Beide liegen in meinen Augen nicht richtig, und auch wenn es komplizierter geworden ist, wird das “Geschäft” für einen Papsttreuen damit nur interessanter. Denn hinter einem Lob an sich kirchenkritischer Medien steckt im Zweifel genau so eine Vereinnahmung seiner Aussagen, wie hinter mancher Kritik an der Amtsführung und an Entscheidungen des Papstes eine Enttäuschung über den neuen Umgang des Papstes mit Medien, Kritikern, der Welt ganz allgemein, zu stehen scheint. Und ich gebe zu, auch mir fällt es manchmal schwer, die Entscheidungen des Papstes recht einzuschätzen. Der Umgang beispielsweise mit Kardinal Burke, der anscheinend “strafversetzt” wurde als Kardinalpatron des Malteserordens, hat durchaus ein G’schmäckle. Wird da nicht tatsächlich eine Richtungsänderung vorbereitet, vor allem mit dem Hintergrund der sogenannten Familiensynode, die nicht wenige Kräfte umwidmen wollen zu einer Synode zum Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen?
Allein: Es fehlt bislang neben Detail- und Personalentscheidungen der Nachweis zu einem gravierenden Richtungswechel. Auf den Trichter sind die “Progressiven” und Kirchenkritiker zwischenzeitlich auch gekommen. Sie mahnen Änderungen in der Morallehre der Kirche an, sogar deutsche Bischöfe drohen unverholen mit einem Alleingang, sollte “Rom” nicht so wollen wie sie selbst. Der eine oder andere entschuldigt den Papst mit den Beharrungskräften der Kurie, den meisten aber scheint langsam klar zu werden, dass der Papst bei aller Barmherzigkeit den Sündern gegenüber bislang nichts getan hat, was darauf hindeutet, die Lehre der Kirche in den immer wieder auf die Tagesordnung gesetzten Moralfragen zu ändern. Der Papst bleibt eben katholisch. Das Ergebnis könnte allerdings sein, dass wir am Ende einen Papst haben, der zumindest bei westlichen Medien, Kirchenkritikern und progressiven Katholiken wie bereits Papst Benedikt und zuvor Papst Johannes Paul II. wieder in Ungnade gefallen ist, und gleichzeitig auch kirchenintern mit einer Gegnerschaft aus dem konservativen Lager zu kämpfen hat.
Möglicherweise hat Papst Franziskus damit auch in etwa seine Rolle gefunden – denn zwischen diesen “Lagern” gibt es nur scheinbar keinen verbleibenden Rest: Dass Medien und kirchenkritische Gremien wie “Wir sind Kirche” nicht den durchschnittlichen Gläubigen vertreten, dass das Agendasetting dieser Gruppen recht zielsicher an den echten Problemen der Menschen vorbei geht, war auch Konservativen schon seit langem klar. Genau so wenig interessiert sich der normale Gläubige (zugegeben ein Bild, dass sich vor meinen Augen sehr subjektiv abzeichnet) aber für liturgische Feinheiten oder das Für und Wider der lateinischen Messe. Auch in Fragen der Morallehre interessiert ihn weit weniger das eigentliche Dogma als der tatsächlichen Umgang damit.
Der immer wieder zitierte Satz von Papst Franziskus “Who am I to judge? – Wer bin ich, darüber zu urteilen?”, getätigt im Blick auf Homosexuelle, bekommt mit diesem Blick erst seine rechte Tragweite. Der Papst stellt weder die Morallehre der Kirche in Frage noch maßt er sich an, hier Abstriche zu machen. Vor allem macht er aber sein eigenes Rollenverständnis als Nachfolger Petri deutlich, dessen Rolle nicht die des Urteilenden sondern des Verkündigers ist. Und damit – Tusch! – bin ich wieder bei meiner Einschätzung der Einordnung des Papstes im Vergleich zu Benedikt XVI., die ich schon zu Beginn seines Pontifikats in den Raum gestellt habe: Benedikts Verdienst war die Versicherung des Glaubens nach innen hin – als Kirchenlehrer war er für diesen notwendigen Weg wie geschaffen (könnte ja was mit dem Heiligen Geist zu tun haben …) und das “Jahr des Glaubens” war der äußere Widerschein dieser Rolle. Franziskus fällt jetzt die Rolle zu, dafür Sorge zu tragen, diese Glaubensgewissheit nun auch nach außen zu tragen.
Mit der inneren Beschäftigung mit dem Glauben, der Lehre und deren Grundlagen, hatte der eine oder andere, ich selbst nehme mich da nicht aus, eine angenehme Nische gefunden. Jeder, der das wollte, konnte sich unter Papst Benedikt als “kleiner Kirchenlehrer” fühlen. Wer meine alten Beiträge zu Katechesen oder anderen Äußerungen und Büchern von Papst Benedikt liest, wird feststellen, wie sehr man sich innnerhalb dieses Lehrgebäudes ergehen kann. Um nicht missverstanden zu werden: Das ist an sich nichts schlechtes, für mich persönlich war diese Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit dem Glauben sehr hilfreich. Christ sein bedeutet aber deshalb nicht, sich ins Kämmerchen von Theologie und Liturgie zurückzuziehen, sondern vielmehr Menschen zu Christus zu führen. Dazu muss man in der Welt sein ohne sich mit ihr gemein zu machen, man muss aber umso mehr dafür sorgen, dass die Welt einen versteht.
Und die Welt – nicht die der Medien und vielfach nicht die der konservativen wie progressiven Theologen – scheint zu verstehen: Der Gläubige guten Willens weiß, dass der Papst nicht die Prügelstrafe für Kinder legitimieren will. Er weiß, dass der Papst mit dem Bild der “Kaninchen” nicht kinderreiche Familien kritisiert sondern die Einstellung, katholische Familien müssten zwingend kinderreich sein. Er weiß, dass er mit seinen vergleichsweise milden Äußerungen zur Sünde diese nicht relativiert sondern dafür sorgt, dass über sie gesprochen werden kann ohne dass jemand die Rolle des Anklägers oder gar Richters einnimmt.
Das ist der eigentliche Wandel, der aktuell im Vatikan stattfindet. Und fällt es schwer, dem zu folgen? Mir jedenfalls ab und an schon. Bei aller “zur Schau getragenen” Papsttreue überkommt auch mich manchmal der Zweifel, ob der Papst das alles so richtig macht, vielleicht medial zumindest schlecht beraten oder beratungsresistent ist. Auch ich denke manchmal mehr sehnsüchtig an die “guten alten Zeiten” unter einem Papst, der druckreif formulieren konnte (und dem man die Worte trotzdem im Mund herum gedreht hat). Aber ist das ein Mangel des Papstes oder ein Mangel bei mir, wenn ich mich an Gewohntes hänge und der “südamerikanischen” Mentalität des Papstes, seiner Spontaneität und seinem unbedingten Willen, Gehör zu finden, nicht ohne Trennungsschmerz folgen kann? Dieser Papst fordert heraus, er fordert alle Lager heraus und hat sich einer “Schubladisierung” bislang erfolgreich entzogen. Manche kreiden ihm das als mangelnde Standfestigkeit an, eigentlich ist es aber nur die Fixierung auf den eigenen Standpunkt, die aus diesem Urteil spricht.
Es gibt, das nur zum Schluss, ein Thema, bei dem ich dem Papst kaum folgen kann. Insbesondere seine sozialen Themensetzungen erscheinen mir zu sehr geprägt von einem Glauben an die Machbarkeit einer gerechten Ordnung durch den Staat – einer Sicht, der ich als Liberaler bei aller notwendigen Wertschätzung der Caritas widerspreche. Aber dabei ist der Papst auch nur ein Kind seiner Zeit und man zeige mir die große Zahl der Menschen, die meine Einstellung in diesem Thema teilen; ein paar Handvoll wird es in Deutschland geben, mit viel mehr rechne ich aber nicht. Kann ich dem Papst das zum Vorwurf machen? Jedenfalls nicht, solange ich den Ende des vergangenen Jahres angekündigten Brief an den Papst nicht abgeschickt habe (was ich mir für die folgenden Tage vornehme). Auch für mich gilt nämlich, dass ich meinen Glauben und meine Überzeugungen erst mal unter die Leute bringen muss, bevor ich mich darüber mokiere, dass sie dem nicht folgen.
Davon abgesehen bin ich aber – das ist wohl deutlich geworden – weiterhin ein Fan des Papstes. Ich kann weiterhin einen “papsttreuen Blog” betreiben und mich von unserem Papst herausfordern lassen. Mag sein, dass ich diese Einschätzung einmal revidieren muss – am Ende ist auch der Papst nur ein Mensch – aber bis dahin vertraue ich dem Heiligen Geist, dass er uns den richtigen Papst zur richtigen Zeit geschenkt hat, und meinem Bauchgefühl, dass wir es beim Papst einfach mit einem Menschen zu tun haben, der sein Amt wie Petrus selbst so gut wie es der Herr ihm gegeben hat, ausübt. Ich weiß wohl, dass manche Katholiken meinen, das Pontifikat Papst Franziskus’ “überwintern” zu müssen. Ich glaube, sie verpassen was!
Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Sehr geehrter Herr Honekamp,
vielen Dank für Ihre sehr gewogene Betrachtung. Sie haben meine Gedanken vervollständigt und noch ein paar Denkanstöße dazugelegt. Ich habe nämlich auch geäußert, dass wir nach mehr als 30 Jahren mit staken Charakter und Führung von JP II und B XVI in eine Art "Gewohnheit" stehen, davon Abschied zu nehmen tut natürlich weh. Ferner habe ich auch gedacht, bevor ich so viele "Er, er, der Papst dies oder jenes..." sagt, soll ich auch ein wenig auf mich reflektieren: wo ich dann fixiert und unbeweglich geworden bin?
Es tut viele verunsicherten Katholiken (ich selbst bisweilen auch so) sicher gut, dass Sie Ihre "Bedenken" so zum Ausdruck gebracht haben: so sind wir nicht allein. Sie haben auch sehr gute Hinweise gegeben, wie wir mit diesem "Unbehagen" umgehen soll und das Positives daraus zu ziehen. Wie ich auch überzeugt bin, der Heilige Geist weiß, was ER tut.
Vielen Dank nochmals.
Ich denke auch das übersehen wird das wir eine südamerikanischen Papst haben, der eben südamerikanisch ist und nichts davon hält wenn man immer die Goldwaage heraus holt.
Wir Deutschen haben bis Heute nicht begriffen das nur wir deutsch sind, aber nicht der Rest der Welt.
PS: Wieviel Aussagen von Jesus würden Heute in Deutschland zur Empörung führen?
Hat der r.-k. Papst für "Gläubige guten Willens" immer recht?
Zitat: "Der Gläubige guten Willens weiß, dass der Papst nicht die Prügelstrafe für Kinder legitimieren will. Er weiß, dass der Papst mit dem Bild der “Kaninchen” nicht kinderreiche Familien kritisiert sondern die Einstellung, katholische Familien müssten zwingend kinderreich sein."
Wir sollten uns davor hüten, Menschen nur deswegen Recht zu geben, weil sie eine bestimmte Position innehaben.
Auch ein "Gläubiger guten Willens" darf und sollte Kritik üben.