Papa, du bist der beste Bohrer der Welt

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Ich bin kein handwerklich begabter Mensch, obwohl mir dazu alle Türen offen gestanden hätten. Bereits mit vier Jahren bekam ich meine erste eigene Werkzeugkiste samt Amboss und Kinderwerkbank. An manchen Samstagen lag ich unter dem Auto, um meinen Vater dabei zu beobachten, wie er den Auspuff ersetzte oder Ölwechsel machte. Mein Vater schweisste für uns Kinder eine eigene Schaukel. Er zimmerte Tisch, Bank und Sonnenschirm, die man im Winter auseinandernehmen und auf kleinstem Platz verstauen konnte. Im Lauf der Jahre eignete ich mir trotzdem ein gewisses Diagnosegefühl für defekte Apparaturen an. So bald ich konnte, verschwand ich als Kind hinter den Büchern. Oder ich sass an meinem Schreibtisch und schrieb. Dies ist bis heute geblieben. (Gewisse Leute wie beispielsweise meine Frau meinen, dass es sich sogar noch verstärkt hätte.)

In letzter Zeit habe ich mir vorgenommen, keinen Bogen mehr um kleine handwerkliche Arbeiten zu machen. Es ging darum, im Eingangsbereich Kleiderhaken zu montieren. Morgens nach dem Frühstück nahm ich Bleistift und Massstab, liebevoll von meiner Frau gereicht. "Ruhig Blut. Du hast keine Übung darin. Nimm dir Zeit." Ich verglich mit der Wasserwaage, befestigte den Steinbohrer. Dann kam der Moment der Wahrheit. Moment, die angezeichnete Bohrstelle mit einer Aale "anstechen". Der Bohrer ertönte, die Löcher passten, die Dübel wurden mit dem Gummihammer reingehämmert, die Befestigung angeschraubt - verkehrt herum. Also, Schrauben raus und wieder rein. Verschwitzt setzte ich mich an den Küchentisch. Mein Vierter krähte begeistert: "Papa, du bist der beste Bohrer der Welt."

Hinweis: Hier geht es zu einer aktuellen Blogserie "Wenn Vater und Sohn zusammen lernen".

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