Panama-Papers – Pornografie für Pseudo-Progressive

Die Diskussionen über die Panama-Papers erinnern stark an die Debatten über die globale Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren nach 2008. Ähnlich wie heute hieß es auch damals, gierige Menschen seien schuld an der Krise.

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Auch heute kann man den Eindruck gewinnen, als ergötze sich die halbe Welt einmal mehr an der Dekadenz der Superreichen. Doch wischt man diese fast schon gebetsmühlenartig zur Schau gestellte Empörung einmal beiseite, so bleibt in der öffentlichen Diskussion wenig Überraschendes, Konstruktives und Interessantes übrig. Superreiche schleusen ihr Geld aus dem Land und parken es in Briefkastenfirmen in Panama. Wow, und das soll der welterschütternde Skandal sein? Welche Enthüllungen beschert uns das Zeitalter der totalen Transparenz als nächstes? Dass es tatsächlich Priester gibt, die den Zölibat nicht ernstnehmen?

Eine der Hauptlehren, die die Öffentlichkeit aus den Panama-Papieren ziehen soll, besteht darin zu glauben, dass unsere Wirtschaft, ja der ganze Planet, existenziell von Betrug und Korruption bedroht werde. Diese zunehmende Dekadenz, so heißt es, sei verantwortlich für die wirtschaftliche Stagnation und fehlende Investments. Doch sollen wir tatsächlich glauben, dass die Unsicherheit auf den Finanzmärkten und die wirtschaftliche Flaute in weiten Teilen der westlichen Welt tatsächlich von habgierigen und unmoralischen reichen Westlern ausgelöst wurde, die keine Lust mehr haben, ihr Geld gewinnbringend in die reale Wirtschaft zu investieren?

Wenn Superreiche ihr Geld irgendwo im Ausland bunkern, dann sicherlich nicht wegen eines akuten Investitions-Burnout, sondern weil sie nicht wissen, was sie sonst damit tun sollen. Die Wirtschaftswelt leidet unter einem enormen Mangel an Innovationen und an Investitionen in das produktive Kapital. Ohne dieses Problem gäbe es die Panama-Papers nicht. Das Geld liegt also in den Offshore-Konten nicht aus Habgier, sondern aus Mangel an besseren Gelegenheiten und aus Angst vor Risiken. Dies deutet auf ein ganz grundsätzliches Problem hin, sowohl strukturell als auch intellektuell. Doch anstatt darüber kontrovers zu diskutieren, lenkt man lieber ab und lamentiert stattdessen über die Dekadenz bestimmter Prominenter.

Es gibt größere Probleme auf unserer Welt als die kriminelle Energie einzelner Raffzähne. Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass sich diejenigen, die sich heute „progressiv“ nennen und kapitalismuskritisch geben, mit solchen oberflächlichen und belanglosen Ritualen wie dem Bonzen-Bashing zufrieden geben. Ich finde es jedenfalls peinlich, wie etwa mit dem britischen Premierminister David Cameron umgegangen wird, weil dessen Vater früher Gelder in eine Briefkastenfirma gesteckt hat. Abgesehen davon, dass das an sich noch gar nicht strafbar ist, hat diese kindische Besessenheit schon etwas von Sippenhaft und moralischer Inquisition.

Zudem sollten wir uns nicht einbilden, dass es in der Diskussion über Korruption, Raffgier und Betrug gezielt um die Superreichen gehe. Natürlich klingt es erst einmal mächtig kritisch und progressiv, auf dekadente Kapitalisten zu schimpfen. Doch mit denselben Argumenten wird ja auch auf den kleinen Sparer von nebenan losgegangen. Und so wird im Handumdrehen aus einer pseudo-radikalen Reichenschelte eine Generalabrechnung mit dem kleinen Mann, der am Wochenende schwarz handwerkert, oder mit Menschen in ärmeren Ländern, die ebenfalls nach Wohlstand, Fleisch und Autos „gieren“.

Anstatt die in den Panama-Papers abzulesende Krise der Realwirtschaft zum Anlass für ernsthafte politische und gesellschaftliche Debatten zu nehmen, trägt das Moralisieren zur weiteren Verschleierung der tatsächlichen Probleme bei. Das ist keine unbequeme Kapitalismuskritik, sondern wohlfeile Menschenkritik.

Beitrag zuerst erschienen auf zeitgeisterjagd.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lothar Krist

Panama Papiere
(Ein absolut unzusammenhängender Blödsinn
über einen wesentlichen Zeitgeist von Heute!)

Der Mensch steht ganz oben
in der Nahrungskette,
wenn er eine Waffe hat!?
Und seine Waffen wurden im Laufe seiner Zeit
besser
und so immer besser!

Es ist, wie im Meer!
Da hat der Weiße Hai DaS Sagen!
Seine Zähne reissen selbst
den Bauch des Potwals auf,
wenn der nicht viel älter ist
und nicht auch schon zu alt!

Der Kapitalismus ist nun wieder einmal
zu einem Weißen Hai entartet!
Und WER DAS sagt,
DER wird sofort geklagt!
Die Schlimmsten aller Korrupten Haie,
dieses Heer der Anwälte aller Skrupellosigkeiten,
es steht sofort bereit,
den armen Whistleblower zu zerreißen!

Und die Super-Reichen dieser Welt
folgen IhreM Super-Trooper-Arschloch-RaT:
SIE kaufen einfach jede Zeitung!
Und nicht nur
DaS!

Copyright by Lothar Krist

Gravatar: Diederich Heßling

Lesen Sie die wahren Ursachen der Verarmung hier:

"Der Sozialmensch ist der dominierende Typus des Homo sapiens der westlichen Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Besonders vorherrschend und geradezu flächendeckend auftretend ist seine Gattung in Deutschland. Er lebt in einem sozialen Rechtsstaat mit sozialer Marktwirtschaft und einem inzwischen beträchtlich gewachsenen sozialverpflichteten Eigentum. Er hat ein halbes Dutzend Sozialversicherungen und geniesst einen umfassenden
Sozialschutz in einem feingeknüpften sozialen Netz. Im
sozialen Notfall oder bei sozialen Schieflagen vertraut er auf das Sozialstaatsprinzip und auf die Sozialgesetz-gebung, auf Sozialsystem und Sozialverbände, die ihm mit Sozialhilfe und verschiedenen Sozialtransfers und Sozialeinrichtungen unter die Arme greifen, um seinen sozialkulturellen Standard und sein soziales Existenz-minimum zu garantieren. Als sozial eingestellter Bürger
sehnt er sich nach sozialer Gerechtigkeit und sozialem Frieden – und setzt deshalb auf eine sozial ausgewogene Sozialpolitik der allesamt sozial-demokratischen Parteien. Die Festlegung des Volumens
an sozial notwendiger Arbeit und seines Arbeitsentgelts
überlässt er den Sozialpartnern, von denen er sozial-verträgliche und in sozialer Verantwortung getroffene Entscheidungen zur Durchsetzung seiner sozialen Ansprüche erwartet, aber auch die Wahrung der sozialen Rechte der sozial Schwächeren. Widrigenfalls
pocht er auf das Sozialgesetzbuch und die soziale Rechtsprechung der Sozialgerichte, notfalls – bei sozial unausgewogenen oder gar sozial unverträglichen (weil die Sozialauswahl verletzenden) Entlassungen – auf Sozialentschädigung und Sozialabfindung.
Der Sozialmensch denkt und empfindet sozial, lebt am
liebsten in einer Sozialwohnung und wünscht sich einen sozial eingestellten Vermieter, sowie einen Arbeitgeber mit sozialem Gewissen.
Nichts fürchtet er mehr als soziale Blindheit, eine Kürzung des sozialstaatlichen Sozialbudgets, einen sozialen Umbau oder gar einen sozialen Kahlschlag in den Sozialwerken. Vielleicht weiss der einzelne Sozialmensch nicht, dass seine Regierung schon 1961 eine Europäische Sozialcharta unterzeichnet hat, deren Institutionen wie Sozialrat, Sozialkommissar und Sozialausschuss das Ziel eines europaweit sozial harmonierenden Sozialniveaus verfolgen, vielleicht kümmert er sich auch wenig um die neue
Sozialcharta des Maastricht-Vertrages mit ihren Ambitionen für einen sozialen Ausgleich der europäischen Sozialstandards, aber da er Markt und Wettbewerb ohnehin für unsozial hält, würde er
die soziale Abfederung der EU-Sozialmodelle gegen Sozialdumping und sozial schädliche Konkurrenz in einem sozialen Europa ohnehin begrüssen. Der Sozialmensch des sozialdemokratischen Jahrhunderts ist sozial gewiefter als man gemeinhin annimmt, denn er kennt die Sozialdaten und seine sozialen Grundrechte,
die Sozialversicherungsbeitragssätze, den Namen des Sozialministers und die Details in dessen Sozial-reformen.
Nur eines hat der Sozialmensch noch nicht wahrgenommen: Dass er, schon lange dem Sozialwahn verfallen, zum abhängigen Sozial-Sklaven der politischen Sozial-Funktionäre geworden ist, und dass das Wort ‹sozial› nur die machtstrategisch getarnte Weichspüler-Vokabel für ‹sozialistisch› ist."
(Roland Baader, 1997)

Und nicht immer den wenigen Superreichen die Schuld geben für die eigene Bequemlichkeit...

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