#offshoreleaks: Regierungen hatten schon 2009 die Datensätze oder: der staatlich manipulierte Journalist?

Nur mal so nebenbei: die Sonntagszeitung ist in Sachen Offshoreleaks ziemlich kleinlaut geworden. Heute veröffentlicht das Sonntagsblatt eine ziemlich müde Gucken-wir-doch-mal-durchs-Schlüsselloch-Story. Ausgangspunkt ist eine Zweizeilenmeldung, wonach man den Datendieb identifiziert habe.

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Der Rest dreht sich um den australischen Journalisten Gerard Ryle, dem ursprünglich die Datensammlung zugespielt worden war. Der Informationsgehalt des Sonntagszeitung-Beitrag ist gewaltig:

 

Ryle arbeitet mit einem alten Macintosh, der laufend abstürzte. Eine einzige Suchabfrage auf der 260 Gigabyte grossen Festplatte dauerte drei Stunden.

 

Ist doch rührend, der Journalist, the lonely hero.

Doch halt, da ist noch ein Satz. Ebenfalls allein gelassen, ohne Zusammenhang mit dem Rest des Textes: Herr Ryle war nicht der erste und einzige, dem die gestohlenen Daten zugespielt wurden:

 

Die Daten sind seit längerem in fremden Händen, unter anderem auch bei Steuerbehörden.

 

Liegt in diesem Zusatz “unter anderem auch bei Steuerbehörden” die eigentliche  Offshoreleaks-Geschichte begraben?

Kann nicht sein, deshalb wird das auch nicht weiter ausgeführt, weil, passt doch nicht ins heroische Konzept der Möchtegernrechercheure. Er wirft nämlich neue Fragen auf zur Rolle der Journalisten in Sachen Offshoreleaks und die bisher unbeantwortete Frage, von wem Journalist Ryle seine Speicherplatte zugestellt bekam, wird zur eigentlichen Schlüsselfrage.

Man ist ja heutzutage zum Glück nicht mehr aufs heimische Journalistenschaffen angewiesen. Bereits am Freitag konnte man in der Süddeutschen Überraschendes lesen:

 

Erst jetzt ist zu erfahren, dass die Quelle die Daten 2009 den dortigen Behörden angeboten und 2010 auch übergeben hat. Erst danach gelangte die Festplatte in die Hände des Internationalen Konsortiums für investigative Journalisten (ICIJ) in Washington.

 

“Erst jetzt ist zu erfahren” – schwingt da etwa die Befürchtung mit, man sei hinters Licht geführt worden, von wem auch immer?

Auf dem unabhängigen Medienblog Carta liest sich die Ryle-Geschichte so:

 

Eine ominöse Quelle hat 2011 eine Festplatte mit Daten an den investigativen Journalisten Gerard Ryle geschickt. Und zwar in Australien. Die australische Regierung gehörte – wie die britische und die US-amerikanische – zu jenen drei Glücklichen, die die Daten schon besaßen. Ryle wurde im September 2011 – als erster Nichtamerikaner – Direktor des Journalisten-Konsortiums ICIJ in Washington. Das ICIJplante fortan den „Medienscoop“.

 

Erfahren Sonntagszeitungs-Leser etwas darüber, dass die australische Regierung die Offshoreleaks-Daten bereits besass als Herr Ryle den Datensatz aus unbekannter Quelle erhielt?

Nein.

Denn es könnte ja ziemlich peinlich werden, wenn sich am Schluss herausstellt, dass Regierungsstellen Journalisten für ihre Interessen manipuliert haben. Ich habe anfangs April, zwei Tage nach Offshoreleaks in diese Richtung spekuliert: #OffshoreLeaks: Journalisten als Handlanger amerikanischer Behörden?

Wolfgang Michal,ein freischaffender Journalist, schreibt auf Carta:

 

Es ging bei Offshore Leaks – so mein Eindruck von Anfang an – um PR für dringende Regierungs-Angelegenheiten. Man wollte Druck aufbauen und Aufmerksamkeit für ein handfestes Problem erzeugen. Das ist auch gut so. Denn zwischen der Steuerhinterziehung der Reichen und den zur Verarmung führenden Austeritäts-Programmen besteht ein direkter Zusammenhang. [...] Am 8. Februar 2012 haben die USA mit anderen Staaten (u.a. mit Deutschland) eine Gemeinsame Erklärung über eine zwischenstaatliche Vorgehensweise zur Verbesserung derSteuerehrlichkeit im grenzüberschreitenden Bereich und zur Umsetzung von FATCA herausgegeben. Da passt es doch gut, wenn etwas öffentlicher Druck aufgebaut werden kann.

Beitrag erschien zuerst auf: arlesheimreloaded.ch

 

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