Nonkonformistischer Konservativer und CDU-Intellektueller

Der Journalist Norbert Seitz nannte Rüdiger Altmann einmal einen konservativen Kronzeugen gegen Kohl. In der Tat handelt es sich bei Altmann um den seltenen Fall eines „CDU-Intellektuellen“.

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Der Journalist Norbert Seitz nannte Rüdiger Altmann einmal einen konservativen Kronzeugen gegen Kohl. In der Tat handelt es sich bei Altmann, der als Schüler sowohl des rechten Carl Schmitt als auch des linken Wolfgang Abendroth gilt, um den seltenen Fall eines „CDU-Intellektuellen“. Allerdings pflegte die CDU schon immer ein neurotisches Verhältnis zu den ihr nahe stehenden Intellektuellen – so sie sich denn als solche zu erkennen geben -, und Altmanns Beziehung zu der Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls war zeitlebens von Spannungen geprägt.

 

ZEIT erst langsam wieder publizistisch Fuß fassen konnte, zu einer Art „Hauszeitschrift“ (Paul Noack). Die Politische Akademie in Eichholz, die Altmann seit dem 1. Juli 1958 als Geschäftsführer leitete, wollte er zu einem intellektuellen Zentrum der CDU ausbauen, um die politische Theoriefähigkeit der Partei so kontinuierlich zu steigern. Allerdings scheiterte er am massiven Widerstand der CDU-Bundesgeschäftsstelle, welche ausschließlich die praktischen Belange der Parteiarbeit – also die sogenannte „Kaderschulung“ der Funktions- und Mandatsträger der Partei – berücksichtigt sehen wollte.

 

Im Jahr 1959 trat der von den Niederungen des Parteiwesens desillusionierte Altmann als Referent für Kulturpolitik in die Geschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelstages ein und war von 1963 bis 1978 dessen stellvertretender Hauptgeschäftführer. Als Buchautor machte der politisch kaltgestellte Publizist erstmals mit seinem 200-Seiten-Band „Das Erbe Adenauers“ auf sich aufmerksam. Altmann sprach dem „Alten aus Rhöndorf“ geistiges Profil ab und sparte auch sonst nicht mit Kritik an Unionsgrößen wie Ludwig Erhard („Gummilöwe“); Finanzminister Fran Etzel („ein bisschen à la Brüning“); Franz Josef Strauß („eine Intelligenz, die ihre Überzeugungen handhabt wie andere ihr Essgerät“) und Gerhard Schröder („Gilt vielen als glatt und kalt(…)Aber er besitzt Mut und Energie und den Willen zu kämpfen, und das ist nicht wenig für eine Partei, die mit ihren Ruhebetten ein Grand Hotel einrichten könnte“).

 

Doch bereits in diesem frühen Werk tritt auch Altmanns Schwäche zutage. Er zeigt sich zwar als schneidend-kalter Analytiker der bundesrepublikanischen Verhältnisse, doch sein eigener intellektueller Entwurf einer vermeintlich besseren deutschen Politik bleibt vage. Norbert Seitz hat das folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Der Querdenker Altmann taugte nicht für Talkshows, nicht nur, weil er akustisch schwer zu verstehen war, auch seine Positionen blieben oft schillernd, rätselhaft, ironisch gebrochen.“ Und der sozialdemokratische Politikwissenschaftler Kurt Sontheimer war mit der Art der Altmannschen Fundamentalkritik am Wirken Adenauers ebenfalls nicht einverstanden: „Altmanns Buch ist ein Beispiel für die damalige Tendenz, auch bei konservativen rechtsorientierten Intellektuellen, die Leistungen Adenauers in seiner Ära als eine höchst zwiespältige Erbschaft zu sehen, auf der sich nicht so einfach weiterbauen lasse. Aus heutiger Sicht ein bemerkenswertes Fehlurteil.“

 

Seine größte Bekanntheit hat Altmann sicher als Berater des „Gummilöwen“ erreicht. Bundeskanzler Erhard bemühte sich um die Intellektuellen, und als Männer des Geistes gaben sich u. a. Siegfried Unseld, Ernst Jünger, Rudolf Walther Leonhardt, Rüdiger Altmann, Johannes Gross, Alfred Müller-Armack und Karl Dietrich Bracher ein Stelldichein im Bonner Kanzleramt. Nach dem Vorbild des amerikanischen „brain trusts“ sollten „egg heads“ wie Gross und Altmann programmatische Arbeit leisten. Eine faule Frucht dieser Anstrengungen war der Begriff der „Formierten Gesellschaft“. Man kann aus dem Text zur „Formierten Gesellschaft“ mancherlei herauslesen, zum Beispiel den Ruf nach einer umfassenderen Haushaltspolitik bei gleichzeitiger Beschneidung föderaler Befugnisse und den Wunsch, nach Slogans wie „Soziale Marktwirtschaft“ und „Wohlstand für alle“ endlich wieder die intellektuelle Deutungshoheit zu erlagen. Dass Linke die Idee der „Formierten Gesellschaft“ als autoritär, reaktionär oder faschistoid abtaten, ist völliger Blödsinn. Es war viel schlimmer: Die Formel war im politischen Tagesgeschäft unbrauchbar und diente nur der Denunziation ihres Erfinders.

 

Der Spiegel ein „Plädoyer für einen Amtsverzicht Helmut Kohls“. Kohl – so seine Begründung – mangele es an Stil und seine Amtsführung sei des Chefs einer Bundesregierung unwürdig. Im Jahr 1989 erneuerte er seine Kritik an Kohl, den er als „Die Null vor dem Komma“ verhöhnte.

 

Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, da ihm zuletzt viele der CDU nahe stehende Periodika verschlossen blieben. Intellektuelle haben es halt schwer, wenn engstirnige parteipolitische Überlegungen ins Spiel kommen. Um Rüdiger Altmann ist es still geworden. In Zeiten, in denen der Kanzlerin Führungsschwäche vorgeworfen und geistiges Profil in der Politik Mangelware geworden ist, sollte man sich vielleicht wieder etwas mit Rüdiger Altmann beschäftigen.

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