Nigthfever in Stuttgart auf dem Kirchentag

Ein Kerzenmeer taucht die Kirche in ein ganz eigenes Licht. Gläubige laden nichtsahnende Passanten ein, für einen Moment mit ihnen zu verweilen. Das ist Nightfever - eine Bewegung zur Neuevangelisierung.

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Der erste Gedanke dürfte klar sein: Holla! Was ist das? Im Zentrum der Nightfeverabende steht die Eucharistische Anbetung. Das Bild von Nightfever gleicht sich an allen Nightfeverorten: Die Monstranz mit dem Allerheiligsten auf dem Altar, von dem aus ein rot-weißes Tuch bis auf den Boden reicht, auf dem ein Kerzenmeer die Szene in ein ganz eigenes Licht taucht und eine ganz eigene Atmosphäre herstellt. Auch für die Nightfevergruppen steht die Eucharistiefrömmigkeit im Mittelpunkt ihres Engagements. Nightfever versteht sich selbst als eine Bewegung zur Neuevangelisierung. Die niederschwellige (im wirklich besten Sinne) Mission auf der Straße lädt Passanten in die Kirche ein, um dort eine Kerze anzuzünden und einen Moment zu verweilen. Wohl wissend, daß die meisten Besucher, die an einem Nightfeverabend die Kirche betreten, völlig unwissend sind, was dort geschieht. Das macht nichts, denn es ist ja keine akademische Veranstaltung. Die Menschen werden emotional und intuitiv angesprochen. Priester stehen zu Gespräch und Beichte bereit, nicht zuletzt auch, um Besuchern, die sich plötzlich Fragen stellen, Rede und Antwort zu stehen.

Anbetung, der innere Kern von Nightfever auf einem evangelischen Kirchentag, und ausgerechnet am Fest Fronleichnam. Wer denkt da nicht sofort an eine Provokation? Aber entgegen allen Befürchtungen, das zeigte ein zweiter Blick in das Programm des Kirchentages, war der Nightfeverabend in St. Eberhard in Stuttgart, das liegt wirklich mitten in der Stadt und damit auch mitten im Zentrum des Kirchentagsgeschehens, offizieller Programmpunkt des Kirchentages.

Um das Spannungsfeld dieses Ereignisses zu verstehen, muß man sich in Erinnerung rufen, daß gerade Luther und damit auch die gesamte evangelische Tradition, insofern sie auf ihn zurück geht, sowohl die Eucharistische Anbetung als auch im besonderen das Fronleichnamsfest besonders ablehnte. Fronleichnam, das war das Fest, an dem die evangelischen Bauern ihren Mist auf die Felder fuhren. Wenn es ging, am besten entlang des Prozessionsweges. Die evangelische Hausfrau lieferte mit draußen aufgehängter Wäsche das nickelige Kontrastprogramm zu den Prozessionsfahnen der Katholiken.

Luther selber sagte über Fronleichnam:

Ich bin keinem Fest mehr feind … als diesem. Denn es ist das allerschändlichste Fest. An keinem Fest wird Gott und sein Christus mehr gelästert, denn an diesem Tage und sonderlich mit der Prozession. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man’s nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet. Es streitet mit seiner Schmink und erdicht’en Heiligkeit wider Christi Ordnung und Einsetzung. Denn er es nicht befohlen hat also umherumtragen. Darum hütet euch vor solchem Gottesdienst! [ aus: Luther Martin: Auslegung von Joh 6. 1530, Kirchenpostille 1521, Tischreden, zitiert nach Wikipedia]

Man müßte schon sehr naiv sein, wollte man das vorhandene Spannungsfeld nicht erkennen. Unterschiedliche evangelische Traditionen im Abendmahlsverständnis stehen durchweg in erheblicher Spannung zum katholischen Eucharistieverständnis. Auch in der zeitgenössischen katholischen Theologie ist immer wieder mal ein aus katholischer Sicht vermutlich defizitäres Eucharistieverständnis festzustellen. Und so ist es nicht ganz so leicht, einen evangelischen Kirchentag und Nightfever gedanklich zusammen zu bringen.

Dennoch, so zeigen Bilder und Statusmeldungen von dem Abend, die durch die sozialen Netzwerke kursierten, daß der Abend offensichtlich ein voller Erfolg war. Eine gut besuchte Kathedrale St. Eberhard in Stuttgart mit der üblichen Optik: Ein Kerzenmeer vor dem ausgesetzten Allerheiligsten. Viele Menschen, die sich in der Kirche bewegen oder in den Bänken sitzen oder knieen.

Nightfever, das haben vermutlich auch die Organisatoren des Kirchentages verstanden, als sie sich diese Veranstaltung erbeten haben, zeigt deutlich, wie eine echte niederschwellige Mission aussehen kann. Ausgehend von Christus, der in der Mitte der Gemeinschaft in der eucharistischen Brotgestalt wirklich anwesend ist, gehen Menschen auf die Straße und laden ein. Es gibt an und für die Gäste keine Ansprüche, keine moralische Belehrung und keine Hemmschwelle. Komm und sieh! Komm und geh, wann und wie Du willst. Und dennoch ist der Anspruch an die Mitarbeiter bei Nightfever enorm hoch. Der Nukleus von Nightfever setzt eine große geistliche Klarheit und die Bereitsschaft zu wachsen voraus. Beides ist in der Regel vorhanden. Nightfeverakademien, Katechesen an den Nightfeverabenden, Nightfeverweekend und vieles andere mehr sorgen dafür, daß die jungen Nightfeveraktiven den nötigen geistigen und geistlichen Hintergrund bekommen. Bei aller Begeisterung, die an jedem Anfang steht, braucht es auf Dauer ein festes Fundament. Und das ist auch für die Aktiven das Prinzip von Nightfever: Am Anfang steht die Begegnung mit Christus – sei sie bewußt oder unbewußt. Es folgt die Begeisterung und die Freude am Schönen. Die Ästhetik von Nightfever ist nicht zu unterschätzen. Nightfever ist für die Jugendlichen auch eine Gemeinschaft des Betens, miteinander und füreinander.

Doch der Schritt der Unterweisung ist der zwingend folgende, wenn es nicht in einem Strohfeuer oder in Schwarmgeisterei ausraten soll. Davon allerdings merkt der unbefangene Besucher eines Nightfeverabends erst einmal gar nichts. Für ihn steht die Kirche offen mit schöner Atmosphäre, der Möglichkeit eine Kerze anzuzünden, einen Bibelvers mitzunehmen und ein wenig zu verweilen. Doch um das zu ermöglichen, ist so viel und doch so wenig möglich. Nightfever, so sagte mir mal der Leiter einer Nightfevergruppe, ist so einfach: Man braucht nur ein paar Leute, die daran glauben und schon funktioniert es.

Ob nun reflektiert oder intuitiv haben die Organisatoren des Kirchentages das zumindest grob erfaßt. Und auch wenn man Gedankenverrenkungen machen muß, um das Spanunngsfeld zu akzeptieren, Nightfever an Fronleichnam auf dem evangelischen Kirchentag, so bleibt doch ein angenehmer Eindruck zurück, daß hier Ökumene einmal niederschwellig auf höchstem Niveau stattgefunden und funktioniert(!) hat.

Der Abend wird bei Besuchern wie bei Organisatoren einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Denn auch das wissen irgendwie alle, die bei Nightfever mitmischen: Wir säen nur, ernten wird ein anderer.

Den Organisatoren des Kirchentages kann man zu ihrem Mut gratulieren, diese Provokation – und es war eine im besten Sinne – nicht nur zuzulassen, sondern sie sogar ins Programm aufzunehmen.

Beitrag erschien auch auf: katholon.de

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