Niemand will die Schuldenbremse umgehen!

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Die in die Verfassung eingebaute Schuldenbremse ist das Herzstück deutscher Euro-Politik. In Deutschland soll sie ausgabefreudige Politiker disziplinieren. Sie erfüllt noch einen anderen Zweck.
Die Schuldenbremse wird von unseren Euromantikern als Beweis dafür ins Feld geführt, dass auch in den anderen Ländern der Euro-Zone für Stabilität gesorgt und verhindert wird, dass deutsche Steuerzahler und deren Kinder für die Schulden anderer Länder aufkommen müssen.

Kanzlerin Merkel und Staatspräsident Sarkozy werden beim nächsten Gipfel ein Papier präsentieren, in dem sich alle Euro-Zonen-Länder zur Einführung einer solchen Schuldenbremse verpflichten. Daraufhin werden die Chefs deutscher Wirtschaftsredaktionen, Handelsblatt vorneweg, wieder einmal feststellen, dass der Euro gerettet wurde und Frau Merkel sich durchgesetzt hat. Fraktionschef Kauder könnte ein weiteres Mal verkünden: „Europa spricht deutsch“!

Wieder einmal übersehen alle, dass in Europa zwar nicht deutsch geredet, aber dafür französisch gehandelt wird.

Keinem fällt auf, dass Sarkozy eine der französischen Grundhaltung widersprechenden Erklärung nur im Wissen darüber abgeben hat, dass die französischen Sozialisten einer solche Verfassungsänderung nicht zustimmen werden.

Die Schuldenbremse ist nicht nur in der Euro-Zone eine Luftnummer, sie wird auch bei uns zu einer Mogelpackung; nicht zuletzt wegen des Euro! Schon in der Präsentation des mittelfristigen Bundeshaushalts fällt eine neue Diktion auf: Es ist von einer anzustrebenden Einhaltung der Schuldenregel „eins zu eins“ die Rede, um die man sich bemühe. Das bereitet uns auf eine zum Beispiel „eins zu 0,75“ – Einhaltung vor und erinnert stark an die Diktion von Wolfgang Schäubles Vorvorgänger Hans Eichel.

Auch damals hatte niemand die Absicht, die „Drei-Prozent-Neuverschuldungsregel“ des Maastrichtvertrags außer Kraft zu setzen.  

Nicht nur seit bekannt wurde, dass die Neuverschuldung des Bundes von 17 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf über 30 Milliarden in diesem Jahr steigen wird, kann man auch die strikte Anwendung der Schuldenregel in Deutschland „in der Pfeife rauchen“. Aus drei Richtungen kommen gigantische Zusatzbelastungen auf den Bundeshalt zu, für keine davon ist im Bundeshaushalt vorgesorgt, alle sind dem Festhalten am Einheits-Euro zu verdanken.

Niemand will die Südländern alimentieren

Erstens, müssen unbezifferte zusätzliche Schulden für die Finanzierung des „permanenten Euro-Rettungsschirms“ (ESM) aufgenommen werden. Allein dadurch dürften in diesem Jahr weitere acht Milliarden hinzukommen. Dabei versprach Frau Merkel mal, dass der (erste) Rettungsschirm 2013 auslaufen würde, „weil er falsche Signale sendet und die gefährliche Erwartungshaltung fördert, dass unsere Steuerzahler im Krisenfall einspringen“.

Niemand hatte die Absicht, deutsche Steuerzahler an der Rettung Griechenlands & Co. zu beteiligen.

Zweitens, auch die Abschreibungen, die bei der geplanten Umschuldung griechischer Staatspapiere bevorstehen, führen zu weiteren Belastungen des Staatshaushalts. Nicht nur, weil die meisten dieser Papiere in den Tresoren staatlicher deutscher Institute liegen (beispielsweise der Hypo Real Estate, den Landesbanken) und deshalb vom Steuerzahler zu tragen sind, sondern auch, weil sich Sarkozy mit der Ablehnung der Beteiligung privater Gläubiger gegenüber Merkel durchsetzen konnte. Damit haben dann deutsche Steuerzahler wieder einmal nicht Griechenland oder den Euro sondern vor allem französische Banken „gerettet“, und niemand merkt es! Wir werden jetzt weitere Schulden (sechs oder acht Milliarden Euro?) aufnehmen müssen. Folgt man dem Linde-Chef Reitzle, sind bis zu 100 Prozent „futsch“, und dann wären es entsprechend mehr.

Niemand hatte die Absicht, Schulden aufzunehmen, um die Schulden anderer begleichen zu dürfen. 

Drittens, die jüngste Herabstufung der Bonität Frankreichs und anderer Länder führt unweigerlich zu weiteren neuen Schulden in Deutschland. Der Euro wird nur „gerettet“ werden können, wenn die Schulden vergemeinschaftet und die Schuldzinsen angeglichen werden.

Niemand hat die Absicht, die Zinsen für Staatsanleihen von Südländern durch deutsche Steuerzahler zu alimentieren. 

Auch dass Minister Schäuble in der vergangenen Woche auftauchende Gerüchte, er wolle die Schuldenbremse umgehen, dementieren ließ, erinnert an Walter Ulbrichts Dementi kurz vor dem Mauerbau. War nicht die „No-Bail-Out“-Klausel auch eine Mauer, die die deutschen Steuerzahler vor den Begehrlichkeiten ausgabefreudiger Politiker anderer Länder schützen sollte?

Niemand hatte die Absicht, diese Mauer einzureißen.

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: qed

Köstlich, Meier!

Gravatar: reiner tiroch

Die Schuldenbremse will keiner umgehen? warum gibt es dann Nachtragshaushalte? Um behaupten zu können, dass der haushalt ausgeglichen ist? Ihr Deppen.

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