Nicht vom Guten, wenn ein Kind seinen Gelüsten nachgeben kann

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Wenn eine der jungen Mütter jammerte: 'Unser Kind will nicht essen! Man hat die grösste Mühe, ihm etwas einzulöffeln!' konnte auch hier die alte Mutter nicht aus Erfahrung mitreden und -raten. 'Ach, ihr Lieben', erzählte sie, 'solche Nöte blieben uns unbekannt! In unserer grossen Familie 'machte eins das andere an' und sie assen mit Freuden, was auf den Tisch kam. Hunger war der beste Koch. War eins krank, war es begreiflich, dass es nicht essen mochte, und sobald es ihm besser ging, kam auch der gesunde Appetit wieder. Mich dünkt, ihr solltet es nicht zu wichtig nehmen, wenn ein Kind nicht essen will. Lasst es ruhig einmal hungern, und ich denke, dass es dann von selber nach Speise verlangen wird.' Sie mischte sich nicht gerne in die Familienangelegenheiten der Jungen ein, deshalb fügte sie nur zögernd hinzu: 'Unsere Kinder hatten aber auch keine Gelegenheit, zwischenhinein zu naschen und zu schlecken. Ich schaue es nicht vom Guten an, wenn ein Kind seinen Gelüsten nachgeben kann.'

Auch auf die verschiedenen Klagen der jungen Eltern, die Kinder seien nicht so gehorsam, wie sie es gerne sehen würden, wusste Grossmutti kein Heilmittel. Einer Tochter wagte sie einmal in aller Liebe zu sagen: 'Ihr befehlt zu viel, und dann achtet ihr nicht darauf, dass es ausgeführt wird. Ich hatte keine Zeit, lange Federlesens zu machen. Wenn ich zurückschaue, scheint es mir, ich habe gar nicht viel Mühe gehabt mit meiner Schar. Ich glaube die Kinder haben einander selber erzogen. Auch das ist ein Segen der grossen Familie, über die man sich heutzutage entsetzt.

Martha Wild. Auf Goldgrund. Aus dem gesegneten Leben einer Mutter. Blaukreuz: Bern, 1989. (134)

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