Nationale Bestrebungen nach der Wahl in Großbritannien

Boris Johnson hat die Wahl in Großbritannien gewonnen und der Brexit wird erfolgen. Gut so. In Schottland und Nordirland haben die nationalen Parteien gewonnen. Schottland strebt ein neues Unabhängigkeitsreferendum an - und auch das ist gut so.

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Es ist ein starkes Signal, das von der Wahl in Großbritannien ausgeht. Ein Signal, das den EU-Kraten in Brüssel vermutlich so gar nicht in den Kram passt. Nicht nur, dass die Briten - primär die Engländer - endlich ihren Brexit bekommen, sondern auch, dass die nationalen Bestrebungen zusätzlich gestärkt werden.

Schottland strebt ein neues Unabhängigkeitsreferendum an. Vor fünf Jahren unterlagen die Befürworter der Unabhängigkeit klar, doch nach dem jetzigen Wahlausgang dürfte sich die Stimmung bei den Schotten deutlich geändert haben. Man möchte gerne in der EU bleiben, das aber geht nicht als Bestandteil des Vereinigten Königreichs, sondern nur und ausschließlich als unabhängiger Staat. 1707 wurden beide Länder zwangsweise vereint, auch wenn die bis dahin nach außen hin geltende Unabhängigkeit Schottlands lediglich auf dem Papier bestand, das Land de facto aber vom Wohl und Wehe der Entscheidungen Londons abhängig war.

Der lange, mitunter blutige Weg der Schotten zur Freiheit und Selbstverwirklichung kann nun ein Ende haben, ein nicht unbedingt gewollter Nebeneffekt des Brexit, dennoch aber eine durchaus als positiv zu betrachtende Entwicklung.

Nicht minder interessant ist der Wahlausgang in Nordirland. 1920 wurde durch den Government of Ireland Act Irland zwangsweise getrennt in Süd- und Nordirland. Aus dem Süden entwickelte sich relativ schnell zunächst der Freistaat Irland, der vor fast exakt 82 Jahren zur Republik Irland ausgerufen wurde (29. Dezember 1937). Im Norden, der Provinz Ulster, behielten die der britischen Krone zugewandten Unionisten seit der Trennung vor fast 100 Jahren politisch die Oberhand und setzten durch, dass im den Zeiten der Unruhen (The Troubles) 1972 der in Nordirland ansässige Premierminister Nordirlands durch einen in London sitzenden Ministers für Nordirland ersetzt wurde. Wiedervereinigungsbestrebungen seitens der Republikaner wurden von den Unionisten abgeschmettert, mitunter auch unter tatkräftiger Mithilfe englischen Militärs und der englischen Polizei. Stets konnten sich die Unionisten darauf berufen, dass sie für die Mehrheit der Nordiren sprachen.

Das hat jetzt ein Ende. Die Befürworter einer Wiedervereinigung der beiden irischen Teile haben die Wahl in Nordirland gewonnen, die Unionisten repräsentieren nur noch eine Minderheit im Norden. Eine Umfrage bei den Nordiren im Zusammenhang mit dem Brexit hat ergeben, dass 48 Prozent der Befragten trotz Brexit im Vereinigten Königreich verbleiben wollen, die gleiche Anzahl der Befragten aber für eine Wiedervereinigung mit der Republik votierten. Vier Prozent waren sich in ihrer Entscheidung unsicher. Eine ähnliche Umfrage 2017 ergab, dass lediglich 29 Prozent für eine Wiedervereinigung waren, 58 Prozent für einen Verbleib und 13 Prozent unsicher über ihre Entscheidung.

Auch in Nordirland hat also die Wahl in Großbritannien und die Diskussion um den Brexit zu einem Erstarken der nationalen Bestrebungen geführt. Die EU hat sich mit ihrer harten, unversöhnlichen Haltung gegen die britische Regierung beim Brexit letztlich einen Bärendienst erwiesen. Denn sollten in Schottland und eventuell auch in Nordirland Referenden über die Unabhängigkeit respektive die Wiedervereinigung abgehalten werden, so wäre das Wasser auf die Mühlen anderer, ebenfalls um Unabhängigkeit kämpfender Regionen in Europa. An erster Stelle sei hier Katalonien genannt, doch auch die Flamen dürften mit großen Interesse diese Entwicklung verfolgen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Boris Johnson hat die Wahl in Großbritannien gewonnen und der Brexit wird erfolgen. Gut so. In Schottland und Nordirland haben die nationalen Parteien gewonnen. Schottland strebt ein neues Unabhängigkeitsreferendum an“ ... - ...

Allerdings wollen nicht nur die Schotten das UK verlassen!!!
https://www.abendblatt.de/politik/article217020999/Schottland-will-neues-Referendum-zerbricht-Grossbritannien.html

Nun stelle man sich vor, in London würde man im Ernstfall ähnlich handeln, wie im Fall Madrid versus Katalonien!

Würde man in Brüssel und Berlin ebenso reagieren, wie beim Abspaltungsversuch der Katalanen von Spanien???
https://www.spiegel.de/politik/ausland/katalonien-eu-reagiert-kuehl-auf-referendum-zur-unabhaengigkeit-a-1170973.html

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