Nach #MEI: Die Schweiz mutiert zur direkten Rentnerdemokratie

Ich habe den letzten Wochen nach der #MEI-Abstimmung vom 9. Februar gegenüber Bekannten immer mal wieder gesagt, ich verstehe einfach nicht mehr, was politisch los ist in der Schweiz.

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Dass das Links-Rechts-Mitte-Schema nicht mehr gilt, ist hinlänglich bekannt.

Der Röstigraben ist kaum mehr sichtbar. Der Stadt-Land-Gegensatz war bei dieser Abstimmung offenbar nicht von Bedeutung. Die Agglo war’s, die Agglo war’s, meinten die Kommentatoren nach ein paar Tagen der Erklärungssuche.

Und alle waren irgendwie zufrieden mit diesem Befund.

Für mich ist jedoch nicht von grossem Interesse, was die nationalkapitalistischen Hauchdünnsieger, die Wunden leckenden Hauchdünnverlierer, die Kaffeesatz lesenden Journalisten in dieses Ergebnis reininterpretierten, ich will wissen, was sich UNTER der dünnen Erklärungsoberfläche abspielt.

Was läuft bei Lichte besehen tatsächlich ab, in unserem direktdemokratischen System?

Als ich gestern diesen Tweet von Claude Longchamp gelesen habe, lag unvermittelt die Antwort auf dem Tisch: Unser politisches System mutiert – offenbar nicht nur von mir unbemerkt – zu einer direkten Rentnerdemokratie:

Unbenannt

Claude Longchamp ergänzte dazu gestern in 10vor10, das Durchschnittsalter der Stimmbeteiligten habe bei 57 Jahren gelegen. Was auch dem Durchschnittsalter der Hardcopy-News-Abonnenten entspricht.

Ich habe diese Entwicklung, nämlich hin zum politischen Übergewicht “der Alten”, erst später, so ab dem Jahr 2020, erwartet.

Doch da habe ich mich offensichtlich geirrt.

Zählt man zu dieser Stimmkohorte noch die 50+-jährigen Statusquobewahrer hinzu, ist das Übergewicht gegenüber der Zukunftsgeneration (bis 35) und der volllasttragenden Aktivgeneration erdrückend.

Wer mit seinen Argumenten Slogans diese beiden Stimmblöcke erreicht, gewinnt (theoretisch) jede Abstimmung.

Ausserhalb des Links-Rechts-Mitte-Schemas.

Plakative Beispiele:

     

  • Folgen wir der Logik der #MEI-Abstimmung, hat die Einheitskrankenkasse dann eine Chance, wenn mit einer Prämienstabilisierung – in Kantonen wie Basel-Stadt gar mit einer Prämiensenkung – argumentiert und die freie Arztwahl garantiert wird.
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  • Der Mindestlohn wird abgelehnt, wenn die Zukunft der Spitexdienste in Frage gestellt wird.
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  • Die Mindestlohninitiative wird haushoch abgelehnt, weil, wir mussten für unseren Lebensunterhalt hart arbeiten. (Auf den wird sowieso keine AHV-Abgabe erhoben.)
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So besehen, sind die Medienkommentare zur MEI-Abstimmung Müll, weil die von Claude Longchamp getwitterte Pointe der Abstimmung nicht bekannt war.

Im Grunde genommen müssten alle VOX-Analysen künftig die Altersfrage beinhalten.

PS: Ein Ständeratskandidat Conti (60) und die bisherige Anita Fetz (57) sind so besehen die perfekt auf die wahlaktive Zielgruppe abgestimmten Kandidaten für die 2015er-Wahlen. Wobei die SP Eva Herzog (53) sogar als Nachwuchshoffnung verkaufen könnte.

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