Nach-Gedacht: Schmutzige Noblesse

Ausgrenzung auf kulinarische Art

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Der Wahn schreitet voran: Wir haben in diesem neuen Deutschland schon wieder Berufsverbote, Kriminalisierung, Bloßstellung, Verleumdung, Einschüchterung, Behinderung, Zensur. Bitte die Aufstellung beliebig ergänzen, denn das Arsenal, die Welt oder wenigstens die deutsche Zivilgesellschaft von Abweichungen der zuherrschenhabenden Meinung zu bereinigen, ist wahrhaft gewaltig. Seit ein Berliner Schickimicki-Restaurant sein schon bisher unsympathisches, aber legales Selbstdarstellungsbedürfnis damit befriedigt, AfD-Mitgliedern und -Sympathisanten den Eintritt zu verwehren, ist aber eine neue Dimension der Kombination von gelebtem Hass und Dreistigkeit erreicht. Neben Aufklebern gegen Waffen, Handys und Kameras klebt nun also auch ein Anti-AfD-Sticker an der Tür des „Nobelhart und Schmutzig“, das im Berliner Kreuzberg residiert, wo der Bezirk am hässlichsten ist (Friedrichstraße 218, bitte klingeln). Da ist der Name wirklich Programm.

So bleibt einem das Essen im Halse stecken. Man stelle sich vor, auf dem Sticker stünde „Keine Schwarzen“ oder „Keine Frauen“ - das wäre zwar genauso menschenfeindlich, zöge aber einen kollektiven Aufschrei der Empörung in Begleitung von Staatsschutz und gerichtlicher Verfolgung nach sich. Man denke ebenso an die Repressalien, die schon vor der allgemeinen Diskriminierungshysterie Clubbetreiber zu ertragen hatten, die zum Schutz von Frauen und einer friedlichen Atmosphäre in ihrem Lokal versuchten offensichtlich aggressive Migranten an der Tür abzuweisen.

Nun trifft es anscheinend ohne jede menschenrechtlichen Bedenken seitens des Mainstreams also Leute, die des Verbrechens beschuldigt werden, mit einer legalen Partei zu sympathisieren. Einer Partei, der von so eklatant Intoleranten ausgerechnet hasserfüllt Intoleranz und Hass vorgeworfen wird. Die Selbstgerechten schaffen Bürgerrechte ab, wohl ohne noch einen Gedanken an die Demokratie zu verschwenden. Ausgerechnet eine vom  Gleichheitswahn genährte Ideologie installiert eine Zweiklassengesellschaft. Man fragt sich, ob es noch Jahre oder nur Monate dauert, bis der Judenstern in neuem Design wiederaufersteht.

Der Schlag ins Gesicht der Menschenrechte, unbescholtener Bürger und des demokratischen Selbstverständnisses ruft beim neuen Milieu statt Unwohlsein sogar Begeisterung hervor. David Bjaouix schreibt an den Inhaber des Etablissements: „Finde eure Aktion großartig! Ich möchte nämlich nicht neben einem AfD-Wähler mein Dessert genießen!" Oder Ben Vogel: „Volle Punktzahl für diesen Laden. Wer nicht nur grandioses Essen serviert, sondern auch seine gesellschaftliche Verantwortung annimmt und zeigt, dass Intoleranz und Hass keine Speisen bekommt, hat 5 Sterne verdient.“

Dermaßen triefend von Hass und Intoleranz hat dieser Vogel denselben abgeschossen und dabei mit Nahrungsentzug gleich eine neue Disziplin zur nachhaltigen Knebelung von Andersdenkenden kreiert. Die Frage bleibt nur noch, wie der so gelobte Restaurantchef Billy Wagner ganz praktisch seiner gefühlten Gerechtigkeit zum Durchbruch verhelfen will. Reicht eine Gesichtskontrolle, oder müssen die Gäste auf AfD-Zugehörigkeit abgetastet werden? Wird Einlass erst nach einer kurzen Google-Recherche gewährt? Gibt es vielleicht doch sicherheitshalber ein weltanschauliches Verhör als Amuse-Gueule (mit anschließender Verwurstung bei Nichtbestehen)? Oder ist das alles nur ein geschmackloser Marketing-Gag, so geschmacklos wie nicht nur Normalos das Essen in dem Michelin-Führer geführten Lokal beschreiben?

Bei der Beschneidung der Grundfreiheiten im Dienste einer Werbeaktion kippt genau hier unser kompletter Wertekanon endgültig. Einen Shitstorm gab es dennoch. Ein Gast schrieb: „Wir waren schon einige Male bei Euch und haben uns stets wohlgefühlt, nach einer solchen Aktion werden wir aber von weiteren Besuchen vorerst Abstand nehmen und unser Geld lieber dort ausgeben, wo man nicht auf Intoleranz als Markenzeichen setzt." Wagner antwortete seinen Ex-Gästen so pampig wie am Versuch originell zu sein scheiternd: „Was meinen Sie mit 'solche'? Welcher Aufkleber stört Sie noch?" Und schließlich verwies er auf das Hausrecht des Hoteliers. Ich wünschte, jemand hätte den Mut, die Reichweite dieses Hausrechtes juristisch zu hinterfragen.

Bleiben wir aber bei den nobelharten Schmutzfinken, die ihre Vorstellung von Meinungsfreiheit schon mit ihrer Speisekarte ausdrücken: Es gibt nämlich keine Wahl, gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Der durchaus interessante Ansatz, auf Zutaten der Region zurückzugreifen, wird so exzessiv ausgelebt, dass selbst Pfeffer tabu ist. Entsprechend heißt es in der Selbstdarstellung „Die Speisen reduzieren sich auf wenige Grund-Geschmäcker.“ Man könne schließlich alles essen, wenn man nur wisse, wie man es zuzubereiten habe. Oder in Merkelscher Vereinfachung zusammengefasst: „Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht.“

Mit solcher Arroganz und Dirigismus steht der Yuppieladen mit Sicherheit ganz unten in der demokratischen Nahrungskette. Nicht nur eine AfD-Freiheitsbescheinigung wird also verlangt, sondern auch die freiwillige Unterordnung unter die Experimente der selbstgefühlten Küchen-Koryphäe. Vielleicht entspricht solche Unterordnung für den ansonsten überforderten Entscheidungsträger aus der neuen Führungsschicht ja auch der altmodischen Unterwerfung unter eine Domina?

Individualismus wird also erst richtig schön, wenn man es sich leisten kann, darauf zu verzichten. Es reicht ja zu wissen, dass man es bezahlen kann, obwohl es teuer ist, und man damit aus der Masse herausragt. Der gelebte Hass auf die Untermenschen von der AfD ist von solchen Denkweisen nicht weit entfernt. Wer zu dieser neuen durch Ausgrenzung legitimierten Elite dazugehören will, zahlt gerne die 80 Euro (ohne Getränke) für ein Menü der Aneinanderreihung winzigster und teilweise ekelgebietender Portionen à la „Tannennadeln in Milch“.

Der renommierte Restaurantkritiker Heinz Horrmann, unverdächtig der politischen Einseitigkeit, schrieb unabhängig von den jüngsten Vorfällen nach einem Besuch der Einrichtung: „Der Gast soll bekommen, was er sich wünscht, und nicht, was der Restaurateur glaubt, ihm aufzwingen zu müssen.“ Er bemängelt auch, dass die Weinkarte nicht etwa wie üblich und sinnvoll nach Landstrichen oder Rebsorten sortiert ist, sondern nach „abstrusen Billy-Wagner-Kriterien wie ‚typische Boden-Kreszenzen‘ oder ‚Weine mit dominanter Handschrift‘“. Sollte sich hier etwa ein gescheiterter Möchtegerne-Menschenfreund in kleiner Klitsche als großer Führer aufspielen? Nicht bei Heinz Hormann jedenfalls, der so trocken wie ein guter Wein sein Fazit zieht: „Ich war jetzt gleich zwei Mal da, das war für mich das erste und das letzte Mal.“

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: https://chaosmitsystem.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Lupo

So ein schwachsinniges Lokal kann ja nicht mal Pommes
verkaufen und sollten lieber Kühlschränke am Polarkreis verkaufen, wer den Wind sät wird den Sturm ernten.
Solche Lokalitäten sofort die Konzession entziehen.
Wo bleibt den da das Menschenrecht ganz zu schweigen von der blinden Justiz allen voran der feine Herr Minister, aber anscheinend ist vor dem Gesetz jeder Ungleich in diesen königlichen Merkelland.

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