Kinder, die sich selbst überlassen sind, sind nicht emanzipiert, sondern überfordert.
Was seiner allzu vorzeitigen emanzipierten Selbständigkeit dienen sollte, ist in Wirklichkeit eine Überforderung. Ihm werden Entscheidungen abverlangt, denen es nicht gewachsen ist und die ihm das Glück der Behütung rauben.
Insofern ist die Frage eines Kindes in einem Hamburger Kinderladen höchst bezeichnend: „Tante, müssen wir heute wieder das spielen, was wir wollen?
Überforderte Freiheit ruft nach neuer Steuerung. Das macht anfällig für die stärkte Kommandostimme:
Die vermeintlich freiheitliche Emanzipation von Autorität und Tradition führt gerade nicht zu der erstrebten Freiheit, sondern lässt diese als überfordernden Zwang zu permanenter Selbstbestimmung empfinden und schliesslich an die stärkste Kommandostimme delegieren. Die Wendung gegen die Autorität beschwört so die Pseudoautorität der Despotie herauf.
Ich wage deshalb zu behaupten: In unserem „aufgeklärten“ Westen wachsen Generationen an labilen Menschen heran, die für alle Arten von Kommandostimmen empfänglich sind!
Aus: Helmuth Thielicke. Mensch sein – Mensch werden. Piper: München 1976. (252-254)
Erschien zuerst unter www.hanniel.ch.
Kommentare zum Artikel
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Ja, es ist schon ziemlich abartig, Kindern Führung und Erziehung zu verweigern, die sie so notwendig zum gesunden Großwerden brauchen. Und das Ganze läuft dann noch unter Begriffen wie "kindgerecht" oder "kinderfreundlich".