Monopole machen satt und träge

"Zwei Drittel der Deutschen sind für die Aufhebung der restriktiven Glücksspielregelungen", sagt der Gamin Law-Experte Dr. Wulf Hambach.

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Bringt der neue elektronische Brief der Post Bewegung in die Glücksspiellandschaft? Am Rhein sieht es nach einem Bericht der Rhein-Zeitung derzeit so aus, zumindest werden die Rufe nach einer Liberalisierung des Glücksspielstaatsvertrages lauter. „Was in Rheinland-Pfalz seit Januar 2009 verboten ist, ist in Hessen wieder möglich: Lottospieler dürfen hier Tipps über das Internet abgeben. Der Fachbeirat Glücksspielsucht klagt zwar gegen das hessische Innenministerium, das die Genehmigung erteilt hat. Aber die Lottospieler können sich bereits registrieren lassen, um über den neuen elektronischen Brief der Post zu tippen“, berichtet das Blatt. Hans-Peter Schössler, Geschäftsführer von Lotto Rheinland-Pfalz, sieht hierin allerdings noch nicht den großen Wurf. „Für ihn ist das Tippen über den E-Postbrief sowieso keine Alternative zum direkten Glücksspiel im Internet, wie es bis Ende 2008 möglich war“, so die Tageszeitung.
„Unsere wichtigste Forderung ist ganz klar die Wiederzulassung im Internet“, wird Schössler zitiert. Bis zum 31. Dezember 2011, wenn der derzeit geltende Glücksspielstaatsvertrag ausläuft, sei dies nicht möglich, „doch schon jetzt führt Lotto Gespräche mit Regierung und Fraktionen, um ab 2012 eine neue Regelung zu bewirken.“ Lotto Rheinland-Pfalz verzeichnet seit dem Internet- und Fernsehwerbeverbot nach dem Bericht Umsatzeinbrüche von rund zehn Prozent: „2009 hatten wir ein Umsatzminus von über 30 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr, in diesem Jahr erwarten wir ein Minus von 40 Millionen“, so Schössler gegenüber der Rhein-Zeitung. Das Ziel, die Online-Tipper in die rund 1200 Lotto-Annahmestellen im Land zu lotsen, sei verfehlt worden. Sie „spielen auf illegalen Plattformen im Netz. Anders als Lotto sind diese nicht staatlich kontrolliert – und zahlen ihre Steuern eher in Gibraltar als in Mainz.“

Auch in anderen Bundesländern regt sich Widerstand gegen den Glücksspielstaatsvertrag. Die Speerspitze der Status-quo-Gegner sitzt in Kiel: Schleswig-Holstein hat bereits Anfang Juni ein Modell vorgelegt, das der realitätsfernen und ökonomisch törichten Regelung, die vor allem die Soziallotterien benachteiligt, den Kampf ansagt. Der Marktanteil ausländischer und mithin unregulierter Anbieter beispielsweise nur bei Sportwetten liegt nach Expertenschätzungen bereits bei 94 Prozent – im Bereich des im Trend liegenden Online-Pokerspiels sogar bei 100 Prozent. Das staatliche Monopol existiert lediglich auf dem Papier, so die Ansicht der Regierungsfraktionen von CDU und FDP, die auf Mitstreiter aus den anderen Bundesländern hoffen und dabei auf die absehbare Entwicklung der Steuereinnahmen schielen: Nach einer Goldmedia-Studie mit dem Titel „Glücksspielmarkt Schleswig-Holstein 2015“ kann Schleswig-Holstein nach einer Liberalisierung im Jahr 2015 rund 179 Millionen Euro an Steuereinnahmen aus dem Glücksspiel- und Wettensektor generieren, nach geltendem Recht wird etwa die Hälfte erwartet. Auf Unverständnis stößt die restriktive deutsche Regelung auch im Ausland, wie Tennislegende Boris Becker unlängst bei einer Diskussionsrunde der beiden Kieler Regierungsfraktionen bestätigte. In seiner Wahlheimat England habe das Wetten gleichsam Lifestyle-Charakter. „Die Diskussionen in Deutschland kann niemand auf der Insel nachvollziehen“, so Becker, der zwischenzeitlich unter die professionellen Pokerspieler gegangen ist und für die aus der TV-Werbung bekannte kostenlose Online-Pokerschule der Rational Poker School Ltd. www.pokerstars.de wirbt.

Der Gesetzesvorschlag aus Kiel trägt auch der veränderten europäischen Glücksspielslandschaft Rechnung. Als Vorbild gilt das so genannte dänische Modell: Sportwetten, Poker und Casino-Spiele werden demnach liberalisiert, die restriktiven Werbe- und Vertriebsbeschränkungen werden aufgehoben. Der Gaming Law-Experte Dr. Wulf Hambach verweist auf eine TNS-Emnid-Umfrage, wonach fast zwei Drittel der Deutschen für die Aufhebung der restriktiven Glücksspielregelungen sind, um vor allem von den zusätzlichen Steuereinnahmen zu profitieren.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Dr. No

... soweit nachvollziehbar, zur Kanalisierung in geordnete, legale Bahnen reicht aber ein hinreichend attraktives staatliches Internetangebot aus. Kommerzielle Anbieter haben nur ihren eigenen Profit im Sinn, nicht den Spielerschutz. Der Europäische Gerichtshof sieht dies ebenso, siehe Urteil zu "Liga Portuguesa" (2009).

Gravatar: Sprinter

Die Forderung, den Zugang zu ausländischen Internetangebote von Glücksspielen durch die Einführung von sog. Internetsperren zu unterbinden, ist der falsche Weg das Problem nachhaltig zu lösen. Eine solche Internetzensur, egal zu welchem Zweck, ist technisch auf sehr einfache Weise zu umgehen. Insbesondere für die zu schützende Gruppe der Jugendlichen stellen Internetsperren keine hohe Zugriffshürde dar.
Deshalb ist es besonders wichtig, in Deutschland wieder legale, staatlich reglementierte und mit den entsprechenden Spielerschutzmaßnahmen versehene Spielsysteme im Internet zuzulassen. Nur durch die Möglichkeit, an einem legalen Internetspiel in Deutschland teilzunehmen, kann eine Abwanderung der Spieler zu den, in Deutschland illegalen, ausländischen Glücksspiel-Internetangebote begrenzt werden. Ferner können über ein Internetangebot aus Deutschland auch Spieler, die aktuell an ausländischen Internet-Glücksspielen teilnehmen, wieder zu den legalen, kontrollierten Internetspielen zurückgeholt werden.

Gravatar: Harry Peter

... ähnlich in Frankreich und Italien, auch dort werden alle Seiten von Glücksspielanbietern ohne Erlaubnis gesperrt. Nur so kann ein Lizenzmodell tatsächlich funktionieren, der Staat wird sonst mit den berechtigten Klagen legaler Anbieter überschwemmt.

"Freiheit über alles" - Beim Glücksspiel ist das der sichere Weg in Chaos, Sucht und Kriminalität. Das die Anbieter aus Gibraltar nun eine Figur wie Boris Becker vor ihren Karren spannen, sagt alles...

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