Moderner Menschenhandel

Was unterscheidet Leihmutterschaft noch vom Kauf eines Autos, wenn ein Kind bestellt, bezahlt und abgeholt wird? Die Antwort ist einfach: Nichts.

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Lassen wir all die verzweifelten Geschichten von Menschen außen vor, die sich ein Kind wünschen, aber keines kriegen. Die sich ein Kind wünschen, aber gar keins gemeinsam zeugen können, weil sie zum Beispiel alleinstehend oder ein gleichgeschlechtliches Paar sind. Persönliche Schicksale, die uns Tränen in die Augen treiben und Betroffenheit erzeugen, sind nicht dazu geeignet, das große Ganze im Auge zu behalten, sondern verhindern sogar, die Dinge nüchtern zu betrachten.

Und nüchtern betrachtet, macht es keinen Unterschied, ob ich ein Auto kaufe oder ein Kind, wenn sich faktisch die Abläufe gleichen. Produzenten aussuchen, bestellen, bezahlen, Lieferung. Bloß muss im Fall der Leihmutterschaft nicht die Frage „Audi oder BMW?“ geklärt werden, sondern eher „Thailand oder Indien?“. Der Vorgang bleibt gleich, man kauft etwas. Im Falle der Leihmutterschaft kauft man aber ein Kind und kein Objekt. Thailand versucht aktuell, dieser Praxis einen Riegel vorzuschieben. Man wolle den „Miete-dir-einen-Bauch-Tourismus“ unterbinden, zitieren Nachrichtenagenturen Parlamentsmitglieder. Das Gesetz solle dafür sorgen, „dass die Bäuche von Thailands Frauen nicht zu den Bäuchen der Welt werden“. Seit gestern ist nun in Thailand ein Gesetz in Kraft, das Ausländern verbietet, eine Leihmutter in Thailand zu beschäftigen. Weiterhin möglich ist jedoch eine Leihmutterschaft in Auftrag zu geben, wenn mindestens ein Partner Thailänder ist. Kritiker befürchten nun, dass das Geschäft in die Illegalität abdriftet und die Frauen, die als Leihmütter arbeiten, jetzt medizinisch und rechtlich nicht mehr abgesichert sind.

Thailändische „Baby-Fabriken“

Das Verbot in Thailand kommt nicht von ungefähr. Im vergangenen Jahr machte die Geschichte von dem australischen Paar, das ein Kind mit Down-Syndrom nicht abgeholt haben soll, weltweit die Runde. Das bestellte Modell hatte also Fehler, um in den Auto-Jargon zurückzukehren. Ebenfalls medial diskutiert wurde ein Japaner, der insgesamt 16 Kinder bei thailändischen Frauen geordert hatte. Worte wie „Baby-Fabrik“ machten die Runde.

Auch in Indien blüht das Geschäft der Leihmutterschaft vor allem mit den Kunden aus dem Ausland. Agenturen haben sich längst darauf spezialisiert, vermitteln die Leihmütter, garantieren die medizinische Versorgen und erledigen den Papierkram. Auch dort gibt es genug Frauen, die damit den Lebensunterhalt für den Rest der Familie sichern, oder die Schulbildung für die Kinder, die sie bereits haben. Was ist es anderes, als das Ausnutzen einer finanziellen Notlage? Was ist es anderes, als die Ausbeutung von Frauen? Es besteht gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Sex-Tourismus in Thailand nicht akzeptabel ist. Dass die Ausbeutung der Sexualität von Frauen moralisch verwerflich sei. Nun sind wir einen Schritt weiter, jetzt wird die Fruchtbarkeit von Frauen vermarktet, verwertet und ebenfalls ausgebeutet.

Verfechter der Freiheit mögen nun einwenden, dass doch jeder frei sei, selbst über seinen Körper zu entscheiden und niemand diese Frauen zwinge, ihren Bauch zur Verfügung zu stellen. Manche mögen es sich sogar schönreden, dass es doch für diese Frauen eine vergleichsweise hohe Einnahmequelle ist und sie damit sogar ihre Rest-Familie, die nicht verkauft wird, ernähren können. Dieses Argument wird übrigens gerne auch in der Prostitution verwendet – auch hier in Deutschland. Schließlich gibt es die Frauen, die sagen, ich mach das freiwillig oder gar gerne.

Widersprüchlich ist dann aber, dass beim Verkauf von Organen jedenfalls ein Konsens besteht, dass es Ausbeutung ist. Nicht umsonst ist der weltweite Organhandel verboten, um zu verhindern, dass Menschen, die unter Druck stehen, einzelne Teile ihres Körpers verkaufen.

Ist ein Kind weniger wert als eine Niere?

Und jetzt also Kinder. Eine Niere aus Afrika kaufen? Geächtet. Ein Kind aus Thailand kaufen. Alles ok? Sind Kinder weniger „wert“ als eine Niere? Die Messlatte bei einem ganzen Menschen niedriger als bei einem menschlichen Einzelteil? Ein Einzelteil ist auch die Eizelle. Deren Spende ist in Deutschland noch verboten, genau wie die Leihmutterschaft. Doch schon innerhalb Europas gibt es bereits keinen Konsens mehr. Sowohl Eizellspende als auch Leihmutterschaft ist in zahlreichen Ländern bereits legal.

Reproduktionsmediziner machen Druck, es ist ein einträgliches Geschäft mit dem verzweifelten Kinderwunsch. Oder auch dem Kinderwunsch, den man zu spät realisiert.

Es gibt kein Recht auf ein Kind. Es ist kein Aston Martin, den ich mir in Übersee bestelle und weiterverkaufe, wenn ich ein neues Modell haben will. Es ist kein Auto, an dem ich Produktionsmängel geltend machen kann. Es ist ein Mensch. Ein Kind zu bestellen, zu bezahlen und abzuholen, ist deswegen nur eines: moderner Menschenhandel.

Erschien zuerst auf TheEuropean.de

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Wie wäre es denn, wenn Sie sich für die hungernden Kinder in katholischen Ländern einsetzen würden? Für Überleben der Kinder, denn diese sind nach Ihrer Auffassung doch "Geschenke Gottes". Wo bleiben Sie und Ihr Gott bezüglich deren Ernährung und Gesundheit?

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