Mit dem Kopf durch die Wand

Vorreiter soll Europa in Sachen erneuerbare Energien sein, obwohl einiges für gesunde Zurückhaltung spricht.

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Seit mehr als einem Jahrzehnt wird von Europa die Rolle des Vorreiters in allen möglichen Belangen gefordert, besonders aggressiv jedoch im Klimaschutz und beim Ausbau der Nutzung erneuerbaren Energieträger. Dazu ist den Protagonisten des europäischen Vorpreschens in Sachen Energiezukunft kein Weg zu teuer und leider auch kein Argument zu billig. So fordert beispielsweise Matthias Ruchser vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik  (IE) in der aktuellen Kolumne „Der EU-Energiegipfel: Europa muss Vorreiter einer nachhaltigen globalen Energiepolitik sein – wer sonst?“ ein standhaftes Beharren Europas auf einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien, um in Sachen Klimaschutz und Erneuerbare Energien glaubwürdig zu bleiben und seiner Vorbildfunktion gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern für den Umbau hin zu einer Low-Carbon-Society gerecht zu werden.

Vorreiter sein ist kein Selbstzweck, denn es geht in der Energie- und Klimapolitik nicht um einen symbolischen Opferakt, für den der Erste zweifellos den meisten Beifall erntet, sondern um eine möglichst kostengünstige Lösung der zukünftigen Energieversorgung und einer Vermeidung bzw. Minderung der drohenden Folgen eines sich wandelnden Klimas. Vorreiter zu sein macht hier nur Sinn, wenn sich aus dieser Rolle echte Vorteile ableiten lassen, für einen selbst und am besten auch für alle anderen. Doch trotz vollmundiger Bekenntnisse zu Innovationen, Arbeitsplätzen und Klimaschutz hat das Vorpreschen der Europäer bei der Förderung des Ausbaus der erneuerbaren Energieträger keines dieser Ziele wirklich in greifbare Nähe gerückt.

Innovationen mag es im Bereich der Nutzung der erneuerbaren Energieträger gegeben haben, doch die haben auch nach zwanzig Jahren der massiven Markteinführungsförderung nicht dazu geführt, auch nur eine der geförderten Technologien in die Nähe der Wettbewerbsfähigkeit zu bringen. Vielmehr hat sich eine Innovationskultur entwickelt, die weniger auf die Signale des Marktes reagiert, als sich vielmehr dort konzentriert, wo sich die meisten Fördermittel abgreifen lassen. Statt inkrementellen Fortschritt in allen Bereichen der Energieumwandlung der Wirtschaft zu beflügeln, um damit erhebliche Kosten zu sparen, hat die Förderung sich auf eine handvoll der teuersten Optionen der Energiebereitstellung konzentriert. Und wie man sieht, hat diese Vorreiterrolle auch wenig Wettbewerbsvorteile gebracht, muss doch der Autor selbst konstatieren, dass „Länder wie China und Indien, aber auch die USA, schnell aufholen“. Was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn weder handelt es sich bei den geförderten Technologien um besonders revolutionäre Dinge, noch haben europäische Unternehmen hier irgendeinen komparativen Kostenvorteil. Es war nur eine Frage der Zeit, dass internationale Produzenten sich das Know How aneignen und dies kombiniert mit geringeren Löhnen und anderen Standortvorteilen in die Waagschale der Konkurrenz werfen. Die massive Förderung hat in Europa dabei bestenfalls dazu geführt europäische Unternehmen davon abzulenken ihre Forschungsmittel in solche Bereiche zu stecken, wo wirklich langfristige Standortvorteile für Europa zu erwarten wären. So sind auch keine dauerhaften Jobs entstanden, die geeignet wären, das zu kompensieren, was die Finanzierung der teuren Förderpolitik an anderer Stelle an Arbeitsplätzen gekostet hat. In dieser Situation auf dem selben Pfad weiter reiten, obgleich er sich schon als Irrweg erwiesen hat, erscheint dem kritischen Beobachter weniger schlau.

Dabei ist es auch kein Wunder, dass mit dem EEG, das Einspeisevorrang und eine fürstliche Vergütung miteinander kombiniert, die wirksamsten Anreize gesetzt werden in die geförderten technologischen Sackgassen zu investieren. Kaum ein Förderinstrument ist besser geeignet die Effizienz des Marktmechanismus wirksamer auszuschalten als das EEG, bei dem es lediglich ein paar Lobbyisten bedarf ihre Gewinnforderungen in „degressive“ Vergütungssätze zu gießen und ein paar Politiker dieses Ansinnen dann abzunicken. Echter Erfolg wird aber spätestens seit dem Untergang des real existierenden Sozialismus nicht mehr in Kilowatt Anlagenkapazität oder schierer eingespeister Strommenge gemessen, sondern bemisst sich am Wert des Erreichten für die Bürger Europas. Die jedoch zahlen die Rechnung für das Überangebot fluktuierenden Grünstroms seit Jahren in Form immer weiter steigender Strompreise.

Beklagt wird in diesem Zusammenhang auch, dass es ja die Netzbetreiber seien, die den Ausbau der erneuerbaren Energienutzung blockieren, weil diese den kühnen Ausbauzielen der Naturstromlobby in Sachen Netzinfrastruktur nicht nachkommen. Zwar gilt es auf allen anderen Märkten als ausgemacht, dass es Sache des Anbieters ist seine Produkte an den gewünschten Nachfrager zu bringen, doch in der Energiepolitik da wird offenbar das Pferd von hinten aufgezäumt. Die halbe Welt wird in Regress genommen, damit dem Abgreifen  der Subventionen für Wind- und Sonnenstrom bloß nichts im Wege steht. Da wird nicht nur Strom produziert den niemand freiwillig kaufen würde, nein, die Bürger sollen auch noch dafür bezahlen, das sich dieser schön gleichmäßig auf die Stromkunden verteilen lässt.

Aber nein, Subventionen wären das ja nicht, denn, so der Autor der Kolumne, „die Umlage tragen die Stromkunden“. Man solle das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2001 konsultieren, der mangels direkter oder indirekter Zahlungen des Staates keinen Subventionstatbestand sieht. Traurig genug, dass der EuGH sich diesen semantischen Taschenspielertrick zu eigen macht, aber hier geht es um die Wirkungslogik einer Politik. Und die ist besonders perfide, denn Stromkunden sind wir Steuerzahler alle, so dass nahezu egal ist, ob die Subventionen aus dem vom Steuerzahler finanzierten Staatssäckel gezahlt werden oder der Verbraucher über die Stromrechnung geschröpft wird. Viel schlimmer noch, denn während aus Steuern finanzierte Subventionen dazu tendieren vor allem von zahlungskräftigeren Einkommensbeziehern bezahlt zu werden, zeigt die Strompreisumlage sehr stark regressive Züge. Schließlich liegt der Anteil der Stromrechnung am Haushaltsbudget von Beziehern niedriger Einkommen in aller Regel deutlich über dem wohlhabenderer Haushalte. So wird das Geld besonders wirksam und dabei trotzdem unbemerkt aus den Taschen von Otto Normalverbraucher, der sich abmüht neben den Ausgaben des täglichen Bedarfs auch noch etwas für spätere Zeiten zurück zu legen, in die Börsen von Landbesitzern, Häuslebauern mit Solarambitionen sowie Anlagenherstellern mit gut gefüllten Bankkonten um verteilt.

Ohne Zweifel muss man jedem Vorreiter stets einen gewissen Mut zugestehen, doch was nutzt dieser, wenn er wie Europas Rolle in der Energieförderung mit Leichtsinn und Ignoranz gepaart ist. Dabei hat es in der Vergangenheit nicht an Warnungen gefehlt, den Mund nicht allzu voll zu nehmen und zunächst nüchtern über Vor- und Nachteile der europäischen Vorbildrolle nachzudenken. Erst kürzlich hat der Wissenschaftliche Beirat beim Finanzministerium die Bundesregierung noch einmal daran erinnert, dass ein europäischer Alleingang in Sachen Klimaschutz (und damit auch im Bereich der erneuerbaren Energieträger) ein wirkungsloser und teurer Fehler ist. Doch die Freunde symbolischer Energie- und Umweltpolitik wissen es besser.  Statt den Hindernissen des Marktes in Form steigender Kosten für fossile Brennstoffe geschickt auszuweichen muss der Vorreiter unbedingt mit dem Kopf durch die Wand. Wenn er sich dabei ordentliche Beulen einfängt, dann hofft man es trifft nicht den eigenen Schädel oder es gibt zumindest jemand, der auch für die Kosten der Kühlung aufkommt. Was das betrifft, hat sich der Begriff des Vorreiters zu recht den Titel „Unwort des Jahrzehnts“ verdient.

Dieser Artikel ist auch bei "Denken für die Freiheit", dem Weblog der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erschienen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Udo Stemmer

Hallo Freigeist,

ich habe seit 1995 eine PV am laufen und noch kein einziges mal die Module gereinigt und es kommen immer noch über 1000 kWh/kWp im Jahr.

Nach ca. 15 Jahren hab ich einen neuen Wechselrichter gebraucht, ist aber ziemlich kostenneutral da der neue Wechselrichter einen höheren Wirkungsgrad hat als der alte.

Der kWh Preis liegt aktuell bei ca. 1 bis 2 Cent/kWh.

MfG

Gravatar: Freigeist

Von Solarfarmern wird mir berichtet, dass nicht kalkulierte Kosten entstehen. Jährliche Reinigung der Anlagen - Hotspots durch Vogelkot - Wechselrichterausfälle - Kabelprobleme etc.. Die Kosen des Betriebes steigen und somit fallen die Gewinne. Bei manchem Solarfarmer wird es ein Spiel ohne Profit werden - im Rahmen von 20 Jahren.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Diese ganze Energiepolitik ist begründet in dem Wahn, das Klima schützen zu müssen durch Reduzierung des anthropogenen CO2-Ausstoßes, und der Furcht, die fossilen Brennstoffe würden in naher Zukunft erschöpft sein.
Dazu einige Tatsachen:
1) Die befürchtete Erwärmung des globalen Klimas findet nicht statt, eher ist in den nächsten Jahrzehnten eine Abkühlung zu befürchten.
2) Das CO2 ist zwar ein Treibhausgas und trägt neben dem wichtigsten Treibhausgas, dem Wasserdampf, mit dazu bei, daß die Erde nicht völlig vereist ist. Seine Wirkung ist aber nahezu vollkommen gesättigt. Eine Änderung, vor allem eine Zunahme seiner Konzentration in der Atmosphäre, hätte keine meß- und fühlbare Auswirkung auf seinen Treibhauseffekt, könnte also das Klima nicht weiter aufheizen.
3) Der angestrebte Übergang auf die "erneuerbaren Energien" bewirkt keine wirksame Reduzierung des anthropogenen CO2-Ausstoßes. Man muß in der CO2-Bilanz nämlich auch den bei der Herstellung und Einrichtung der Öko-Kraftanlagen und dem erforderlichen Netzausbau anfallenden CO2-Ausstoß berücksichtigen, sowie die Tatsache, daß die wegen der bevorrechtigten Einspeisung des Öko-Stroms gedrosselten, aber wegen der Versorgungssicherheit nicht abschaltbaren Kohlekraftwerke mit erheblich verringertem Wirkungsgrad betrieben werden, pro kWh also mehr CO2 ausstoßen als sie ungedrosselt tun würden.
4)Würde man das für die erneuerbaren Energien vergeudete Geld in die Modernisierung und den Neubau modernster Kohlekraftwerke investieren, so könnte man den CO2-Ausstoß tatsächlich reduzieren, wenn dies auch keinen anderen Nutzeffekt hätte, als daß die Ausgaben für die Kohle geringer würden.
4) Würde das für die Öko-Energien vergeudete Geld für Freibier ausgegeben, so hätte das Volk wenigstens etwas davon und unsere Heimat würde nicht durch Windparks, Solardächer und zusätzliche Freileitungen zerstört.
5) Unsere Politiker sind offenbar wahnsinnig und gehören in die Klapsmühle!

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