Am gestrigen Montag gab es einen seltsamen Radio-Bericht beim Sender Berliner Rundfunk 91.4.
Worum geht es? In Ägypten soll es wieder eine Petition geben, in welcher die Rückgabe der Büste der Nofretete nach Ägypten gefordert wird. Mal wieder.
Dann fragt der Berliner Reporter eine Berlinerin, die zufällig an der Museumsinsel vorbeigeht, nach ihrer Meinung. Die junge Dame antwortet sinngemäß und politisch korrekt, dass die Europäer früher viel geklaut hätten und es besser wäre, die Nofretete wieder zurückzugeben. Weitere Bürger werden nicht gefragt. Es war also eine Ein-Personen-Umfrage. Sehr repräsentativ!
Der Radio-Reporter kommentiert schließlich, dass das Neue Museum auf der Museumsinsel dann kaum besucht würde, denn warum sonst solle man das Museum besuchen, wenn nicht wegen der Büste der Nofretete? (Offenbar war der Reporter noch nie im Neuen Museum, sonst wüsste er, was für fantastische Objekte aus dem Alten Ägypten dort aufbewahrt werden, von den Papyri aus Elephantine über Särge, Reliefs und unzähligen Statuen aus allen Epochen der Pharaonenzeit.)
Am Ende des Radio-Beitrags hatte ich fast Schaum vor dem Mund. So viel Ignoranz ist kaum erträglich.
Was regt mich so auf?
Zum einen ist es diese Ignoranz gegenüber den historischen Fakten.
Bevor die Europäer kamen, hat sich in Ägypten niemand für die Hinterlassenschaften der Pharaonenzeit interessiert. Mumien wurden zu Zehntausenden als Brennmaterial in Öfen verheizt. Andere wurden pulverisiert und als Arzneimittel verkauft. Lehmziegel alter historischer Gebäude wurden zu Düngemittel zerstampft. Steine der Tempel und Pyramiden wurden abgetragen, um andere Bauwerke damit zu errichten. Wertvolle Kunstobjekte aus Gold wurden aus Gräbern gewühlt und eingeschmolzen. Muhammed Ali, in der Mitte des 19. Jahrhunderts Vizekönig von Ägypten, wollte die Pyramiden sogar abtragen lassen.
Zusammengefasst: Bevor die Europäer kamen, hatten die Ägypter den Wert ihrer eigenen althistorischen Vergangenheit nicht erkannt.
Die europäischen Expeditionen und Ausgrabungen im 19. und 20. Jahrhundert waren teuer und aufwendig. Es war Europa, in dem sich die Ägyptologie und Archäologie Ägyptens zur Wissenschaft entwickelten. Es war ein Franzose, Jean-François Champollion, der die Hieroglyphenschrift entzifferte. Es waren Deutsche, Adolf Erman und Hermann Grapow, die das erste umfassende Wörterbuch zur Sprache des Alten Ägypten edierten. Es waren Engländer, Franzosen, Deutsche, Italiener und Amerikaner, die mit aufwendigen Grabungen die Tempel teuer rekonstruierten. Auch beim Bau des Assuan-Staudammes waren es ausländische Geldgeber und Firmen, die die Tempel Nubiens wie Abu Simbel vor den Fluten retteten. Und es waren die Europäer und Amerikaner, die durch die Erforschung des Alten Ägypten den Tourismus nach Ägypten brachten, der nun eine der wichtigsten Einnahmequellen des ganzen Landes ist.
Schon früh blieb ein Großteil der Kunstschätze in Ägypten zurück. Es gab Fundteilungen. Die meisten und besten Objekte blieben im Lande. Das Ägyptische Nationalmuseum am Midan Tahrir in Kairo quillt über von Objekten, so dass man bei den Pyramiden ein weiteres Riesenmuseum für über eine Milliarde Dollar gebaut hat. Dennoch können viele Objekte, die noch in den Magazinen gelagert werden, nicht ausgestellt werden, weil der Platz nicht reicht.
Der deutsche Archäologe und Bauforscher Ludwig Borchardt hatte die Nofretete-Büste 1912 bei seiner Grabung in Tell el-Amarna gefunden, der Sonnenstadt des Pharao Echnaton. Es gab diesbezüglich klare Fundteilungen.
Die Nofretete ist also seit gut einem Jahrhundert ein Bestandteil der Berliner Geschichte. In Ägypten würde sie nicht auffallen. Im Ägyptischen Museum in Kairo würden sie neben den Funden aus dem Grab des Tutanchamun verblassen.
Was mich aber am meisten ärgert, ist diese Idee der links-grünen politisch-korrekten Gutmenschen, generell Kunst aus den Museen wieder in alle Welt zurückzugeben. Damit wird die Arbeit von tausenden Wissenschaftlern, Kunsthistorikern, Konservatoren und sonstigen Experten, die sich über Generationen um die beste Aufbewahrung und Erforschung der Objekte mit hohen finanziellem Aufwand gekümmert haben, der Missachtung preisgegeben.
Wir erinnern uns an die Benin-Bronzen, die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Entwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD) nach Nigeria zurückbrachten und die sich nun im Privatbesitz eines Prinzen befinden – der Öffentlichkeit entzogen.
Warum muss alles, was frühere Generation aufgebaut haben, einfach so weggegeben werden? Warum muss alles dekonstruiert, zerstört, rückgängig gemacht werden?
Und warum so einseitig? Fordern die Niederlande etwa all die Zehntausenden von niederländischen Gemälde zurück, die in den Museen der Welt hängen?
Es ist diese unreflektierte Art, unsere eigene Geschichte zu demontieren, die mich emotional auf die Palme bringt. Die Arbeit älterer Generationen wird einfach so niedergerissen. Ich bleibe ein entschiedener Gegner dieses Dekonstruktivismus.
Und ich bin der Meinung, dass die Nofretete in Berlin bleiben soll. Für immer.
Kommentare zum Artikel
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Ich erinnere, wie im "arabischen Frühling" im Oktober 2012 das Museum in Kairo geplündert und viele Objekte zerstört wurden. Es war ein Bild des Jammers. Da sind die Artefakte bei uns - zumindest bis jetzt - besser aufgehoben.
Sorry, aber warum sollen wir den ägyptischen Müll bei uns in einem Museum entsorgen? Jenseits dessen, dass dieser einäugige Kopf gruselig aussieht und es sogar Zweifel an dessen Echtheit gibt, würde ich die Ägypter auffordern ihren Kram schnellstens abzuholen.
Nofretete, gefunden von einem deutschen Archäologen. Ausgestellt in einem deutschen Museum. Das geht gar nicht. Archäologen aus anderen Nationen waren Grabräuber, siehe Mariette, Belzoni etc. Ägypten schreit nicht in London, in Paris, oder in Amerika. Nefertiti bleibt in Berlin, dort gehört sie hin. Und die Namen deutscher Wissenschaftler, egal, wo sie wirkten, werden nicht runtergemacht, denn genau darum geht es. Auch der immer wieder herabgewürdigte Schliemann hat Respekt verdient.
Es geht nicht um Gutmenschentum,
es ist der Wahn der 'Kulturrevolution'. Wer selbst keine inneren Werte kenn will auch bei Anderen keine haben.
Früher hätte man 'solchen Leuten' eine Therapie empfohlen. Heute ist der mit der krudesten Idee der König.
Spätdeutsche (-römische) Dekatenz,
Wie so was ausgeht kann man am weströmischem Reich studieren. '..nach zwei Generationen war niemand mehr in der Lage eine Fussbodenheizung zu bauen..;Wirtschaft gab es nicht mehr..;..Überleben war nur im Staatsdienst möglich..;.. alle Anderen mußten sich auf Raub und Kriminalität verlegen...*
Soweit nachvollziehbar, was Sie schreiben.
Einserseits.
Die Nofretete hat andererseits aber eine einmalig hohe Symbolwirkung , mehr wie jedes andere altägyptische Original, auf die heutigen Ägypter auf ihrer Suche nach der eigenen ägyptischen Identität.
Man könnte z.B. über eine Dauer-Leihgabe an Ägypten nachdenken und die Reaktion darauf abwarten.
Auch diese Reaktion hätte wiederum eine hohe Symbolwirkung, egal wie diese auch ausfiele.
MfG, HPK
Meinereiner würde die Nofretete behalten und dafür Claudia Roth hingeben.
Make a great DEAL.
Nofretete ist zu recht in Berlin! Vertragliche Abmachungen gelten ganz einfach und können später nicht einfach willkürlich geändert werden
Rückgabe ? LOL.
Der während der "Befreiung" von einem USA-Oberleutnant geraubte Kirchenschatz von St. Servatius in Quedlinburg musste von der BRD gegen eine Zahlung von über drei Millionen $ von den "Erben" des USA-Kriegsverbrechers zurückgekauft werden.
Wieviel deutsche Museen wurden von den Sowjets beraubt ?
Ganz ehrlich, in der heutigen Zeit der formenden plastischen Nachahmungen oder der maschinell gesteuerten Duplizierung könnte man doch auf das Original verzichten und es der einstigen Heimat zuführen, was im Prinzip schon damals gestohlen wurde und der Besitzer ein Anrecht darauf hätte es wieder zurück zu erhalten.
Das würde dann für alle Kunstwerke, die eine Mobilität vorweisen können gelten und das Thema wäre vom Tisch, denn wo sind sie denn ausgestellt , meist in Museen und da reicht der Blick auf das Objekt und die Besitzansprüche sind für den Betrachter zweitrangig, wenn er sich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen kann. sofern das Hirn vorhanden ist und auch die Hintergrundinformation nicht ganz fehlt um es überhaupt richtig einordnen zu können.
In Zeiten wo Kunstwerke reine Unikate waren, war es verständlich, wenn man sich im Besitz davon befand, weil es eine Einmaligkeit und seltenen Wert darstellte, aber das könnte man heute lockerer sehen und müßte nicht so verbissen handeln, wenn die andere Seite bereit wäre das Duplikat zu tolerieren, was ja werbewirksam sein könnte, wenn man das Original besitzt. und weltweitl darauf hinweisen könnte.