Mehr Klartext von Verbandspräsidenten

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Letzten Samstag berichtete die Frankfurter Allgemeiner Zeitung über die Auftritte von Kanzerlin Merkel bei verschiedenen Wirtschaftsverbänden. Der Tenor: Bei aller vorsichtig geäußerten Kritik liegen die Verbandsvertreter der Kanzlerin zu ihren Füßen. Insbesondere wird ihre „besonnene und verantwortungsvolle Europapolitik“ immer wieder hervorgehoben. Steckt dahinter vielleicht das „Danke schön!“ für die vom Steuerzahler finanzierte Subvention deutscher Exporte? Um nichts anderes als um eine moralisch zweifelhafte Subvention handelt es sich, wenn ein aus südlicher Sicht überbewerteter Euro die Exporte des Südens belastet, ein aus deutscher Sicht unterbewerteter Euro unsere Exporte ankurbelt, die finanziellen Folgen dieser Politik im Süden durch deutsche Steuerzahler zu tragen sind.

Ich weiß nicht, was mir hier mehr auf die Nerven geht: Die Selbstbeweihräucherung der Regierung oder die kritiklose Begleitung der Europolitik durch viele Verbandspräsidenten. Diese hätten nur ein paar Fragen zu stellen brauchen, zum Beispiel:

Warum schrumpft die Wirtschaft in der Eurozone, wächst die der deutschen um magere 0,3 Prozent, während die Weltwirtschaft um zwei bis drei Prozent ansteigt? Warum verzeichnet die Eurozone in diesem Jahr einen neuen Arbeitslosenrekord und steuert für das nächste Jahr mit über 20 Millionen einen weiteren Rekord an? Warum führen wir den Mindestlohn in Deutschland ein, wenn die Jugendarbeitslosigkeit in den Euroländern mit Mindestlohn katastrophale Höhen erreicht hat? Warum legt die sonst so euromantische Bundesregierung eine Energiewende hin, ohne diese mit auch nur einem der neun europäischen Nachbarn vorher abzustimmen?

Was bedeutet es für die Zukunft des Einheitseuros, wenn die französische Regierung erklärt, die EZB-Zinssätze seien zu hoch, während die Bundeskanzlerin in der gleichen Woche vor den Sparkassenvertretern sagt, sie seien zu niedrig? Wie will die Bundesregierung die schleichende Enteignung verhindern, der sich Rentner und Sparer durch eine Inflation ausgesetzt sehen, diese nicht nur deren Zinseinkommen sondern auch deren Kapital auffrisst? Was ist mit dem Euro als Friedensprojekt, wenn er für immer mehr Zwist innerhalb der Eurozone, insbesondere zwischen Frankreich und Deutschland, und einen immer breiteren Graben zwischen den Euroländern und den Nichteuroländern führt?

Opportune Verbandsführer haben sich zurückgehalten

 

Einige Verbandsfürsten meinen, dass man mit solchen der Regierung unangenehmen Fragen nur die Chancen einer rot-grünen Machtübernahme erhöhe und sich damit kontraproduktiv verhalte. Dem Argument ließe sich vielleicht folgen, wenn sich die Verbandsvertreter schon früher durch solche Fragen hervorgetan hätten. Die Präsidenten der Sparkassen und der Volks- und Raiffeisenbanken Georg Fahrenschon bzw. Uwe Fröhlich haben gezeigt, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird: Mit ihrem in Großanzeigen veröffentlichten Brandbrief warnten sie die Kanzlerin vor dem Zugriff der Euroretter auf deutsche Sparguthaben zur Absicherung europäischer Banken. Dass sich dieser Versuch nicht nur auf die Deutschen als Sparer, sondern auch als Wähler ausgewirkt hätte, haben die Verbandspräsidenten klug kalkuliert. Und sie hatten damit Erfolg, das Projekt ist erst einmal vom Tisch, wenn vielleicht auch nur bis nach den Wahlen.

Gerade vor Wahlen wäre es die Aufgabe von Verbandspräsidenten gewesen, die Bundeskanzlerin daran zu hindern, das Land in einen Tiefschlaf zu versetzen. Von einzelnen Unternehmern kann man das nicht erwarten. Um so härter werden diese dann nach der Bundestagswahl von neuen Eurorettungspaketen, den Folgen der Energiewende und neuen Wohltaten aus ihren Träumen gerissen.

Beitrag erschien zuerst auf: handelsblatt.com 

 

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