Margot Käßmanns Rücktritt: eine Frage des Geschlechts?

Der Rücktritt von Margot Käßmann wird von einigen Mainstream-Medien als ein Geschlechter-Problem betrachtet.

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Der Rücktritt von Margot Käßmann wird in einigen Mainstream-Medien mit der Geschlechter-Problematik in Verbindung gebracht. Der SPIEGEL führt ein Interview mit der Ex-Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter unter dem Titel „Der Sexismus hat ein Neidgesicht“. Das Motto des Interviews lautet: „Neue Käßmanns braucht die Kirche“, also neue Frauen in kirchlichen Führungspositionen. Und wiedermal ist das Geschlecht entscheidend, nicht die Eignung beziehungsweise die Qualifikation.

 

Auf die Frage „Haben Frauen es in der Kirche immer noch schwerer als Männer?“ antwortet die Ex-Bischöfin: „Frauen sind noch immer in einer Pionierrolle. Der Sexismus hat auch ein Neidgesicht. Wir haben noch nicht das Recht, genauso viele Fehler zu machen wie die männlichen Kollegen. Was bei einem Mann als Kavaliersdelikt gewertet worden wäre, wurde zum öffentlichen Tribunal.“ Von einem „öffentlichen Tribunal“ kann wohl kaum die Rede sein, denn der EKD-Rat hat Frau Käßmann einstimmig das Vertrauen geschenkt. Sie wurde von niemandem zum Rücktritt aufgefordert oder gezwungen.

 

Und weiter heißt es: „Frauen haben noch wenig Erfahrung mit Erfolg und Scheitern. Sie dürfen keine Fehler machen. Es gibt noch immer Gruppen in der Kirche, die Frauen in Führungspositionen nicht anerkennen.“ Um welche Gruppen oder Kollegen es sich handelt, sagt uns Frau Wartenberg-Potter nicht. Ihre Äußerungen sind voll von Klischees und unfairen Unterstellungen. Es sind eigentlich Beleidigungen der in der Evangelischen Kirche organisierten Männer. Interessanterweise wehren sich diese Männer nicht gegen solche Beleidigungen. Die Interviewerin stellt die Frage, ob nun an die Spitze der Evangelischen Kirche ein Mann gewählt wird. Sie stellt nicht die Frage, welche Person unabhängig vom Geschlecht für diese Position am besten qualifiziert ist.

 

Der FOKUS bläst in dieselbe Trompete. Er führt ein Interview mit Günther Beckstein (CSU) unter dem Titel „Einem Mann hätte man eher verziehen“. Günther Beckstein: „Wenn eine geschiedene Frau in Spitzenposition alkoholisiert am Steuer erwischt wird, fallen die Reaktionen in der Regel schärfer aus. Bei einem Mann hätte man vielleicht eher darüber hinwegsehen wollen.“ Ich denke, dass die meisten Menschen Frau Käßmann verziehen haben. Sie hat sich selbst nicht verziehen.

 

Und schließlich die WELT. In dem Leitartikel von Andrea Seibel „Warum ist Margot Käßmann gescheitert? Die Spur der Frauen“ lesen wir zunächst Sätze, die wir alle auswendig kennen, weil sie seit Jahrzehnten fast täglich in den Medien wiederholt werden: „In einer Welt, deren Führungspositionen weiterhin männliche sind ...“, „Eine Frau in einer Führungsposition wird gewiss kritischer beäugt als ein Mann, sie muss sich mehr als dieser beweisen“ usw. Doch dann gibt die Autorin wenigstens zu: „Die Kritik (an Käßmanns Vergehen) hielt sich merklich in Grenzen. Auch deswegen, weil niemand am Absturz einer der wenigen Frauen in einem exponierten Amt beteiligt sein wollte.“ Sie steigt dann zu der richtigen Erkenntnis empor, dass „jeder intelligente Mensch eine innere Abneigung verspürt, von ´den Männern` und ´den Frauen` zu sprechen.“ Doch fällt sie immer wieder in den Genderismus zurück: „Die Frauenfrage schwingt schwer mit“. Zu stark ist diese Ideologie, zu schwer sich ihr zu entziehen. Wie verhext lässt sie sich zu absurden Äußerungen verleiten: „Kaum sind die Frauen an der Macht, verlieren sie diese schon wieder.“

 

Wie war das denn z.B. mit Kleopatra, Zarin Katharina II, Königin Victoria, Königin Elisabeth II oder Margaret Thatcher? Wie ist es mit Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Erika Steinbach oder Charlotte Knobloch? Und weiter heißt es: „Aber solange einzelne Frauen noch keinen authentischen und natürlichen Führungsstil entwickelt haben, der sich tradieren ließe, ist der Grat, der Erfolg von Scheitern trennt, sehr schmal.“ Haben denn die oben genannten Herrscherinnen, allen voran Margaret Thatcher, keinen eigenen Führungsstil entwickelt, der sich tradieren ließe?

 

Margot Käßmann hat einen Fehler gemacht. Sie hat als Konsequenz daraus als Individuum auf ihr Gewissen gehört und ist zurückgetreten. Sie hat ihre Entscheidung als autonomer Mensch und nicht als Repräsentant eines Geschlechts getroffen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Birgit Kelle

Wenn jemand sich selbst als moralische Instanz in allen Lebensfragen positioniert, dann muss er/sie sich auch daran messen lassen. Ganz egal ob Herr oder Frau Käßmann.
Aber es verwundert schon fast nicht mehr, dass mal wieder die Gender-Feminismus-Keule ausgepackt wird.

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