Man redet nicht … in jedes hingehaltene Mikrophon

Veröffentlicht:
von

Aus der Reihe “Occupy the Pope”

Wo beginnt Scalfari und wo endet Franziskus. Auf diese Frage konzentriert sich die Diskussion um das Interview von Papst Franziskus, das im Grunde nur ein aus dem Kopf wiedergegebenes Gespräch der beiden war.

Es sei autorisiert worden, so hört man. Nun, wenn dem so ist, dann stellt sich die Frage, wer das gemacht hat und warum da nicht ordentlich drüber geschaut wurde. Was macht eigentlich der Chef der Sala Stampa? Oder hat er das gar nicht zu sehen bekommen? Es gibt eine Menge Fragen rund um den Text, der inzwischen an einigen Stellen eine gewisse Austastlücke der Wahrheit aufweist. Wenn sich selbst ein Kardinal aus USA einmischt, Fakten klarstellt, Legendenbildung entgegenwirkt und selber hart am Rande der Verletzung des Konklavegeheimnisses entlang schrammt, sollte in Rom mal einige Alarmglocken angehen.

Die Anzahl der päpstlichen Äußerungen nimmt deutlich inflationäre Züge an. Das betrifft nicht einmal die täglichen Predigten, die auf kath.net als Franziskusperlen rangieren. Vielmehr betrifft es die nebenbei geführten Gespräche oder getätigten Äußerungen, die nur allzu gerne von allen möglichen und unmöglichen Seiten aufgegriffen werden.

Der Papst ist nun eimal sehr kommunikativ und er stellt in seinen Worten die Pastoral deutlich in den Mittelpunkt seines Wirkens. Sein “Gehen an die Ränder” existiert eben auch darin, keine Scheu vor Atheisten zu haben und mit ihnen zu reden.

Dabei wirkt allerdings die schon fast erschreckende Selbstverständlichkeit, mit der er für sich (und andere?) die Lehre der Kirche als gegeben annimmt befremdend. Es läßt die Frage zu, ob ihm bewußt ist, wie der Zustand des Glaubens in Westeuropa ist. Manchmal denke ich er blendet das vielleicht aus und er hat wahrscheinlich sogar einen Grund dafür. Doch gerade das, nämlich diese Selbstverständlichkeit wird ja zum einen in dem Medien als ein Anfang vom Ende der Lehre (zumindest einiger Teile davon) mißverstanden. Der Gläubige gerät unter Rechtfertigungsdruck, wenn er sich anders äußert. Witzigerweise finden sich die Mainstreammedien hier traulich vereint mit Vaticanisti, Bloggern und sonstigen Vertretern aus dem eher konservativen Lager. Dort wird zuweilen so getan, als stelle der Papst tatsächlich Kernsätze des Glaubens und der Sitten zur Disposition. Was definitiv nicht der Fall ist.

Weder die einen noch die anderen werden dem Hl. Vater damit wirklich gerecht. Wenn Kritik zu üben ist, dann muß sie sich an der mangelnden Professionalität der öffentlichen Kommunikation aufhängen. In dem Bereich sehe ich durchaus den Bedarf einer Verbesserung. Was jeder Politiker lernen sollte, gilt auch für den Papst: Man redet nicht in jedes hingehaltene Mikrophon. Ein weiteres, was zumindest bedenkenswert ist, wer ständig von sich reden macht, verliert die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer für das, was er inhaltlich wirklich zu sagen hat. Nicht umsonst waren Päpste bei der Gewährung von Interviews in der Vergangenheit sehr zurückhaltend. Das muß nicht so sein, doch vernünftig gegengelesen und autorisiert sollten Papstinterviews schon sein.

Ruft mich, wenn es wieder offiziell und lehramtlich wird, ließ sich Alipius vernehmen. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen, denn die Gefahr des Aufmerksamkeitsverlustes ist schon sehr akut, auch wenn derzeit noch jedes päpstliche Wort begierig aufgesogen wird. Man kommt nicht umhin festzustellen, daß der Glaube an die Infallibilität bei deutschen Journalisten deutlich zugenommen hat. Nur – dem Herrn sei es gedankt – ist der Papst in Interviews und sonstigen leichteren Kommunikationsformen eben nicht unfehlbar.

Dazu braucht es schon etwas mehr.

Es steht zu befürchten, daß ich noch so manchen Blogartikel aus der Reihe “Occupy the Pope” schreiben kann. So habe ich jetzt mal eine Kategorie daraus gemacht. Vor einer Papalatrie zu warnen ist wohl derzeit ebenso notwendig wie vor einen Papaphobie. Mal wieder auf den Teppich zu kommen, wäre das Gebot der Stunde.

Beitrag erschien zuerst auf: blog.peter-winnemoeller.de 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Thomas Rießler

Noch ein paar solche Interviews und der Titel papa haereticus ist diesem Papst sicher. Die Aussagen des Papstes hören sich phasenweise nach „christlicher“ Freimaurerei an (göttlicher Funke im Menschen etc.). Ein offizielles Dementi aus dem Vatikan gibt es meines Wissens dazu nicht, daher sehen die in diesem Blog getätigten Dementierungs- und Relativierungsversuche in meinen Augen wie Realitätsverweigerung aus. Die Behauptung, dass in der römisch-katholischen Kirche lehrmäßig alles im Wesentlichen unverändert geblieben sei, ist für mich spätestens seit dem Interview von Erzbischof Zollitsch zu Ostern 2009 (in dem er bekannte, nicht an das Sühneopfer Christi zu glauben) ein Märchen.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang