Maak mij niet dood, Dokter

Drohen uns beim Thema Sterbehilfe holländische Verhältnisse?

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Die Freiheit der Menschen wird immer geringer. Ausgerechnet beim Sterben – so will man uns einreden – eröffnen sich neue Spielräume. Euphemistisch spricht man vom „Freitod“, der eine Handlung letzter persönlicher Freiheit zu sein scheint, die dem Menschen nicht genommen werden dürfe. Sterbehilfe und Tötung auf Verlangen erfreuen sich eines immer größeren Zuspruchs. Dem Christen ist der Selbstmord verboten. Doch wer fühlt sich heute noch an dieses Gebot gebunden?

Viele unserer Zeitgenossen werden Schwierigkeiten mit dem haben, was der katholische Schriftsteller Reinhold Schneider im Jahr 1947 über den Selbstmord schrieb. Er bezeichnete den „Freitod“ schlicht als „Mord“, denn im Tode „ist das Bestimmtsein, das der Freiheit widerspricht“. „Lassen wir uns nicht täuschen mit den Worten unseres Bezirks über einen Bezirk, von dem wir nichts in Erfahrung bringen! Der Entschluss zum Tod ist der Entschluss zu einer ehernen Wirklichkeit. Und ob wir nun glauben oder nicht, das Eine müssen wir uns doch sagen: Wir haben kein Recht, das Andere, zu dem wir uns entschließen, ‚Schlaf’ zu nennen. Schlafen: das heißt wieder erwachen. Wir schlafen nur auf fester Erde, auf gesichertem Grund. Hier aber heben wir den Grund auf – von nun an wird alles ungewiss, ist Unerhörtes, Unausdenkbares möglich“, so Schneider.

Andreas Krause Landt hat diesen Text Schneiders in seinem Plädoyer gegen die Mitwirkung am Suizid abgedruckt. Denn das Problem der Sterbehilfe stellt sich in neuer Schärfe. Wir leben heute nach der Devise „Sei gesund und fit – oder stirb wenigstens rasch“. Die Menschen werden immer älter, die Kinder bleiben aus, die Kosten für Pflege steigen unaufhaltsam, während die Renten – politisch gewollt – immer schmaler ausfallen. Was läge da näher, als den Menschen das freiwillige Frühableben nahezulegen, um den Sozialstaat nicht zu belasten. Krause Landt bringt diese Gefahr auf den Punkt: „Der soziale Druck, der Solidargemeinschaft nicht länger zur Last zu fallen – natürlich um der Solidarität willen -, wird ‚dröpje for dröpje’ mit jedem einzelnen Fall bereits geleisteter Sterbehilfe wachsen. Ein Recht auf den Freitod wird in eine Pflicht zum Freitod münden“. Viele werden hier vielleicht noch den im Jahr 1998 von Karsten Vilmar geprägten Begriff vom „sozialverträglichen Frühableben“ vor Augen haben.

Krause Landt weist nach, dass der Todeswunsch klinisch gesprochen zumeist das Symptom einer schweren Depression ist. Eine solche Krankheit lässt sich heute aber gut mit Psychotherapie und Medikamenten oder auch zusätzlich mit menschlicher Fürsorge in den Griff bekommen – die Grenzüberschreitung hin zum Selbstmord ist hier nur ein scheinbarer, ein unnötiger Ausweg. Wenn dann zusätzlich Themen wie Basisrente, Pflegenotstand, Fachkräftemangel und explodierende Krankenkosten Druck ausüben, dann ist die Zeit zum Handeln da. Das in der Edition Sonderwege bei Manuscriptum erschienene Buch des Autors, Verlegers und Journalisten Krause Landt (jetzt Andreas Lombard www.die-entdeckung-des-eigenen.de), das auch einen Beitrag des Arztes und Medizinethikers Axel W. Bauer enthält, will uns daher aufrütteln.

Bei unseren holländischen Nachbarn können wir schon beobachten, wohin es führen kann, wenn alle Grenzen beim Thema Sterbehilfe eingerissen werden. Die Angst vor den Ärzten in den Niederlanden geht mittlerweile so weit, dass Patienten, die es sich finanziell leisten können, lieber in grenznahe deutsche Krankenhäuser gehen und die anderen seit Jahren eine „Credo Card“ mit ihrem Überlebenswunsch bei sich führen – oder einen einfachen Zettel mit der Zeile „Maak mij niet dood, Dokter“.

Es steht niemandem zu, über diejenigen zu richten, die scheinbar freiwillig aus dem Leben gehen. Andererseits müssen wir wieder neu lernen, dass Krankheit, Leiden und Tod zum Leben dazugehören. Krause Landts Buch ist nicht nur ein flammendes Plädoyer gegen den „Freitod“ bzw. die Mitwirkung am Suizid, sondern letztlich ein Plädoyer für das Leben und gegen eine Kultur des Todes.

 

Andreas Krause Landt: www.manuscriptum.de/edition-sonderwege/buecher/neuerscheinungen/titel/landtbauerschneider-sterbehilfe/

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Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass Selbsttötungen gerade kein Akt einer freien Entscheidung sind, sondern die Handlungen von Menschen, welche entweder psychisch krank (Depressionen) sind oder sich in einer für sie aussichtlos erscheinenden Lage befinden. In beiden Fällen muss eine humane Gesellschaft Hilfe zum Leben aber nicht den Tod anbieten. Und die Situation in den "liberalen" Niederlanden kann nur als warnendes Beispiel für eine Entwicklung dienen, welche mit der Prämisse begonnen hat, dass man nur wenigen Menschen mit unerträglichen Schmerzen helfen wollte: http://www.cdl-rlp.de/Unsere_Arbeit/Sterbehilfe/Sterbehilfe-in-Holland.html . Heute werden selbst Unmündige euthansiert.

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