LNG: Der Sprit, der aus der Kälte kam

Die junge Dame starrte mich an, als wäre ich ein Alien. Ziel Ihres Auftrittes war, die Besucher von den Vorteilen der Elektromobilität zu überzeugen.

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Und weil interaktive Elemente irgendwie angesagt sind, wurde gleich zu Beginn das Publikum mit einer Frage einbezogen: Was sollte ein Elektroauto können, damit man es sich kauft? Meine Antwort rief nicht nur besagten Blick der Vortragenden, sondern auch sofortiges Schweigen im Publikum hervor: „Es sollte das bieten, was ein konventionelles Fahrzeug auch bietet, dabei aber preiswerter sein.“

Das war eine aus Sicht der Dame offensichtlich unerhörte und unerwartete Äußerung. Auch der Rest des Publikums schien geradezu betroffen ob meiner egoistischen Ignoranz höherer Ziele. Aber nach wenigen Sekunden der Überraschung erhoben sich erste Stimmen, die mir beipflichteten. Und andere, die wütend protestierten. „Batterien bringen es nicht!“ gegen „So darf man das doch nicht sehen!“. Auf „Wir müssen doch mal darüber nachdenken, wo wir in zwanzig Jahren sein wollen!“ mußte man auch nicht lange warten.  Die Veranstaltung war gelaufen. Wenig später verließ ich den Saal.

Es ist schwierig geworden mit Innovationen in Deutschland. Weil die jahrzehntelange Ökopropaganda in uns den Reflex verankert hat, das Neue auf andere Weise zu bewerten. Etwas unter den subjektiven Kriterien der eigenen Bedarfsbefriedigung zu betrachten gilt als rückschrittlich. Der moderne Konsument hat bitteschön ein Gewissen zu entwickeln, ein Gewissen für das „große Ganze“ und sich von diesem in seiner Kaufentscheidung leiten zu lassen. Der Satz vom Besseren als Feind des Guten wird außer Kraft gesetzt. Die Verknüpfung mit einer Heilsbotschaft erzeugt beim Kunden das Gefühl, statt einer unzureichenden Lösung etwas modernes und zukunftsweisendes zu erwerben. Konsum als moderner Ablaßhandel – wenn ich denn schon Verzicht übe, dann wenigstens mit dem wohligen Gefühl, mein Teil zur Weltrettung beigetragen zu haben. Es ist schon merkwürdig, in welchem Umfang Menschen sich dieser Manipulation ohne aufzubegehren unterwerfen. Auch die meisten derjenigen, die sich heute noch für ein konventionelles Fahrzeug entscheiden, gehen wie selbstverständlich davon aus, irgendwann in naher oder ferner Zukunft schließlich batterieelektrisch zu fahren.

Obwohl es ja tatsächlich eine Alternative zu Benzin und Diesel gibt. Die ohne Abstriche an Reichweite oder Flexibilität zu vergleichbaren Kosten zur Verfügung steht. Und wirklich geeignet ist, den Ausstoß an Schadstoffen und (wer es wichtig findet) sogar den von Kohlendioxid spürbar zu vermindern. Ebenso wie Lärmemissionen. Das Zeug ist da. In gigantischen Mengen. Es ist flüssig, also einfach transportabel und lagerfähig. Es ist nicht giftiger und auch sonst nicht gefährlicher als herkömmlicher Ottokraftstoff. Einziger Haken: Es ist kalt. Ziemlich kalt.

Helium findet heute breite Verwendung als Inertgas (beispielsweise als Schutzgas beim Schweißen), in Leuchtstoffröhren, in Ballonen, als Kühl- und oder Treibmittel. Taucher verwenden es, in der Medizin wird es benötigt und auch in der Lasertechnik. Auf der Erde aber kommt es selten vor. Im Jahr 1905 wurde es erstmals in Erdgasvorkommen entdeckt. Seitdem stellen diese die Hauptquelle für Helium dar. Die Trennung zwischen den Kohlenwasserstoffen und dem Helium erfolgt durch Abkühlung. Erdgas siedet bei -162° C, Helium erst bei -269. Das durch Kühlung verflüssigte Erdgas wird LNG (Liquefied Natural Gas) genannt und ist vom druckverdichteten CNG (Compressed Natural Gas) zu unterscheiden. Anfangs war es zu nichts gut. Das Helium wurde abgeschieden, das LNG wieder in den gasförmigen Zustand überführt.

Bis man in den 1930er Jahren die Idee hatte, es auch für die Lagerung und den Transport einzusetzen, da es  im Vergleich zur gasförmigen Phase nur ein sechshundertstel des Volumens einnimmt. Gegenüber CNG besteht außerdem der Vorteil der höheren volumetrischen Energiedichte und des deutlich geringeren Aufwands der Lagerung. Gegen Wärmeübertragung isolierte Tanks und Leitungen sind einfacher zu konstruieren und erfordern einen geringeren Materialaufwand als entsprechende hochdrucktaugliche Systeme. Als Transportmedium gestattet LNG die wirtschaftliche Nutzung von Erdgasvorkommen, die über keine Pipeline-Anbindung verfügen bzw. bei denen eine Pipeline-Anbindung aufgrund der großen Entfernung zum Kunden zu kostspielig wäre. Es erweitert daher die Optionen der Förderunternehmen sowohl hinsichtlich der Gewinnung, als auch hinsichtlich des Vertriebs von Erdgas. Insbesondere gelangen auf diese Weise große Offshore-Felder in Reichweite, die bislang noch nicht ausgebeutet werden.

Etwa 30% des weltweit gehandelten Erdgases werden bereits über Tankschiffe als LNG transportiert. Nach der Anlandung in mit entsprechenden Terminals ausgestatteten Häfen überführt man das LNG in der Regel wieder in den gasförmigen Zustand und speist es in das vorhandene Erdgas-Netz ein.

Damit könnte die Geschichte zu Ende sein. Wenn denn nicht LNG auch als Treibstoff in Frage käme. Begonnen hat es bei den Schiffen, mit denen es transportiert wird. Denn diese haben es in Verbindung mit den entsprechenden Technologien vom Tank über die Rohrleitungen bis hin zum Ventil ohnehin schon an Bord. Für das weitere Transportgewerbe in den Bereichen Straße und Schiffahrt weist LNG die folgenden Vorteile gegenüber bislang eingesetzten Treibstoffen wie Diesel oder Schweröl auf:

     

  • Eine saubere Verbrennung: Infolge des Verflüssigungsverfahrens hat LNG einen sehr hohen Methananteil auf, der je nach eingesetzter Technologie zwischen 90 und 100% liegen kann (entsprechender Ethan-Anteil zwischen 0 und 10%). Gegenüber einem Diesel-LKW ergibt sich eine Verminderung der Stickoxid-Emissionen um etwa 35%, Feinstaub, Ruß und Schwefeldioxid werden praktisch nicht mehr erzeugt. Gegenüber Schiffstreibstoffen (Schiffsdiesel bzw. Schweröl) fallen diese Vorteile noch stärker ins Gewicht. Transportfahrzeuge mit LNG-Motor erfüllen die Euro VI-Abgasnorm ohne weitere technische Maßnahmen (Abgasnachbehandlung, Partikelfilter).
  • Senkung der spezifischen Kohlendioxid-Emissionen: Pro gewonnener Energiemenge sinken die Kohlendioxid-Emissionen um etwa 10% (gegenüber LKW-Diesel) respektive 30% (gegenüber Schiffsdiesel oder Schweröl). Dies hängt mit dem geringeren Verhältnis von Kohlenstoff zu Wasserstoff in der chemischen Komposition von LNG zusammen (1:4 bei Methan, ca. 1:2 bei Dieseltreibstoff). Tatsächlich wird bei der Verbrennung von Methan mehr Energie aus der Bildung von Wasser als aus der Bildung von Kohlendioxid gewonnen. Unter Berücksichtigung der Standardbildungsenthalpien von CH4 (-74, 87 kJ/mol), H2O (-241,83 kJ/mol) und CO2 (-393,50 kJ/mol) wird bei der Reaktion CH4+2O2 -> 2H2O+CO2 eine Energie von 802,9 kJ/mol freigesetzt, von der 55% der Wasserstoff- und 45% der Kohlenstoffverbrennung zuzuordnen sind. LNG kann somit von allen Erdgasvarianten am ehesten als „wasserstoffbasierter“ Treibstoff angesehen werden, bei dem Kohlenstoffatome als Wasserstoffspeichermedium zum Einsatz kommen.
  • Senkung der Lärmemissionen: Mit dem Einsatz von LNG sinkt der Schalldruckpegel des Motors um 7-10 dB. Dies entspricht auf die menschliche Wahrnehmung bezogen einer Lärmreduktion um bis zu 50%.
  • Senkung der Treibstoffkosten: Momentan beträgt der Preisvorteil von LNG gegenüber LKW-Diesel bezogen auf die gewonnene Vortriebsenergie etwa 20%. Wie sich dies in Zukunft entwickelt, hängt von den Marktgegebenheiten und insbesondere von der Steuerlast ab. Auch sind die Anschaffungskosten für das Fahrzeug selbst zu berücksichtigen. Aktuell sind LNG-Fahrzeuge noch deutlich teurer als solche mit konventionellen Antriebssystemen. Wirtschaftlich ist der Einsatz von LNG daher vor allem für Anwendungen, in denen längere Strecken mit hoher Frequenz zurückgelegt werden müssen.
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Angesichts dieser Fakten ist Aufbruchsstimmung spürbar. In China sollen bereits mehr als 100.000 LNG-Trucks auf den Straßen unterwegs sein, sagt Wikipedia. In den USA sind es mehrere hundert bis tausend, die durch einige Dutzend LNG-Tankstellen entlang bestimmter Routen versorgt werden.

Deutschland wäre ein idealer Markt für die Gewinnung, den Handel und den Einsatz von LNG – sozusagen ein “Leitmarkt” mit deutschen Unternehmen als “Leitanbieter”, um den Elektromobilitätssprech der Bundesregierung aufzugreifen. Denn es ist aufgrund seiner geographischen Lage eine wichtige Logistik-Drehscheibe in Europa,  verfügt über einen Zugang zur Hochsee mit Häfen, in denen LNG-Terminals errichtet werden könnten und besitzt eigene Erdgasvorkommen in nicht unerheblicher Menge. Und was soll eigentlich in einigen Jahren mit den vielen Biogas-Anlagen geschehen, wenn die Förderung nach dem EEG ausläuft?

Schon bahnt sich hierzulande einiges an. Noch weitgehend unbemerkt von Medien und Bevölkerung und politisch mehr von der EU unterstützt, als von der Bundesregierung. Die neue LNG Hybrid Barge für die Stromversorgung von Kreuzfahrtschiffen im Hamburger Hafen wurde vor kurzem getauft. Ab Mitte 2015 plant die Reederei Cassen Eils den Einsatz eines LNG-Fährschiffes auf der Route Cuxhaven-Helgoland. LNG-elektrische Hybrid-Antriebe sind bereits im Einsatz (wäre das vielleicht auch etwas für Lokomotiven?). Auf der IAA Nutzfahrzeuge 2014 konnte Iveco verkünden, für den LNG-Sattelschlepper Stralis die europaweite Gesamtbetriebserlaubnis erhalten zu haben. Damit ist diese Antriebstechnologie nun auch auf deutschen Straßen zugelassen. Dem Vernehmen nach stehen einige hiesige Spediteure bereits in den Startlöchern.

Ob LNG jemals in den Massenmarkt des motorisierten Individualverkehrs vordringt? Erdgas (CNG) und Autogas (LPG) sind bereits etabliert. Weder die Infrastruktur (Tankstellen) noch die Akzeptanz der Autofahrer wären daher ein Problem. Es bleibt die Frage, ob sich die großen Automobilkonzerne aus der politisch/medialen Umklammerung lösen und wieder beginnen, für ihre Kunden zu entwickeln, statt für ein dem Öko-Zeitgeist entsprechendes Image. Das Kreischen der Klimaschützer hat ja schon begonnen. LNG werden sie nur als weitere Provokation begreifen.

LNGEnergiedichte

Aus dem Zusammenspiel von Förder- (Tiefsee und Hydraulic Fracturing) und Transporttechnologien (LNG) entsteht auf einmal ein neues, marktfähiges Kraftstoffangebot, das meine Auffassung belegt, das Zeitalter der fossilen Rohstoffe habe gerade erst richtig angefangen. Wer auch immer dachte, zunehmend striktere Regulierungen könnten dazu beitragen, den Verbrennungsmotor zu verdrängen, hat nicht verstanden, wie Innovation entsteht und welchen Weg sie nimmt.  Was also sollte ein Elektroauto können, damit man es sich kauft? Es sollte mit LNG betrieben werden.

Beitrag erschien auch auf: science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: harald44

Also ich habe immer noch nicht kapiert, was das ganze mit der CO2-Einsparung soll! Bei den Milliarden Gigatonnen CO2, die sich in der Atmosphäre befinden, in den Tiefen der Meere gelagert sind und in den Kalkalpen oder überhaupt in den Gebirgen gebunden sind, wozu noch der offene und nicht erfaßbare CO2-Ausstoß von Vulkanen weltweit hinzukommt, spielt doch das Freisetzen von CO2 aus Treibstoffen mengenmäßig überhaupt keine Rolle.
Zudem wird CO2 ständig freigesetzt und ständig wieder gebunden in der Biosphäre und bringt zudem das lebenswichtige Kohlenstoffatom durch die Luft zu jedem Lebewesen, welches eben dieses Atom zum Aufbau seiner lebendigen Kohlenstoffketten benötigt.
Weiterhin hat man noch nie gehört oder festgestellt, daß in der Nähe einer Kohlensäurefabrik mit hohem CO2-Ausstoß etwa die Umgebungsluft wärmer sei als in größerer Entfernung von diesem Entstehungsort. Und die Grundprämisse der Physik ist doch, daß zuerst die Beobachtung kommt und man danach versucht das beobachtete Phänomen wissenschaftlich zu erklären. Fehlt aber ein Phänomen oder ist nicht feststellbar, dann ist auch jede Hypothese, die diesen Umstand nicht berücksichtigt, sinnlos.
Zum Schluß noch die Frage, warum das angeblich so "böse" CO2 offenbar so harmlos ist, daß täglich Hunderte von Millionen Kindern dieses fröhlich beim Brausetrinken herausrülpsen.
Fazit: Liebe sogenannte Wissenschaftler und Schreiberlinge, spart Euch zukünftig jeden Verweis auf die unbewiesene Schädlichkeit des harmlosen und lebensnotwendigen CO2-Moleküls! Oder wollt Ihr Euch denn unbedingt blamieren?

Gravatar: Prof. Dr. Frank Endres

Zum Kommentar von Freigeist:

Wer ein Eigenheim mit Stromanschluss bzw. Garage hat und auch im Winter nicht mehr als 60 km fahren muss, mag der geeignete Kunde für Elektroautos sein. An "meiner" Universität wurde uns angeboten, zu besonders günstigen Konditionen einen VW e-Golf zu leasen. Das Blöde ist nur, dass es im Harz schon mal kalt ist und viel Schnee liegen kann. Vorheizen könnte ich den Wagen auch, nur würde ich es nicht einmal schaffen, in Göttingen einen Gast abzuholen und mit einer Ladung wieder zurück in den Harz zu fahren. Und das Auto dann zuerst mal 3 Stunden aufladen, ist auch keine Option.

Solange das Reichweitenproblem nicht kostengünstig gelöst ist, und ich weiß nicht, wie es kostengünstig gelöst werden kann (auch mit Brennstoffzellen gibt es schwer bis nicht lösbare Probleme der Haltbarkeit, Ähnliches gilt für "RedoxFlow-Batterien), bleiben Elektroautos ein Nischenprodukt. Es wird immer das Argument der lokalen Emissionen gebracht. Nun, eine Pelletsheizung produziert ohne Filter Feinstaub, und die Autos sind gewiss nicht die Ursache für die immer wieder zitierte Luftverschmutzung in China. Solche Veranstaltungen, wie sie Herr Heller besucht hat, werden überwiegend von grünen "Gutmenschen" besucht - diesen Leuten kann man leider nicht helfen, das ist hoffnungslos. Ob Deutschland die selbstmörderische Energiewende überleben wird, weiß ich nicht, ich fürchte, nein. Aber die Grünen haben es in 20 Jahren Dauerindoktrination geschafft, den meisten Deutschen ein kollektives schlechtes Gewissen einzupflanzen und diese für jeden grünen Unsinn ihr Geld auszugeben bereit sind - das werden die künftigen Historiker aufarbeiten müssen.

Gravatar: Freigeist

Fahren Sie doch mal einen Elektro-Smart. Vorheizen über Steckdose, jetzt im Winter. Ich falle nicht auf das Heiz-Argument herein. Über das Handy wird das Vorheizen gesteuert.

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