Links, wo das Herz schlägt - Inventur einer politischen Idee

Beinahe hätte ich das Buch von Rainer Hank nach den ersten paar Seiten wieder aus der Hand gelegt. Was soll diese Rechtfertigungsorgie, fragte ich mich anfangs.

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 Das Leben verändert sich ständig, die Verhältnisse haben sich nach 1989 dramatisch revolutioniert - also ist es doch kein großes Ding, wenn sich die Sicht auf die Welt auch verändert. Rechtfertigen, wenn überhaupt, müssten sich doch die, die nichts dazulernen wollen. Aber dann stieß ich auf das interessante Zitat von Alberto Alesinaund war interessiert: „The left should love liberalism“. Sollte Hank wirklich den Beweis antreten, dass linke Ziele nur mit einem liberalen Instrumentarium, einem neoliberalen gar, erreicht werden können?

Im vergangenen Jahrhundert hat die Linke, dort wo sie an der Macht war, bewiesen, dass mit ihren Ideen kein Staat zu machen war, der ohne die gewaltsame Unterdrückung seiner Bevölkerung auskam. Planwirtschaft, Beseitigung des Privateigentums und Gleichmacherei führten nirgends zu Wohlstand und Gerechtigkeit, sondern ins Elend. Zuletzt hat Salvator Allende in Chile, wo er immerhin demokratisch an die Macht kam, schneller als seine sozialistischen Vorbilder in der DDR die Wirtschaft des Andenstaates ruiniert und seine Bevölkerung in Armut gestürzt.

„Merkwürdig“, findet Hanke, „dass sich die Linken so wenig mit der linken Praxis befasst haben“. So konnte es kommen, dass die Westlinke dem Massenmöder Mao huldigte, während sie tatenlos zusah, wie in der Tschechoslowakei der Versuch, dem Sozialismus ein menschliches Gesicht zu geben, von sowjetischen Panzern blutig erstickt wurde.

Was machte die Attraktivität des Sozialismus für eine Jugend aus, die das Glück hatte, in einer Demokratie leben zu können? Waren es „Neugier und Ehrgeiz“, wie der amerikanische Professor Mark Lilla meint, oder weil es bei den Linken die schöneren Frauen gab? Oder die besseren Bücher? Letzteres war es wohl kaum, denn die Elaborate der Westlinken sind ziemlich unlesbar. Als Lösung bietet Hanke das „intellektuelle Vexierbild“ an. Hinter den schönen linken Phrasen verbarg sich die sozialistische Realität, die man nicht wahrnehmen musste. Heute ist das noch einfacher als vor der Friedlichen Revolution 1989, denn die schäbige Realität ist fast vollständig von der Bildfläche verschwunden. In Kuba kann man als Westlinker hinter Stacheldraht ungestört von den Kubanern im türkisblauen Ozean baden und in Havanna auf den Touristentrails befinden, dass es doch aufwärts ginge. Das alltägliche Elend der Kubaner, das unendlich viel größer ist, als es das der DDR- Bewohner je war, spielt wieder keine Rolle.

Linkes Gedankengut hat den Zerfall des sozialistischen Experiments nicht nur überlebt, sondern ist, wie man neudeutsch sagt, zum Mainstream geworden. Es ist, wie Hank herausarbeitet, heute aber keine polit-ökonomische Richtungsentscheidung, sondern eine Präferenz für Gleichheit, Umverteilung, Staatsintervention. Um das linke Milieu der Siebziger Jahre von geschätzten 60 000 Aktivisten gruppierten sich etwa 6 Millionen Sympathisanten. Diese Kohorte machte sich auf, den von Rudi Dutschke geforderten „nicht kapitalistischen Menschen“ zu schaffen und gleichzeitig den Marsch durch die Institutionen anzutreten. Letzteres ist so gut gelungen, dass es kaum noch Räume gibt, die nicht vom linken Geist beherrscht werden. Deshalb wird Bill Gates, der mit über 40 Milliarden Dollar die größte wohltätige Stiftung der Welt geschaffen hat, immer ein kalter Kapitalist bleiben und nie zum heiligen Bill werden.

Was schlimmer ist: „Durch die Einführung der Umverteilung im Sinne des „Sozialen“ wird der Staat ein Interventionsstaat, was das Verhältnis von Staat und Gesellschaft grundlegend verändert…...Wirtschaft und Gesellschaft gestalten sich nicht mehr selbst. Das Mittel der Intervention ist die Umverteilung.“

„Der Sozialstaat ...hat…anders als der Markt, nie ein Wachstums-, dafür aber ein Finanzierungsproblem. Ist er zu feige, seinen Bürgern die Rechnung seiner Ausgabenlust direkt zu präsentieren, wird er sich am Kapitalmarkt verschulden…So wird aus dem Sozialstaat ein Schuldenstaat“. Noch schlimmer: Rechtsstaat und Sozialstaat sind nicht kompatibel. „Der Sozialstaat höhlt den Rechtsstaat aus“.

Politiker verschaffen gesellschaftlich mächtigen Gruppen geldwerte Vorteile, im Gegenzug erkaufen sie sich Loyalitäten für ihre Wiederwahl. Hayek sprach von „Schacherdemokratie“. Hank: „Damit bringt der Sozialstaat erst jene Ellenbogengesellschaft hervor, die abzuschaffen er abgetreten war“. Beispiel Künstlerförderung: es werden nicht die Besten gefördert, sondern diejenigen, die am besten wissen, wie man staatliche Fördermittel abgreift.

Im letzten Kapitel kommt es ganz hart: „Warum Kinderarbeit gut ist und Google nicht böse. Warum Banken an die Kandare gehören und Deng Xiao Ping mehr für die Armen getan hat, als Mutter Theresa“. Die Argumente, die Hank hier bringt, sind so überzeugend, dass ich nunmehr unbesorgt bei Primark einkaufe, Sarah Wagenknecht Recht geben kann, wenn sie für mehr Bankenregulierung plädiert und weiß, was eine jahrzehntelang verfehlte Entwicklungshilfe mit der aktuellen Flüchtlingskrise zu tun hat.

Gibt es Schwachstellen in dem Buch? Ja, Hanks These, dass nach wie vor in allen Gesellschaften trotz aller Umbrüche weiterhin bestimmte Familien das Sagen haben, halte ich nicht für schlüssig. Weder Gerhard Schröder noch Angela Merkel hätten da Bundeskanzler werden können. Die Brentanos sind aus der deutschen Politik fast verschwunden und die zu Guttenbergs auch. Die Lambsdorffs sind inzwischen Hinterbänkler im Europäischen Parlament. In den Schlüsselpositionen sitzen Leute, die nicht durch familiären Einfluss dorthin gekommen sind. Das ist erst mal gut so, obwohl noch kein Qualitätskriterium.

Die Qualität erweist sich durch Leistung im Wettbewerb. Deshalb verstehe ich auch nicht, wie Hanke zum Schluss kommt, dass eine Gesellschaft, in der Leistung das bestimmende Kriterium ist, in den Totalitarismus führt. Seine Argumente sind hier auch eher Behauptungen. Macht nichts, insgesamt ist das Buch sehr lehrreich und überzeugend. Es zu lesen, ist auf jeden Fall ein Gewinn.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bartholomay

Der Sozialismuswahn führt immer zu Totalitarismus.Das ist
die große Täuschung des Teufels,gegen das was da ist
biblisch christlich und gesegnet ist reichlich.Darum ging
auch,ohne GOTT und Sonnenschein der real existierende
an seinen totalitären Praktiken ein,wie zuvor der nationale.
Die 68er Ideologie hat die Hudna beendet,den die Ämter
und Institutionen sind erobert.Nun kann man als Staatsmacht gegen die echten "Sozialisten" (Apg. Kap.2,
Vers 37 - 47) die da heißen Christen,juristische und
psychologische Vernichtungskriege führen,die endgültig
ohne diese Terroristen,zum 1000jährigem Friedensreich
durch und mit JESUS CHRISTUS führen.
Die Seuche des Gender Rinderwahnsinns wird noch viele lebende Tote fürs Totenreich produzieren,ohne
eine Waffe in die Hand zu nehmen.
Ich freue mich jedenfalls auf mein "goldenes Eßbesteck"
wenn ich gebe den "Löffel" ab.
Liebe Vera,danke für diesen Bericht über die Totenreligion und seinen Legionen,die heute eine okkulte Welle sind,Invasionen !

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