Limburg und das Ende

Bei wirklich nüchterner Betrachtung ist der neubau in Limburg ein Konglomerat aus Unfähigkeit, Feigheit, Unwahrhaftigkeit, Intrigen und mitten dazwischen ein paar Leute, die einfach nur ihren Job gut machen wollten.

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Es sollte der letzte Beitrag zu Limburg in diesem Blog sein. Das sollte nicht nur so sein, weil ich “Limburg” nicht mehr hören kann und Bilder vom Dom und dem Diözesanen Zentrum nicht mehr sehen kann. Es sollte vor allem so sein, damit endlich Ruhe einkehrt.

Wer in einer Metropole lebt, lebt auch damit, daß die Metropole häufig in den Schlagzeilen ist. Wer in einer kleinen Provinzstadt lebt, lebt lieber damit, von der Öffentlichkeit unbeobachtet zu leben. Limburg ist Provinz. Limburg ist eine kleine Stadt mit engen Gassen und alten Häusern. Der Dom über der Lahn ragt hoch hinaus, darunter duckt sich der Stein des Anstoßes in den Stein des Domberges. Das Diözesane Zentrum St. Nikolaus, der Neubau und die historische Bausubstanz bilden den Dienst- und Wohnsitz des Bischofs von Limburg. 31 Millionen hat der Bau gekostet. Als Protzbau gescholten, ist er nicht mehr und nicht weniger protzig als jede durchschnittliche katholische Akademie in Deutschland.  8 Millionen zu teuer war der Bau, weil die Verwaltung und der Bauherr (der Bischof von Limburg) mit der Vorbereitung, Planung und Umsetzung des Baus vollkommen überfordert waren. Nachteilige Verträge zu Lasten des Bistums, eine viel zu kleine gar nicht in der Sache hinreichend kompetente Mannschaft und zwei Drückeberger an der Spitze. So läßt sich in kurzen und knappen Worten zusammen fassen, was der Prüfbericht der Kommission zusammen getragen hat.

Avanti, Dilettanti (vgl. S 101 ff. im Bericht) …

Es mußte schnell gehen, denn der Bischof war zu Recht des Provisoriums im ehemaligen Priesterseminar, wo der seit Anfang 2008 gewohnt hatte, überdrüssig. Zwei kleine Zimmer, im Winter nach 22 Uhr nicht mehr beheizbar, zu erreichen durch einen Hintereingang, der auf für Anlieferungen genutzt wurde, wer will da schon auf Dauer leben. Bischof Kamphaus hatte in Priesterseminar gewohnt, als dies noch in Betrieb war und er hat die Versorgungssituation wohl zu schätzen gewußt. So brauchte er keinen eigenen Haushalt führen. Unter den Priesteramtskandidaten lebt es sich als Bischof gut, dann hat man den Nachwuchs auch prima im Griff. Bei Einzug des Nachfolgers war das Haus ein Bildungshaus. Privatsphäre Fehlanzeige. Ein Bischof auf dem Präsentierteller.

Es mußte schnell gehen, das Haus sollte endlich fertig werden. Geld spielte, wie man nun auch weiß keine Rolle. Es war genügend Vermögen vorhanden, um das Haus umzusetzen. Zwei Entwürfe waren schon verworfen worden, da erfolgte der erneute Wechsel des Architekten. Der Bericht läßt es offen werden. 500.000 € Planungskosten waren verbraucht, da war noch kein umsetzbarer Strich auf dem Papier.

Etwas anders war auf Papier. Seitdem erste Gerüchte und Pressemeldungen durch Welt gingen, daß in Limburg ein Haus für den neuen Bischof gebaut werden soll, schossen die Schlagzeilen ins Kraut. Was Kamphaus reichte, sollte für den neuen etwa nicht mehr gut genug sein? Warum hat eigentlich niemand mal gesagt, daß es das, worin Kamphaus lebte, überhaupt gar nicht mehr gab? Warum hat der so beliebte Kamphaus nicht mal das Wort für seinen Nachfolger ergriffen? Fragen über Fragen.

2010 wußte man in Limburg, wie man dem Bericht entnehmen kann, eigentlich immer noch niemand, was man denn genau will. Nur ein Haus sollte es sein. Und nun kam nach dem dritten Architektenwechsel im Mai 2010 endlich Schwung in die Sache. Erstmals lag ein genehmigungsfähiger Entwurf für das Bischofshaus vor. Der Architekt Michael Frielinghaus sollte das Haus der Bischöfe, was dann später in Diözesanes Zentrum umbenannt wurde bauen. Mangelhafte Begleitung der Planung durch die diözesane Verwaltung resp. den Bischöflichen Stuhl war allerdings auch jetzt immer noch ein Makel, der vom Bericht deutlich heraus gearbeitet wird. Dieser führte im Verlauf der Umsetzung zu den bekannten rd. 8 Mio unnötigen Mehrkosten.

Hier wird das “Prinzip Limburg” deutlich, welches zu dem Desaster führen sollte. Der Bischof wollte sein Haus, aber bitte flott. Er wollte das Haus – wohl aus gesammelten negativen Erfahrungen mit früheren Bauten in Limburg – hochwertig und nachhaltig gebaut haben. Eine explosive Mischung nimmt auf dem Domberg ihren Lauf. Es wird tief und teuer in den Felsen gefräst. 4m tief muß man hinunter. Es wird – man könnte fast sagen – wild drauf los gebaut. Weil eigentlich niemand sich mal konzentriert Gedanken macht: Was wird wirklich gebraucht? Welche Größe muß eine Bischofswohnung haben? Welche Funktionen soll das Haus noch erfüllen? Welcher Kostenrahmen ist angemessen? Wie erreichen wir mit den bereit gestellten Mitteln das geplante Ziel? Alle diese Fragen wurden offensichtlich nicht hinreichend gestellt und erst recht nicht verbindlich und zielführend beantwortet. Jeder private Bauherr weiß, daß unter solchen Umständen ein Bau finanziell aus dem Ruder laufen muß.

Änderungen und Umplanungen im laufenden Bauprozeß sind dann kein Problem, wenn sich veränderte Bedingungen zeigen. Sei es, daß sich der Bedarf ändert, sei es daß sich technische Notwedigkeiten ergeben. Beides sollte jedoch vorher gründlich ausgeschlossen werden. Je größer der Bau, umso gründlicher auch diese Gedanken.

Wer allen Ernstes glaubt, der Austausch von Kippschaltern zu Sensortastern sei Folge einer fortschreitenden Erkenntnis, die zu Planungszeiten nicht vorgelegen hat, irrt gewaltig. Die welche Schalter, Steckdosen u.ä. eingebaut werden sollen, ist zu entscheiden, bevor(!) der erste eingebaut ist und nicht, wenn schon alle drin sind. Das kann sogar ein Bischof wissen. (Kann, muß aber nicht, wie wir jetzt lernen mußten.)

Was hier wie eine Kleinigkeit aussieht – und unterm Strich auch eine ist – zeigt sich in voller Pracht und allen seinen Varianten auf S. 81 ff. im Bericht als ein Ausdruck eines horrenden Dilettantismus zum Preis von schlappen 8 Mio €. Da unter unter Bischöflichen Schemel in Limburg genug Dukaten lagern, macht sich der Bischof keine Sorgen. Raus mit der Kohle, wir haben ja genug.

Im Verlauf der Planungs- und Bauphase haben der Bischof, der Architekt und der Diözesanbaumeister das Bauprojekt in der Fläche immer weiter ausgedehnt – hierzu zählt beispielsweise auch die kostenintensive Vertiefung des Dombergs durch Abfräsen des Felsens um ca. 4 bis 4,5 Meter. Zudem wird vom Bischof zusammen mit dem Innenarchitekten und den  Auftragnehmern Möbelschreiner und Lichtplaner der Standard  mit entsprechenden Materialien durchweg auf ein sehr anspruchsvolles Niveau geachtet. Dabei ist jedoch eine  notwendige Kostenkontrolle nicht im Blick. (Bericht S. 106)

Alles das darf niemand wissen, denn schon vor dem ersten Spatenstich war das Haus ja schon skandalisiert worden. Also entschließt man sich zu vertuschen:

Die Besorgnis im Hinblick auf die Reaktion der Öffentlichkeit hat zunächst das Domkapitel und später noch intensiver auch den Bischof veranlasst, erkennbar zu niedrige Baukosten zu veröffentlichen. So ist dem Bischof und allen übrigen Beteiligten seit der Sitzung des Vermögensverwaltungsrates

am 01.07.2011 bekannt, dass für das Bauprojekt deutlich mehr als die zunächst veranschlagten 17,0 Mio. € an Kosten anzusetzen sind. Diese Besorgnis ist einer der

Gründe, warum auch bis zur Einweihung des Objektes (29.06.2013) keine tatsächlichen Zahlen betreffend Baukosten genannt werden. Die vom Diözesanbaumeister am 28.06.2013 (am Tag vor der Einweihung) in der Pressekonferenz – nach seinen Angaben solle er auf Weisung des Bischofs bei den Baukosten einen Betrag unter 10,0 Mio. € angeben – genannten Baukosten in Höhe von 9,85 Mio. € lösen anschließend eine intensive Diskussion zwischen Bischof, Verwaltungsrat und Diözesanbaumeister sowie Geschäftsführer aus. Nach Aussage der Beteiligten hat am 22.08.2013 der Diözesanbaumeister zunächst in einem Vorgespräch dem Bischof, dem Generalvikar und dem Geschäftsführer, anschließend in einer nicht protokollierten Verwaltungsratssitzung allen Mitgliedern, eine Tischvorlage zur Information zur Verfügung gestellt, in der für 17 Baumaßnahmen aktuell der Kostenrahmen (15,670 Mio. €), die Kostenberechnung (29,574 Mio. €), der Kostenstand (29.271.784,89 €) und die Kostenprognose

(31.540 Mio. €) aufgeführt sind. Der Bischof habe am Schluss der Verwaltungsratssitzung eindringlich gebeten, dass diese Zahlen keinesfalls öffentlich genannt werden dürfen. (Bericht S. 105)

Wer jetzt völlig verwirt ist, ist in guter Gesellschaft. Und wer sich durch die 108 Seiten Bericht hindurch gearbeitet hat, stößt auf so manche sonderbare Passage:

Der Generalvikar nimmt nach wenigen Sitzungen nicht mehr an denBaubesprechungen teil, da ihm das Projekt nach eigenen Worten „zu groß und zu teuer“ wird. (Bericht S. 104)

Hoppla!

Der Bischof interessiert sich nicht, woher das Geld kommt, hauptsache die Bude wird fertig und keiner erfährt, was sie wirklich kostet. Der Generalvikar bekommt irgendwann kalte Füße und spielt nicht mehr mit. Bleiben am Ende noch der Geschäftsführer des Bischöflichen Stuhls und der Diözesanbaumeister übrig, die mit den Architekturbüro die Sache durchziehen.

Neben all dem Lug und Trug, dem Versagen, dem Dilettantismus und der Verschwendung rund um den Bau, bei dem einem wirklich der Atem stocken kann, bleibt es am Ende ein kleines Wunder, daß da überhaupt ein Bau entstanden ist und der Bischöfliche Stuhl nicht volle Kanne in den Konkurs getrieben worden ist.  Die entstandene Immobilie steht jetzt in der Bilanz und die Abschreibungen werden wohl zumindest teilweise aus Kirchensteuermitteln finanziert. So steht der Bischöfliche Stuhl immer noch ganz gut da, der Nachfolger von Bischof Tebartz-van Elst hat eine nette Kellerwohnung unterm Laden, die Limburger sind ihren ungeliebten Bischof los und die katholische Kirche hat eine ordentliche Macke im öffentlichen Ansehen abbekommen.

Der jetzt emeritierte Bischof von Limburg hat sich selbst, der Kirche, dem Bistum einen Bärendienst erwiesen. Ein ausgewiesener Schurke, als den ihn die Medien mehrheitlich da stehen lassen wollen, ist er deshalb nicht. Es ist wohl ein eher Systemproblem. Kontrollmechanismen, die ihn selber auch hätten schützen können, wurden von ihm und seinem Generalvikar systematisch ausgeschaltet. Ein Sumpf der Omerta wurde angelegt. Aus ganz normaler Verschwiegenheit, die in jedem Unternehmen geboten ist, wurde ein System der Vertuschung gebaut, an dem alle Beteiligten, das Domkapitel, der Generalvikar, der Vermögensverwaltungsrat und letztendlich auch der Bischof selber mitgewirkt haben.

Die Kosten mußten um jeden Preis verschleiert werden. Angst war hier der schlechte Ratgeber. Das war einer der Generalfehler neben der schlicht verantwortungslos nachlässigen Bauvorbereitung und Baubegleitung durch Dienststellen der Diözese. Auch das bringt der Bericht deutlich zum Ausdruck.

Offene und vor allem offensive Kommunikation hätte dem sehr schnell Abhilfe schaffen können. Möglicherweise wäre die Konsequenz daraus gewesen, daß ein Neubau auf dem Domberg nicht umzusetzen gewesen wäre. Ein paar kreative Köpfe und ein Mindestmaß ein geistiger Bewegungsfähigkeit hätte die wirklich unmögliche Wohnsituation des Bischofs auch anders beseitigen können. Aber darüber ist offensichtlich nicht nachgedacht worden.

Erlaubt ist auch die Frage, ob 280 qm Wohnfläche für einen Bischof notwendig sind. Ein ehemaliger Professor hat sicher mehr als drei Bücher und braucht entsprechende Fläche dafür. Intelligente Raumgestaltung macht auch hier vieles möglich. Was soll das Maß sein. 100 qm, wie der Bischof selber behauptet hatte, die er im Diözesanen Zentrum als Wohnung bekäme? Und wenn es 150 qm gewesen wären, hätte auch niemand zu meckern. 280 sind mehr als nur üppig. Doch ein Protzbischof? Nein, nein und immer wieder nein. Jede Vorsilbe vor eine Amts- oder Personenbezeichnung ist unangemessen, wenn man fair und ehrlich berichten und kommentieren will. Der Bericht gibt Auskunft: Der Bischof und der Diözesanbaumeister haben im Laufe des Baus und der Planung den Flächenbedarf immer weiter nach oben getrieben. Das ist definitiv kein Anzeichen von Protz. Wer Protz baut, weiß das vorher. Es ist ein Anzeichen, daß man im laufenden Prozeß, wenn die Kreativität eigentlich in Grenzen bleiben sollte, doch noch kreativ geworden ist.

Bei wirklich nüchterner Betrachtung ist es ein Konglomerat aus Unfähigkeit, Feigheit, Unwahrhaftigkeit, Intrigen und mitten dazwischen ein paar Leute, die einfach nur ihren Job gut machen wollten.

Urteil? Keins … Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.

Was bleibt unterm Strich?

- Ein zu teures Haus, das hoffentlich seinen Nutzen findet

- Ein emeritierter Bischof, der hoffentlich irgendwann wieder eine Aufgabe bekommt

- und sehr, sehr viel Ratlosigkeit, Enttäuschung und Wut – gerade bei denen, die sich besonders um Fairness gemüht haben.

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