Letzte Wahrheiten, Teil 2

Wer ganz genau wissen will, wie Margot Käßmann über die Deutschen und den Krieg denkt, der sei auf ein Interview verwiesen, das die “Berliner Zeitung” zum Weihnachtstag mit der EKD-Ratsvorsitzende

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geführt hat und das bislang nicht die Beachtung fand, die es verdient. In diesem Interview wiederholt Käßmann nicht nur ihre Position, dass Krieg für sie nicht zu legitimieren sei; auf konkrete Beispiele angesprochen, bezieht sie auch den Einsatz der Allierten zur Beendigung der Nazi-Herrschaft in Europa bei ihrem Verdikt ausdrücklich ein.

Das ist nun allerdings eine neue, aufregende Sicht auf den Zweiten Weltkrieg und die Lehren, die aus ihm zu ziehen sind. Bislang hatten wir immer gedacht, dass wir für die Befreiung durch die allierten Truppen dankbar sein müssten, die sich Hitlers Mordmaschine zu Wasser, zu Luft und am Boden unter Hinnahme hoher eigener Verluste in den Weg stellten (allein auf amerikanischer Seite 170 000 Soldaten). Offenbar müssen wir umdenken, jedenfalls solange wir Schäfchen der Evangelischen Kirche Deutschlands sind.

Folgt man der Argumentation der Bischöfin, dann wäre der Zweite Weltkrieg zu vermeiden gewesen, wenn man nur rechtzeitig die “Opposition in Deutschland gestärkt” hätte. Welche Opposition, mag sich der Unbedarfte fragen. Nicht jedem fallen auf Anhieb die Zigtausenden im Widerstand ein, die nur auf ein Signal aus London oder Washington zum Losschlagen gewartet haben. “Warum wurden die Gleise, die nach Auschwitz führten, nicht bombardiert”, fragt Käßmann weiter – ja, warum wohl? Weil die Allierten das Schicksal der Juden nicht interessiert hat, oder weil sie mit Hitlers Vernichtungsplänen vielleicht sogar ganz einverstanden waren? Ist das ihre Meinung? Und weiter: “Warum gab es vorher keine Strategien?”

Eine Antwort auf letztere Frage könnte lauten, dass es ja durchaus eine gab, der mit dem Namen Chamberlain verbundene Versuch nämlich, den deutschen Diktator mit Zugeständnissen von seinem Weg abzubringen. Den naheliegenden Einwand, dass alle Appeasement-Politik Hitler wenig beeindruckt habe, lässt die Ratsvorsitzende freilich nicht gelten, da bleibt sie standhaft: “Krieg setzt ein Gewaltpotenzial frei, für das ich keine Rechtfertigung sehe”, erwidert sie unberirrt. “Krieg hat Unrecht, Zerstörung, Vergewaltigungen im Schlepptau. Krieg zerstört alle, die an ihm beteiligt sind.”

So sind in Käßmanns kleiner Geschichtsstunde am Ende irgendwie alle schuld, Sieger und Besiegte, Angreifer und Verteidiger, Täter und Opfer. Wo es nur Schuldige gibt, weil Krieg in der bischöflichen Auslegung nun einmal keine moralischen Unterschiede kennt, macht auch das Rechten und Richten keinen Sinn. Das haben die Heimkehrer und Vertriebenen nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht anders gesehen, sie haben es nur nicht so schön auszudrücken gewusst.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf Herrn Fleischhauers Blog "unterlinken.de"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Horatio Nelson

Ein genießbarer Artikel eigentlich, Herr Fleischhauer, obwohl ich dabei gestehen muß, es entzieht sich meinem geistigen Vermögen zu beurteilen, genau worauf Sie mit ihm hin wollen. "....bezieht sie auch den Einsatz der Allierten zur Beendigung der Nazi-Herrschaft in Europa bei ihrem Verdikt ausdrücklich ein." Mmhmm? Sind auch Sie dieser Meinung? Dies widerspräche in etwa aber der üblichen seit Jahrzehnten amtlicher- und Medienseits vorgegebenen (und erst recht der SPIEGEL-) schwarz-weißen Lesart der BRD oder nicht? Alles "Nazi" BAD, alles dagegen GUT? Wissen Sie, WENN alles so gewesen wäre, wie hier in der BRD seit eh und je behauptet worden ist und die Alliierten nicht eingegriffen hätten, wären weder Sie noch wäre Frau Käßmann heutzutage hier, um gegen das Prinzip "Krieg" wettern zu können, es sei denn, Ihr hättet Euch brav eingereiht. Egal, ob die Sprecher Eurer Generation im Allgemeinen diesbezüglich kundig und somit befugt bzw. berechtigt, sich hierüber öffentlich zu beklagen ist, drängt sich bei mir als älterer geistig sedentärer Bürger die Befürchtung auf, die Feinde unseres hiesigen "verteidigungswerten meinungsfreien Rechtsstaates" reagieren sofort auf die hierzulande öffentlich laut ausgetragenen „Bedenken“ wodurch alle im Einsatz befindlichen Truppen – ja, auch die der Bundeswehr – in zusätzliche höchste Gefahr geraten. Im übrigen ist mir, von Ihrem Wortlaut zu beurteilen, nicht ganz klar, ob Sie Frau Käßmann tadeln oder in Schutz nehmen möchten. Allerdings haben Sie anderenorts so treffend festgestellt: “Gerade in der evangelischen Kirche gibt es einen unseligen Hang, zu den vermeintlich “brennenden Fragen” der Zeit Stellung nehmen zu wollen, immer im Bemühen, irgendwie aktuell zu wirken und so die Botschaft des HERRN für die Menschen “erlebbar” zu machen, wie es gerne heißt. Weil natürlich auch kein braves Pfarrerlein weiß, wie sich die großen Weltkonflikte lösen lassen, bleibt es bei Gemeinplätzen und Windbeuteln wie eben dem, daß Waffen keinen Frieden schaffen (ein übrigen auch empirisch mehrfach widerlegter Satz)“. Genau, basta, aus. Danke. Damit nehmen Sie mir das Wort aus dem Mund. Präziser ausgedrückt: Geschwätz der selbsternannten heutigen “Kirche“. Bevor sie offenbar so selbst-profilierend aber gedankenlos und locker sprechen, sollten die HeilsverkünderInnen der PC bedenken: solches Gerede gefährdet das Leben der im Einsatz befindlichen Truppen. Jeder selbsternannte irdische Heiland sollte die Tatsache beherzigen: der Mensch war nie, ist nicht Pazifist und wird nie zu einem solchen werden. Im übrigen wäre es vielleicht nicht schlecht wenn Frau Käßmann, und wie die alle sonst noch heißen, die (auch) für sie geltenden Leitlinien zurate zögen:
"...Ist Schaden entstanden, so sollst du geben Leben für Leben , Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß, Brandmal für Brandmal, Wunde für Wunde, Strieme für Strieme - Exodus 21:23-25

Mathäus 5:21 .... "Du sollst nicht töten; wer aber tötet, der soll des Gerichts schuldig sein." (Das Urteil kann also auch freisprechen).

8. Gebot: “Du sollst nicht falsch Zeugnis reden ...in dem die Rede über den Freund, Kollegen, Nachbarn, Verwandten diesen nicht beschädigen, verraten oder verleumdet soll.“ Unter diesen aufgeführten Menschen sind auch unsere, unser Leben und unsere Gesellschaft schützenden Soldaten.“
Grüße
Horatio Nelson

Gravatar: Schäffchen

Lesen sie doch bitte mal ebenso Kritisch Interviews und Reden des Papses! Da werden sie ebenfalls jede Menge Unglaublichkeiten finden...

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