Lehren aus dem Griechendrama

Im vielleicht letzten Akt des griechischen Schuldendramas zeigt jeder auf jeden, als ob es keine Regeln gäbe. In der Tat, an die Regeln des Euro halten sich die meisten Politiker schon lange nicht mehr.

Veröffentlicht:
von

Diese Regeln wären indirekt ein Exit-Procedere: Wer sich nicht an sie hält, steigt automatisch und stufenweise aus. Im Moment wären demnach nur noch wenige Staaten Vollmitglied des Euro, Griechenland aber längst draußen. Das ist zwar auch Interpretationsmaterie. Diese Lehre aber lässt sich aus dem Griechendrama bereits ziehen: Wenn es darauf ankommt, entscheiden die Regierungschefs und nicht die EU-Verträge. Besonders deutlich lässt sich das am ansonsten redseligen Europa-Parlament beobachten. Es schweigt und spielt im Griechendrama keine nennenswerte Rolle. So etwas nennt man Demokratiedefizit.

Das will keiner sagen und deshalb leben wir in der Woche der Schuldzuweisungen. Aber gerade der Fall Griechenland zeigt mit Wucht, wie sehr die Souveränität der Nationalstaaten und mancher Gremien (zum Beispiel im Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank, wo Malta oder Zypern das gleiche Stimmrecht haben wie Deutschland) das beherrschende Prinzip des Euro-Raums geblieben ist. Selbst die Regierung eines de facto bankrotten Staats wie Griechenland treibt die anderen Regierungen und auch die Europäische Zentralbank vor sich her, bis diese zu allerlei Zugeständnissen bereit sind und an die hundert Milliarden Nothilfe leisten – nur damit das System des Euro nicht erschüttert wird. Aber Griechenland ist zahlungsunfähig, die Illusion der Eurokraten zerschellt an der wirtschaftlichen Wirklichkeit. Das ist die zweite Lehre.

Diese Wirklichkeit hat die Regierung Tsipras erkannt. Sie will die Schulden nicht weiter zahlen, weil das Land das nicht kann. Sie will einen Schuldenschnitt. Das wollen die professionellen Europäer wie EZB-Chef Draghi oder Kommissionschef Juncker und die anderen Freunde internationaler Banken und Konzerne unbedingt vermeiden. Aber dieser Verzicht auf geliehenes Geld wird kommen. Die Regierung Tsipras wird schlicht nicht zahlen und die Schuld(en) den Europäern, vor allem den Deutschen in die Schuhe schieben. Die Drohung Athens, notfalls den Verbleib in der  Eurozone zu erklagen, treibt den erstrebten Verzicht nur in die Höhe. Ein weiteres Programm, bei dem das Geld wie bei den Vorgängerprogrammen nur zu den Gläubigern zurückfließt, hilft den Griechen nicht.

Man sollte jetzt ehrlich sein und anerkennen, daß man sich jahrelang in der Reformfähigkeit und vor allem der Reformwilligkeit der griechischen Politiker getäuscht oder komplizenhaft das Schuldentheater mit inszeniert hat. Ehrlich wäre sodann, auf einer großen Schuldenkonferenz über die Höhe des Verzichts zu verhandeln und den Austritt Athens aus dem Euro zu organisieren. So könnte man auch zur Vertragstreue zurückfinden. Alles andere ist weitere Insolvenzverschleppung und Fortsetzung der Illusionspolitik. 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Karin Weber

Diese Leute haben ein Minenfeld zusammengeschustert, in dem sie sich selbst nicht mehr vor- oder rückwärts bewegen können. Egal was sie tun, es geht alles nach hinten los.

Selbst wenn man diese "Währung" "rettet", der Vertrauensverlust ist ohnehin da und wird nur noch größer. Auch ein Drehen des Personalkarrussels wird nichts bringen. Das Misstrauen der Bürger wächst stetig.

Ein geordneter Ausstieg mit überschaubaren (gewaltigen) Folgen wäre die logische Folge. Nicht aber bei fanatischen deutschen Politikern. Man sehe sich nur Mimik & Gesten des Herrn Schäuble an.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang