Okay, dann lassen Sie mich mit einem leicht verständlichen Beispiel erklären, was «dumm» in Bezug auf Abstimmungsverhalten konkret bedeutet.
Letzten Sonntag, an diesem herrlichen Klimawandel-Messetag, traf ich auf dem Petersplatz zufällig einen bekannten Baselbieter Unternehmer, einen der dynamischen Sorte und deshalb auch im Ausland erfolgreich. Wir kennen uns schon seit Langem und er meinte, dass er meine Kolumne mit grossem Vergnügen lese. Nach ein paar weiteren Sätzen der gegenseitigen Wertschätzung kamen wir auf die Ecopop-Initiative zu sprechen. «Selbstverständlich bin ich gegen diese Initiative, die geht einfach zu weit», sagte der bekennende SVP-Anhänger. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:«Aber ich behalte mir im Moment noch vor, trotzdem Ja zu stimmen.» Weil man den Druck auf den Bundesrat aufrechterhalten müsse.
Das, geschätzte Leserschaft, ist nicht nur dummes, sondern saudummes Abstimmungsverhalten. Zum einen, weil der KMU-Betrieb dieses Unternehmers mit einigen Hundert Angestellten auf Gedeih und Verderb auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen ist. Es ist zum anderen deshalb saudumm,«weil unsere Bundesverfassung der falsche Ort ist, um Zeichen zu setzen», wie es Frau Sommaruga in der letzten «Arena» auf den Punkt brachte, was im Übrigen der einzig wirklich brauchbare Satz der Bundesrätin in dieser Sendung war. Und drittens: Wenn viele ein Zeichen setzen, haben wir den Mist.
Wie aber stimmt man intelligent ab? Das oberste Gebot für intelligentes Abstimmungsverhalten lautet: Lass dir deine Antwort auf dem Abstimmungszettel nicht von deinem hohlen Bauch diktieren. Beispielsweise indem man auch als Anhänger des linken Lagers Nein zur Pauschalbesteuerungs-Initiative sagt. (Die Frage braucht uns in den beiden Basel ja nicht mehr zu kümmern. Wenn es die im Wallis so wollen – who the f… cares?) Wer also intelligent abstimmt, stimmt hier taktisch ab wegen dieses einen Satzes der Pauschalsteuerkantone: «Wir lassen uns doch nicht unser wirtschaftliches Erfolgsmodell kaputt machen.» Recht haben sie.
Denn dieser Satz kann nach der Ecopop-Abstimmung – inzwischen rechnet ja ausser Herr Longchamp alles mit einem gesamtschweizerischen Ja der Zeichensetzer – zum wichtigen Schlüsselsatz für die Zukunft Basels werden: Auch wir lassen uns unser wirtschaftliches Erfolgsmodell, das wie in sonst kaum einem anderen Kanton von hochqualifizierten ausländischen Arbeitskräften abhängig ist, nicht kaputt machen.
Was darauf hinausläuft, dass Basel-Stadt – die Baselbieter Wirtschaft ist zu unbedeutend – mit diesem Argument die Umsetzung der Ecopop-Initiative und auch die MEI-Kontingentierung, sagen wir mal: schlitzohrig umschifft. Und wenns auf die Aussitztour nicht läuft, man dem Kampfruf der Punk-Bewegung folgt: legal, illegal, scheissegal.
Gegen anarchische Initiativen gibts nur ein Rezept: kantonaler Ungehorsam.
Wenn also Ständerätin Fetz kurz nach der MEI-Abstimmung völlig zu Recht darauf gepocht hat, dass Kantone mit Nein-Mehrheiten (BS 61 Prozent!) gegenüber den Befürworter-Kantonen quotenmässig bevorzugt behandelt werden müssen, dann ist das keine absurde Forderung, sondern lediglich das legitime Verteidigen des Basler Erfolgsmodells.
Wetten, dass die Walliser und Bündner ein Pauschalbesteuerungs-Ja irgendwie halt und mit langen Übergangsfristen ignorieren werden? So wie das Ergebnis der Zweitwohnungs-Initiative.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 5. November 2014.
Beitrag erschien auch auf: arlesheimreloaded.ch
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