Leckere Kassenbons

Eine neue Studie im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks macht mit dem Fund von Bisphenol A in Kassenbons Schlagzeilen. Doch man müsste sie schon essen um ein Risiko einzugehen.

Veröffentlicht:
von

„Hormone im Kassenbon“, so oder zumindest so ähnlich lautet die heutige Horrormeldung in einigen deutschen Tageszeitung zum Fund von Bisphenol A in Kassenbons einiger deutscher Discounter. Bis 1,5 Prozent eines Kassenbons soll nach einer vom Westdeutschen Rundfunk in Auftrag gegebenen Studie aus dieser schwach hormonartig wirkenden Substanz bestehen.

Ist das eine echte Gefahr oder eine weitere Ente, die das beginnende Sommerloch einläutet. Ohne selbst Chemiker zu sein, habe ich mir überlegt wie man dieser Sache auf den Grund gehen könnte. Also Papier und Bleistift ausgepackt und nachgerechnet: Nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung kann ein Mensch jeden Tag seines Lebens ohne Risiko eine Menge von 0,05 Milligramm pro Körpergewicht über den Verdauungstrakt aufnehmen. Das macht für einen 65 Kilogramm schweren Menschen 3,5 Milligramm Bisphenol A pro Tag aus.

Aber wieviel Bisphenol A dürfte in einem Kassenzettel sein? Vor mir liegt ein Bon der Größe 15×6 Zentimeter, der bei einer Papiermasse von rund 50 g/qm etwa ein Gewicht von einem halben Gramm aufweist. In ihm dürften also, geht man von den 1,5 Prozent der Pressemitteilung aus, etwa 7 Milligramm Bisphenol A enthalten sein.  Eine 65-kg-Person darf also pro Tag einen halben Kassenbon dieser Größe verputzen, will sie die empfohlene Tageshöchstdosis nicht überschreiten. Anders ausgedrückt darf sie täglich 46 Quadratzentimeter Kassenbon verspeisen, ohne ein gesundheitliches Risiko, zumindest hinsichtlich der Aufnahme von Bisphenol A einzugehen. Über die grundsätzliche Bekömmlichkeit von Kassenbons aus Thermopapier liegen mir keine Informationen vor.

Doch wer isst Kassenbon? Vermutlich werden Sie mehrmals täglich einen Kassenbon in die Hände nehmen und diese danach, so sie sich nicht die Hände regelmäßig waschen, mitsamt der Bisphenol A-Spuren zum Munde führen. Normalerweise fasst man einen Kassenzettel mit drei Fingern an und berührt dabei eine Fläche von rund drei Quadratzentimetern. Drei Quadratzentimeter Kassenbon wiegen etwa 0,015 Gramm, also sind in ihnen 0,23 Milligramm Bisphenol A enthalten. Wenn unsere 65-kg-Versuchsperson diese nicht nur berühren, sondern verspeisen würde, dann könnte sie sich täglich eine Dosis von 15 Dreiquadratzentimeterstücken des Kassenbons genehmigen bevor sie sich Gedanken über ihre Gesundheit machen müsste.

Aber wie gesagt, kaum jemand isst Kassenbons, also wird es ihm auch nicht gelingen eine in irgendeiner Weise Besorgnis erregende Menge der strittigen Substanzen allein über die Berührung von Kassenbons aufzunehmen. Es mag zwar Bisphenol A im Kassenbon enthalten sein, doch Grund zur Besorgnis besteht nicht, solange Sie sich an die üblichen Ernährungsgewohnheiten eines Menschen halten. Kassenbons gehören abgeheftet oder in den Papierkorb, aber nicht in den Magen.

Um das Ganze noch etwas in einen sinnvollen Kontext zu setzen, zitiere ich hier ein paar Zahlen aus einem Faktenblatt zur Sicherheit von Bisphenol A:

Um den TDI [Tolerable Daily Intake -  Vetretbare tägliche Aufnahmemenge] zu erreichen, müsste eine Person mit einem Körpergewicht von 60 kg ihr Leben lang jeden Tag alternativ folgende Nahrungs mengen zu sich nehmen: a) mindestens 600 kg Lebensmittel (10 Mal das eigene Körpergewicht); die in Kontakt mit Polycarbonat-Artikeln waren, oder b) den Inhalt von mindestens 120 Lebensmitteldosen mit einer Füllmenge von 500 g oder c) 600 Liter Wasser aus Polycarbonat-Vorratsbehältnissen.

Da kann man nur weiterhin „Guten Appetit!“ wünschen.

Dieser Beitrag erschien auch auf "Denken für die Freiheit", dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang