Landgrabbing in Ostdeutschland und Osteuropa

Landgrabbing oder besser Farmlandgrabbing ist mittlerweile weltweit ein Phänomen, das die Ernährungssouveränität von Staaten in Frage stellt. Der Prozess wird beschreibbar als ein „Zusammenraffen“ (engl. to grabb) von Land aus dem Eigentum oder der Verfügung vieler Personen in das Eigentum oder die Verfügung weniger und immer weniger Personen, von juristischen Personen oder sogar Staaten (Beispiel Chinas Grabbing- Aktivitäten in Afrika). Das Grabbing ist ein weit verbreitetes Phänomen auf der Südhalbkugel, hat aber auch in der Europäischen Union in Ostdeutschland und Osteuropa eine zunehmende Bedeutung.

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Landgrabbing gibt es dort, wo folgende Rahmenbedingungen verwirklicht sind: 1. Geringe Partizipation am politischen Leben 2. Eine wenig verlässliche Wirtschaftspolitik 3. Geringe Rechtssicherheit 4. Hohes Korruptionsniveau Punkte 1-4 können zusammengefasst werden im Fehlen zivilgesellschaftlicher Strukturen. Warum gibt es Landgrabbing in Ostdeutschland und Osteuropa aber nicht oder nur in geringem Ausmaß in West- und Mitteleuropa? Tatsächlich sind in Osteuropa nach 1990, nach der Auflösung des sozialistischen COMECON, meist die sozialistischen Agrarkader für die weitere Agrarentwicklung entscheidend gewesen. Diese haben auch über das Ackerland die Verfügung erlangt, das bis 1990 in den kollektivierten Einheiten bewirtschaftet wurde. Die bäuerliche Bevölkerung ging beim Aufbau kleiner und mittlerer Strukturen aufgrund des Ausschlusses von der Landverteilung weitgehend leer aus. In der Konsequenz gibt es auch nach 1990 eine starke Landkonzentration, also von Anfang an ein starkes Landgrabbing in Ostdeutschland und Osteuropa. Es sind die Regulierungen der Landverteilung nach 1990 durch korrupte, aus dem Sozialismus stammende Kaderstrukturen allerdings in Kooperation mit aus West- und Mitteleuropa invadierenden Profiteuren, die die unter Punkt 1-4 genannten Bedingungen für das Landgrabbing schaffen und den landwirtschaftlichen Ausverkauf an externe Investoren entscheidend fördern. Dies gilt in besonderem Maße für Ostdeutschland, wo nach einer Studie des bundeseigenen von Thünen Institutes in Braunschweig in einigen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs externe Investoren mittlerweile über mehr als 30 % der landwirtschaftlichen Flächen verfügen. Es ist also nicht so sehr neoliberale Deregulierung und Globalisierung, die zum ostdeutschen und osteuropäischen Landgrabbing führen, sondern eine strikte Regulierung der Bodenpolitik durch eine korrupte Gruppe von Agrarkadern in ihrem eigenen Interesse, die letztlich die zivilgesellschaftlichen Strukturen auf dem Lande aushebeln. Dies erfolgt in Ostdeutschland unter aktiver Hilfe der EU- Kommission seit 25 Jahren, in Osteuropa helfen EU- Institutionen seit mehr als 10 Jahren beim Landgrabbing. Vor einigen Jahren haben zwei Wissenschaftler für die Europäische Behörde EUROSTAT einen Bericht über landwirtschaftliche Großbetriebsstrukturen in der EU angefertigt (Martins und Tossdorf, 2011). Den im Bericht zentralen Befund osteuropäischer Großbetriebsstrukturen erklären die Autoren lapidar damit, daß in Osteuropa die Großbetriebsstrukturen aus dem Sozialismus ererbt (inherited) wären (Martins und Tossdorf, 2011). Ererbt ist daran jedoch nichts, die beiden Autoren zeigen damit nur, auch beispielshaft für die EU- Verwaltung, daß sie nicht gewillt sind, die korrupten Strukturen, die zu den landwirtschaftlichen Großbetrieben geführt haben zu untersuchen. Vor kurzem hat eine niederländische Arbeitsgruppe einen Bericht zum Landgrabbing in der EU für das EU- Parlament angefertigt (Kay et al., 2015). Auch in dieser Arbeit wird betont, daß Landgrabbing in Osteuropa und Ostdeutschland, aber nicht in West- und Mitteleuropa vorkommt. Und auch hier klammern die Autoren die Frage nach der Rolle der Agrargeschichte auf das Landgrabbing in Osteuropa und Ostdeutschland vollständig aus. Die Bauern wurden wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe in den sozialistischen Staaten sowjetischer Prägung verfolgt. Wer deren Geschichte nicht aufarbeiten will, wird das osteuropäische Landgrabbing nicht verstehen. Literatur: Kay, S., J. Peuch und J. Franco (2015): Extent of Farmland Grabbing in the EU. European Union, Brüssel. Marins, C. und G. Tossdorf (2011): Large farms in Europe. EUROSTAT, Statistics in Focus, 18/2011.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: John Frederick

"to grabb" ist nicht korrekt.
"to grab" wäre richtig.

Gravatar: H.Roth

Danke! Das ist ein heißes Eisen, das mit viel mehr Aufmerksamkeit gewürdigt werden müßte. Es zeigt nämlich, dass die EU (in Absprache mit der transatlantischen Großmacht) in Osteuropa nichts anderes ist als ein Korruptionshelfer. Die Subventionen sind zum großen Teil als Bestechungsgelder an korrupte Politiker und Bürgermeister geflossen, und zwar ganz bewußt. Mit dem Ziel, diese Staaten daran zu hindern, Souveränität zu erlangen, und für die Ernährung der eigenen Bürger auf eben diese beiden Großmächte angewiesen zu sein.
Ungarn hat sich dagegen gewehrt. Die Polen auch. Aber Rumänien, das die Punkte 1-4 geradezu vorbildlich erfüllte, ist nach 26 Jahren nicht mehr als ein ausverkaufter Vasallenstaat, der keine Chance auf Souveränität mehr hat. Es ist kein Wunder, dass dort jetzt erst gegen die Korruption vorgegangen wird, nachdem die Beute schon verteilt ist!

Das wirft doch einmal ein anderes Licht auf die "Geberländer" und "Nehmerländer" in der EU!

Gravatar: F. Blücher

Die meisten Neugründungen bäuerlicher Betribe in Ostdeutschland erfolgten zum Beginn der 90-ger Jahre nach der Wende. Gleichzeitig erfolgte ebenfalls die Vermögensauseinandersetzung der damaligen Mitglieder der DDR-Genossenschaften mit ihren Genossenschaften bei gleichzeitiger Umwandlung dieser in eine Form nach dem Genossenschaftsgesetz oder dem GmbH-Gesetz. Diese Vorgänge erfolgten mit den damals vorhandenen rechtsstaatlichen Handwerkzeugen so gut es möglich war. Dieses als Landgrabbing zu bezeichnen, ist nicht zutreffend. Schon mehr Gedanken muss man sich über die Rolle der BVVG (eine Institution des Bundesfinanzministeriums) machen bei der Preistreiberei hinsichtlich ihrer umfangreichen Landverkäufe, die sich die neu gegründeten ostdeutschen bäuerlichen Betriebe oft nicht leisten konnten. Echtes Landgrabbing gab und gibt es jedoch durch die verschiedensten Umweltorganisationen und -Stiftungen. Zum Beispiel wurde der größte Teil des ehemaligen Grenzgebietes zum Naturschutzgebiet, noch bevor die zu Zeiten der DDR enteigneten Grundeigentümer irgendeine Möglichkeit der demokratischen Mitentscheidung hatten. Die landwirtschaftliche Fläche in Ostdeutschland ist in hohem Maße von Schutzgebieten überzogen. Mein eigenes (verpachtetes) Land liegt gleichzeitig im Landschaftsschutzgebiet, Biosphärenresevat, FFH-Gebiet und EU-Vogelschutzgebiet. Auch ein Naturschutzgebiet war schon im Gespräch. Da kann man keinen bäuerlichen Betrieb gründen. Jede Investition ist unmöglich. Nicht einmal einen Zaun darf man bauen.

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