Landgrabbing in Ostdeutschland! Oder wie dieses wichtige Thema verzerrt wird.

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Weltweit ist Landgrabbing, der Ausverkauf landwirtschaftlicher Flächen an externe Investoren,  ein zu Recht intensiv diskutiertes Thema.

Dort, wo die Rechte einheimischer Bauern zur Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen nicht gesichert sind, verpachten oder verkaufen korrupte Personen oder Regierungen die landwirtschaftlichen Flächen an externe Investoren oder sogar fremde Staaten. Einheimische Bauern, die die Flächen oft über viele Generationen bewirtschaftet haben, werden verdrängt und geraten beispielsweise in Afrika oder Lateinamerika in eine Armutsspirale. Und es ist verständlich, dass Entwicklungshilfeorganisationen dies kritisieren und dagegen arbeiten.

Nun ist Landgrabbing nicht allein ein Problem der „3. Welt“, osteuropäische Staaten sind betroffen und schon seit längerem das Gebiet der ehemaligen DDR- Ostdeutschland. Hier findet der Ausverkauf mittlerweile in einem Ausmaß statt, das Ländern der 3. Welt vergleichbar ist.

Wie konnte es soweit kommen?

Externe Investoren sind an großen Betrieben und zusammenhängenden landwirtschaftlichen Flächen interessiert. Und die befinden sich in Ostdeutschland, nicht im Westen. In Mecklenburg-Vorpommern verfügen 341 Betriebe über 1000 ha über mehr als 40% der dortigen Landwirtschaftsfläche. In Niedersachsen gibt es insgesamt 16, in Nordrhein-Westfalen 4 Betriebe über 1000 ha, deren Anteil an der dortigen Landwirtschaftsfläche marginal ist. In Ostdeutschland existiert heute eine Großbetriebslandwirtschaft, die die ostelbischen Güterwirtschaften von vor 1945 um ein Mehrfaches übertrifft. Diese Großbetriebe aber sind das Ergebnis der staatlichen Bodenpolitik nach 1990; die öffentliche Hand besaß zur Wende um 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (BVVG und Landesflächen). Diese haben die ostdeutschen Landesregierungen zur Erzeugung einer Großbetriebsstruktur genutzt. Und dort, wo die BVVG der größte Landeigentümer war, ist heute der Ausverkauf schon am weitesten fortgeschritten. Das ostdeutsche Landgrabbing, der ostdeutsche Ausverkauf der Landwirtschaft ist direkte Folge der ostdeutschen Agrarstrukturpolitik. Indem die ostdeutschen Landwirtschaftsminister und Ministerpräsidenten (Agrarpolitik ist in Ostdeutschland auch immer Sache der Ministerpräsidenten) nach der Wende alles getan haben, um eine breite Eigentumsstreuung beispielsweise an bäuerliche Betriebe erfolgreich zu verhindern (s. dazu schon 2008 Gerke, Nehmt und euch wird gegeben. Das ostdeutsche Agrarkartell, Kap. IV. Hamm), haben sie die Vorraussetzung für den Einstieg externer Investoren geschaffen. Aber auch im weiteren Verlauf der letzten 20 Jahre hätten, falls es dafür einen politischen Willen gegeben hätte, bei der Übernahme von Großbetrieben durch externe Investoren die BVVG- Pachtverträge für diese Betriebe gekündigt werden können, und für einheimische Betriebe ausgeschrieben werden können. Dies ist nie erfolgt. Nur so war es möglich, dass die Aktiengesellschaft KTG Agrar mittlerweile über 30.000 ha in Ostdeutschland meist aufgrund von Übernahmen maroder  LPG- Nachfolger bewirtschaftet.

Die ostdeutsche Bodenpolitik ist Grund für den Ausverkauf der Landwirtschaft in Ostdeutschland.

Da ist es schlichtweg aberwitzig, dass in einem Beitrag der Frankfurter Rundschau vom 17.7. 2013 (Frankfurter Rundschau, S. Börnecke, Land- Grabbing- Spekulanten verteuern Agrarflächen) das ostdeutsche Landgrabbing als vergleichbar zu Prozessen in Nordwestdeutschland eingeschätzt wird. Dazu passt, dass in diesem Beitrag die Frage nach den BVVG- Flächen vollständig fehlt.

In einem Beitrag des Tagesspiegel vom 11.8. 2013 (H. Schumann, Kaufen Spekulanten den Osten auf) wird der Ausverkauf differenzierter dargestellt. Schumann geht auf BVVG und die Pfründe der DDR-Agrarkader ein, die die BVVG- Flächen fast zum Nulltarif erworben haben und nun teuer, vom Steuerzahler subventioniert verkaufen können. Aber der Tagesspiegel stellt den ostdeutschen Ausverkauf als eine Art kapitalistischer Fehlentwicklung dar. Das Gegenteil ist der Fall. Dort, wo die öffentliche Hand über einen besonders hohen Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche nach der Wende verfügte, also dort wo Markt fehlt und allein der Staat agiert, ist der Ausverkauf an externe Investoren besonders stark, zum Beispiel in der Uckermark in Brandenburg oder in Regionen Vorpommerns. In Westdeutschland, mit einer bis heute breiten Eigentumsstreuung in der Landwirtschaft gibt es solche Prozesse, trotz Fehlentwicklungen auch dort, in diesem Ausmaß nicht. Gerade der große Anteil an staatlichem Eigentum an Boden im Osten nach der Wende ist Vorrausetzung für das „Landgrabbing“. Es ist deswegen auch nur absurd, dass Schumann die Klage des Landwirtschaftsministers von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD) nachbetet, mit dessen Worten: „Grund und Boden dürfen nicht zum Spielball der Spekulanten werden“. Minister Backhaus hat in seiner Amtszeit seit 1998 alles getan, um die breite Eigentumsstreuung in der Landwirtschaft zu verhindern und Grund und Boden zum Spielball der Investoren oder wie er es nennt Spekulanten zu machen. Aber Backhaus (SPD) ist wie sein CDU- Kollege aus Sachsen Anhalt, Aiken, der ebenso gegen den Ausverkauf polemisiert, aber seit vielen Jahren erst als Staatssekretär, dann als Minister alles tut, diesen zu forcieren, gut vernetzt. Nicht zuletzt vernetzt in Nichtregierungsorganisationen (NGO). Einige dieser Organisationen kritisieren seit Jahren das Landgrabbing- vor allem in der dritten Welt. Mittlerweile kommen auch diese nicht mehr an der Tatsache vorbei, dass in Ostdeutschland ähnliche Prozesse ablaufen.

Eines der schäbigsten Beispiele dafür, wie sich Entwicklungshilfeorganisationen in den Dienst des ostdeutschen Agrarkartells stellen lassen, hat „Brot für die Welt“, Entwicklungshilfeorganisation der evangelischen Kirche in Mecklenburg-Vorpommern geliefert. Diese Organisation startete im Herbst 2012 eine Spendenaktion, um Aktivitäten gegen das Landgrabbing in Lateinamerika zu unterstützen. Diese Spendenaktion wurde ausgerechnet in einem Gottesdienst im Beisein von Landwirtschaftsminister Backhaus eröffnet, der in einmaliger Weise die „Latifundisierung“ der Landwirtschaft in seinem Bundesland seit 1998 voran gebracht hat. In dem Gottesdienst beklagte der Minister das Landgrabbing, als Kampf gegen die Bauern  in Lateinamerika (Presseerklärung 250/2012 Landwirtschaftsministerium Mecklenburg-Vorpommern), aber hat durch seine Politik die bäuerliche Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern an den Rand gedrängt. Brot für die Welt hat diesem Minister für diese Heuchelei ein Podium geboten. Aber Reden und Taten der evangelischen Kirche in Ostdeutschland zeigen, dass diese die Latifundisierung in Lateinamerika bekämpft, in Ostdeutschland unterstützt. Eine Umfrage unter Pächtern von Kirchenflächen der evangelischen Landeskirche von Mecklenburg vor ein paar Jahren zeigte, dass der durchschnittliche Pachtbetrieb von Kirchenland 840 ha groß ist. In Thüringen haben Bauern aus Protest gegen die Verpachtungspraxis von Kirchenland der evangelischen Kirche 10 Thesen an die Erfurter Michaeliskirche geschlagen. In Ostdeutschland ist die evangelische Kirche bis heute noch immer sehr nah bei den DDR- Agrarkadern.

Wenn es noch eines Beweises für den agrarpolitisch gesteuerten Ausverkauf in Ostdeutschland bedürfte, so sei auf Folgendes hingewiesen. Der verbilligte Verkauf von BVVG- Flächen fast zum Nulltarif vor allem Großbetriebe in den Jahren 2000- 2009 bedeutete für den Käufer eine Weiterbewirtschaftungsverpflichtung von 20 Jahren ab Kauf. Der damalige Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV) Sonnleitner, der auch die ostdeutsche Agrargroßbetriebslobby vertritt, drang 2007 darauf, diese Verpflichtung von 20 auf 15 Jahre zu reduzieren. Diese Forderung setzte der damalige Bundeslandwirtschaftsminister sofort um. Der DBV- Generalsekretär, Born, forderte sogar Ende 2010 die Reduktion der Bewirtschaftungsverpflichtung auf 10 Jahre. Eine langfristige Bewirtschaftungsverpflichtung ist ein großes Hindernis für den Verkauf an externe Investoren. Die Tatsache, dass kein ostdeutscher Agrarminister sich dem widersetzt hat, zeigt, dass diese den Ausverkauf wollen. Die Begründung dafür könnte darin liegen, dass den ehemaligen DDR- Agrarkadern der Verkauf der Betriebe einen hohen Geldregen bringen soll. Dies kann erklären, warum die Partei „Die Linke“ hier so still ist. Es sind vor allem ihre ehemaligen Kader, die mit einem Geldregen bedacht werden.  

Solange sich Nichtregierungsorganisationen nicht oder in der Weise wie die evangelische Kirche um den Ausverkauf der Landwirtschaft in Ostdeutschland sorgen und solange das Thema so wenig kompetent wie im zitierten Beitrag des Tagesspiegel und besonders im zitierten Beitrag der Frankfurter Rundschau dargestellt wird, wird der Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft weitergehen.

Der Autor hat vor fast drei Jahren schon dazu seine Argumente auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zusammengetragen (Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft oder wer lockt die Investoren?). An der Aktualität der damaligen Erkenntnis gibt es für ihn  auch heute keinen Grund zu zweifeln.

Rukieten, 11. 8. 2013

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