Manche Dinge gehen mit Ansage schief … und man weiß schon im Vorfeld, dass die Schuldzuweisungen wieder in eine ganz falsche Richtung gehen werden. Das katholische Hilfswerk „Misereor“ berichtet aktuell über eine Aktion der G7-Staaten, und wie diese gerade im Begriff ist, vor die Wand zu fahren. Die Rede ist von der „Neuen Allianz für Ernährungssicherheit für Afrika“, die im südlichen Tansania, einem der ärmsten Länder der Welt, den landwirtschaftlichen Wachstumskorridor „Southern Agricultural Growth Corridor of Tanzania“ (SAGCOT) unterstützt. Ziel dessen ist es, in dem Gebiet mit Hilfe ausländischer Investoren eine „moderne“ Landwirtschaft“ zu schaffen und auf dem Weg rund 2 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien. Beteiligt an diesem Programm sind auch, wie Misereor berichtet, einige der weltweit größten Agrarkonzerne, darunter Cargill oder Monsanto.
Misereor hat zu dem Programm eine Studie unter dem Titel „A Right to Food Perspective – Impacts of large-scale agricultural investments on small-scale farmers in the Southern Highlands of Tanzania“ erstellt. Mit Blick auf ein postuliertes Recht auf Nahrung wurde untersucht, wie sich die Einrichtung von SAGCOT auf kleinbäuerliche Betriebe auswirkt. Und wenn Sie jetzt denken „Na wie schon …!“, dann haben Sie natürlich Recht. Solche kleinen Bauernhöfe haben gegen die Investitionskraft von Agrarkonzernen keine Chance. Die Produktionskraft solch kleiner Betriebe reicht dann im Zweifel gerade noch zur Selbstversorgung, aber auch die ist durch den Verkauf von Land an SAGCOT-Unternehmen und den dadurch mitunter bedingten erschwerten Zugang zu Wasser nicht mehr gesichert.
Für diese Übernahme von Land gibt es auch schon eine Wortschöpfung, die direkt deutlich zu machen versucht, wo hier Täter und Opfer zu finden sind: „Landgrabbing“! Damit wird der Verkauf von Land an finanzstarke Investoren beschrieben; Land, auf dem bis dahin Produkte für die eigene Bevölkerung, in der Regel eher lokal organisiert, angebaut wurde. Investoren dagegen haben wenig Interesse daran, ein afrikanisches Dorf mit Nahrungsmitteln zu versorgen; Gewinne lassen sich in dieser Weise kaum in relevanter Größenordnung realisieren, wie sie den Investitionen in moderne landwirtschaftliche Methoden entsprechen. Sie produzieren für den Export, möglichst günstig, und Produkte, die sie für international marktgängig halten. Die Methoden dieser „Landübernahme“ werden in den meisten Medien als zumindest moralisch „zweifelhaft“ angeprangert, und das sind sie auch: Eine Regierung verkauft über die Köpfe der Bevölkerung hinweg oder lässt die wenig gebildete Landbevölkerung im Unklaren über die Konsequenzen eines Verkaufs. Oder es werden Zusagen über die Investitionen in die ländliche Infrastruktur gemacht, die dann nicht eingehalten werden. Dass dabei auch Korruption von der Regierung bis zur Leitung der Dörfer eine Rolle spielt, wundert wohl niemanden.
Im Prinzip muss man daher an der Zusammenfassung der Analyse von Misereor keinen Zweifel haben:
Im Rahmen der Studie wird anhand der beispielhaften Betrachtung von vier Dörfern aufgezeigt, wie der Mangel an Kontrolle über die Erzeugung und den Verkauf sowie den Zugang zu Nahrungsmitteln die Verletzung des Rechts auf Nahrung möglich macht. So bedingen die Landkäufe nicht nur den Verlust von Ackerland und Weideflächen, sie erschweren auch den Zugang zu Wasserquellen oder Waldzonen für das Sammeln von Nahrung und Naturheilmitteln. Zudem führen sie zur Abdrängung der kleinbäuerlichen Bevölkerung in die Lohnarbeit. Hierbei sind vor allem geringe Löhne, fehlende Arbeitsverträge und die Bedingungen für die Arbeiter auf den Plantagen problematisch. Indem die Menschen somit von beiden Versorgungswegen für die Sicherung ihrer Nahrungsgrundlage abgeschnitten werden, geraten sie in eine prekäre Versorgungslage, weil ihre Möglichkeiten, sich durch eigenen Anbau oder Zukauf mit Lebensmitteln zu versorgen, stark beschnitten werden.
Interessanterweise stehen in der Berichterstattung über diesen Effekt aber lediglich die Privatinvestoren im Fokus. Monsanto und Co. haben medial generell einen denkbar schlechten Ruf, da ist es leicht, ihnen auch die Schuld für diese neu entstehende Misere in die Schuhe zu schieben.
Dabei sollte doch die Frage eine andere sein: Entsprechenden Berichten zufolge ist Tansania mit wirklich fruchtbarem Boden gesegnet – wozu benötigt man da eine internationale Investorengruppe, die sich ausgerechnet der Landwirtschaft annimmt? Was ist in Tansania alles schief gelaufen, dass sich die Landbevölkerung nicht selbst helfen kann, das man dort nicht selbst eine ausreichende Infrastruktur sicherstellen kann, die die Versorgung der Bevölkerung sichert? Tansania wird seit Jahr und Tag von einer sozialistischen ehemaligen Einheitspartei regiert: Könnte es sein, dass eine verfehlte zentralistische Politik an den vorzufindenen Umständen nicht ganz unschuldig ist? Und wäre es da nicht nachvollziehbar, dass man mit international koordinierten und korporatistischen Aktionen die Situation nur verschlimmert?
Die oben beschriebenen Konsequenzen im voraus zu ahnen bedarf jedenfalls keines Nobelpreises in Volkswirtschaftslehre oder besonderer Kenntnisse der Agrawirtschaft. Sie erscheinen fast zwingend, und man fasst sich an den Kopf, dass irgend jemand tatsächlich glaubt, mit Projekten wie SAGCOT die Armut in der Region lindern und die Nahrungsmittelversorgung sicherstellen zu können. Investoren wie Monsanto arbeiten innerhalb der sich ihnen bietenden Rahmenbedingungen; das kann man kritisieren und für unmoralisch halten. Wenn es einen überrascht, sollte man allerdings eher an der eigenen Intelligenz als an der Gemeinwohlorientierung der Unternehmen zweifeln. Anzunehmen ist aber eher, dass eine ganze Horde korrupter Politiker nicht schlecht an dem Projekt verdient.
Die Berichterstaatung von Misereor endet mit den Worten:
Wollen großflächige Agrarinvestitionen wie auch SAGCOT von Ansatz her das Recht auf Nahrung unterstützen, müssen sie daher einen völlig anderen Ausgangspunkt haben. Sie müssen sich an der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen der Kleinbäuerinnen und -bauern orientieren, die sie vorgeblich unterstützen wollen.
Das mag sein, das bedeutet aber auch den mittelfristigen Ausstieg internationaler Investoren, das bedeutet auch, dass man damit als nationaler und lokaler Politiker keinen Blumentopf wird gewinnen können, das bedeutet letztlich, dass man die kleinbäuerlichen Betriebe nicht mit Realinvestitionen sondern nur mit Know-how unterstützen kann und ihnen ansonsten die Freiheit lässt, so zu produzieren, wie sie es wollen. Das Problem der Bauern in Tansania sind nicht die Großunternehmen, ihr Problem sind mit einem Machbarkeitswahn infizierte Politiker, die ihren eigenen Vorteil suchen. Ihr Problem ist nicht die Marktwirtschaft, ihr Problem ist der Staat! Das Grausame daran ist, dass es dabei am Ende um Leben und Tod geht, und die Schuldigen ihre Hände in Unschuld waschen werden.
Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de
Kommentare zum Artikel
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Der Artikel macht sehr nachdenklich.
Von Bekannten, die lange Reisen nach Zentralafrika und in die südliche Sahelzone gemacht haben, hörte ich, dass nicht nur amerikanische Konzerne, die man bequem und gefahrlos beschimpfen kann, in dieser Weltgegend Landnahme betreiben, sondern dass vor allem Rotchina ganz im Muster eines Kolonialherren im großen Umfang fruchtbares Land und Gegenden mit Bodenschätzen erwirbt – womit und auf welchen Wegen auch immer. Stimmt das? Wenn ja: Hat das mit der Landnahme einhergehende Bauernlegen eine Verdrängung/Vertreibung der jungen männlichen Einwohner zur Folge? Wohin wenden diese sich? Nach Südafrika und Europa?
Oder gibt es da keinen Zusammenhang? Wer kann dazu etwas Fundiertes sagen?
Landgrabbing basiert auf ungeklärtem Landeigentum, oder staatlichen Landeigentum, korumpierten Verwaltungen und Politik. Deswegen gibt es Landgrabbing in Osteuropa und in der 3. Welt. Dort, wo es eine breite, private Eigentumsstreuung an Land in bäuerlicher Hand gibt, gibt es kein Landgrabbing.
Zu der großen Rolle, die eine bäuerliche, selbstverantwortliche Landwirtschaft für die Ernährungssicherheit auch in der 3. Welt hat, hat die FAO vor ca. 7 Jahren einen großen Bericht verfasst.