Kulturelle Kollektivierung

Haben wir eine Kultur oder hat sie uns? Diese Frage kommt einem in den Kopf, wenn man die Klage des Bundesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Karl-Josef Laumann (CDU) über die Zunahme der Sonn- und Feiertagsarbeit vernimmt.

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Haben wir eine Kultur oder hat sie uns? Diese Frage kommt einem in den Kopf, wenn man die Klage des Bundesvorsitzenden der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) Karl-Josef Laumann (CDU) über die Zunahme der Sonn- und Feiertagsarbeit vernimmt. Seine Mahnung, der arbeitsfreie Sonntag gehöre zu unserer christlichen Kultur, mag zwar von der Sorge getrieben sein, dass den Menschen die Zeit für Freizeit und Familie abhanden kommen könne, lässt aber daran zweifeln, ob es tatsächlich die Sorge um die einzelnen Menschen ist oder es sich eher um eine Form von Kulturimperialismus handelt, der um seiner selbst willen an einer tradierten Lebens- und Arbeitsgestaltung festhält. Eine Kultur ist in einer freiheitlichen Gesellschaft kein Diktat, dem sich jeder einzelne zu unterwerfen hat, sondern nichts anderes als das, was die Menschen in der sich ändernden Gesellschaft gestaltend hervorbringen. Also auch neue Formen der Arbeitsorganisation, eben auch die Gestaltung der Arbeitszeit, werden mit der Zeit zur Kultur. Jeder Mensch gestaltet sie mit, er kann sich, muss sich ihr aber nicht zwingend in ihrer Gänze anpassen, vor allem dann nicht, wenn sie sich aus einer Religion speist, die er selbst nicht teilt. In einem säkularen Staat sind Rückgriffe auf einen religiösen Kulturbegriff als Begründung politischer Ziele ohnehin problematisch. Viele Menschen schaffen sich durch Sonn- und Feiertagsarbeit gerade die zeitlichen oder finanziellen Freiräume, die sie sonst nicht haben. Unsere heutige Arbeitswelt und der technische Fortschritt, vor allem in den Bereich der Kommunikation und des Transports,  machen es den Menschen viel leichter private und berufliche Interessen unter einen Hut zu bekommen. Oftmals ist es gerade das Festhalten an starren Zeitstrukturen, das den Menschen die Verbindung von Arbeit, Familie und Freizeit erschwert. Ein Festhalten an überkommen kulturellen Werten wie einer starren Arbeitswoche macht die Angst vor zu wenig “Familie, Glaube und Vereinsleben” sehr schnell zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.

 

Beitrag erschien zuerst auf liberalesinstitut.wordpress.com

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