Krim: Nicht das Ergebnis macht Sorgen

Dass viele Krim-Bürger für einen Anschluss an Russland gestimmt haben, wäre unter normalen Umständen ok und in Ordnung. So aber ist alles, was dort passiert, eine echte Katastrophe. Fast alles.

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Aus vielen Gründen dominieren die Katastrophensignale:

     

  • Weil auf der Krim eine „Abstimmung“ stattgefunden hat, die mehr an Hitlers „Abstimmung“ 1938 in Österreich erinnert, als an echte Wahlen in Demokratien: Auf der Krim gab es offene Stimmabgaben, manipulativ gestaltete Stimmzettel, keine Auftrittsmöglichkeit für Gruppen mit anderer Meinung als der herrschenden, und Medien gab es für die Gegner Russlands schon gar keine.
  • Weil es eine Abstimmung unter den Gewehren russischer Besetzer war, was die Vorgänge zur Invasion machten, und ohne dass es auf der Krim zu Menschenrechtsverletzungen gekommen wäre, geschweige denn großflächigen wie einst im Kosovo.
  • Weil 95-prozentige Wahlergebnisse jeden unabhängigen Beobachter skeptisch machen müssen.
  • Weil Russland den Vertrag von 1994 bei der Rückgabe der in der Ukraine stationierten Atomwaffen brutal bricht, in dem es damals die Unverletzlichkeit der ukrainischen Grenzen garantiert hatte, was an den eiskalten Bruch der völkerrechtlichen Neutralität Belgiens in beiden Weltkriegen durch Deutschland erinnert.
  • Weil es im Westen zu einem erschreckenden Schulterschluss zwischen Links- und Rechtsaußen in der Unterstützung Moskaus kommt, der in der Mitte wie immer von kurzsichtigen wirtschaftlichen Interessen begleitet worden ist ( Diese erinnern an den Lenin-Spruch: Sie werden uns noch den Strick verkaufen, an dem wir sie aufhängen).
  • Weil sich – etwa auch im Internet – ein absurder Antiamerikanismus breit macht, der selbst das rätselhafte Verschwinden eines malaysischen Flugzeugs sofort den USA in die Schuhe schiebt, ohne irgendeinen Beweis zu haben.
  • Weil in diesen Tagen mehr Regeln des west-östlichen Zusammenlebens kaputt gehen, als seit Jahrzehnten aufgebaut worden sind (wer den russischen Einmarsch auf der Krim – und vielleicht jetzt auch in der Ostukraine – mit dem Besuch westlicher Außenminister in Kiew auf eine Stufe stellt, entzieht sich selber jeder rationalen Diskussion).
  • Weil wie vor 100 Jahren plötzlich Divisionen aufmarschieren, die dann eigentlich ungewollt einen 30-jährigen Krieg entfacht haben.
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Was macht dennoch vorsichtig optimistisch?

     

  • Das ist die kluge Führung in Deutschland, der sich lediglich die dortige exkommunistische „Linke“ entgegensetzt, die von Frankreich bis Polen derzeit alle großen Europäer zusammenschweißt, die energische Worte und Sanktionen gegen Russland formuliert, aber alle Kriegsängste dämpft.
  • Das ist der Umstand, dass selbst China die russischen Aktionen direkt verurteilt.
  • Das ist der Umstand, dass sich Russland wirtschaftlich viel weniger als der Westen eine langdauernde Eiszeit leisten kann, was auch bald die nationalistische Begeisterung der russischen Bürger für den Putin-Kurs erschlaffen lassen wird.
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Weiterlesen auf: andreas-unterberger.at

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bernhard Bannasch

Lieber Herr Dr. Unterberger,

was derzeit im Machtkampf um die Ukraine passiert, erscheint mir als katastrophales Versagen der EU-Erweiterungspolitik. Halten wir fest: Zunächst war es die EU, die das seit Oktober 2011 (!) ausgehandelte Assoziierungsabkommen wegen der inhaftierten Gasprinzessin nicht unterzeichnen wollte http://de.wikipedia.org/wiki/Ukraine_und_die_Europ%C3%A4ische_Union#Assoziierungsabkommen. Aus EU-Sicht wurde der Abschluss des Abkommens, von dem in erster Linie die deutsche und österreichische und vielleicht auch die niederländische Wirtschaft profitieren würden (Liegt eine solche Annäherung der Ukraine an die EU wirklich im Interesse der Franzosen und Briten? :-) Wohl kaum) dann jedoch dringlich, als man merkte, dass die (korrupte und unfähige) Janukowitsch-Regierung Timoschenko partout nicht freilassen wollte. Das war zugleich aus Sicht der Rußländischen Föderation der Ernstfall, in dem sie ggü. der ukrainischen Regierung intervenierte und dieser wohl eindringlich darlegte, dass ihre nicht konkurrenzfähige Wirtschaft bei der ausgehandelten Niederlegung von Zollschranken etc. - dem zentralen Bestandteil des Assoziierungsakommens - mit wirtschaftlichen Anpassungskosten bis zu 160 Mrd. €, mithin ihrem völligen Ruin, zu rechnen hätte; andererseits aber mit Vergünstigungen beim Gaskauf etc. Janukowitsch verweigerte daraufhin den Abschluss des Assoziierungsabkommens. Dem Steuerzahler in der EU wären hingegen die sozialen Folgekosten einer desolaten Ukraine aufgebürdet worden. Daraufhin entfalteten die EU-Kommission und einige Mitgliedsstaaten und die USA ihre politischen Einflussmöglichkeiten und unterstützen die Majdan-Revolution, unter deren Aktivisten und nunmehrigen Regierungsmitgliedern sich rechtsradikale bis rechtsextremistische Kräfte wie "Swoboda" oder der "Rechte Sektor" befinden. Mit dieser demokratisch nicht legitimierten Regierung in Kiew schließt die EU nun den "politischen" Teil des Assoziierungsabkommens ab...

Was ich dabei irritierend finde, ist die wohl ausschließlich wirtschaftliche Betrachtungsweise der EU. Man will sich die 45 Mio. Konsumenten der Ukraine und die gewaltigen Bodenschätze einschließlich der Landwirtschaft, die über mit die besten Böden in Europa verfügt, erschließen. OK. Auswirkungen eines solchen Vorgehens auf das künftige strategische Gleichgewicht zwischen den USA, China, der EU und Rußland werden vernachlässigt. Ganz im Gegenteil: Ein neuer Konflikt mit Rußland birgt ja auch viele Geschäftschancen der (vor allem US-) Rüstungsindustrie. In der westlichen Propaganda wird dabei ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen (was nicht wirklich entscheidend für unsere - des Steuerzahlers - Interessen ist): Was im Hinblick auf den Kosovo unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker völlig legitimiert wurde - die Gründung eines Staates (Kosovo) auf dem Territorium eines anderen Staates (Serbien) gegen den Willen der Zentralmacht, das soll nunmehr im Falle der Krim Unrecht sein? Naja. Da mag sich jeder denken, was er will. Ich finde jedenfalls, dass am letzten Sonntag auf der Krim mehr direkte Demokratie praktiziert wurde als in der EU in den letzten 40 Jahren.

Gravatar: Perchtold

Unverständlich finde ich, dass sich diese Blogzeitung "Die Freie Welt" nennt und dann praktisch die selben unreflektierten Inhalte der gelenkten Mainstream-Presse schreibt - oder sollte dies eine Satire sein? Könnt man eigentlich glauben, wenn "kluge Führung in Deutschland" steht - sogar die eigenen Leser sind zu 91% gegen die Merkelsche Sanktionspolitik!
Übrigens ist Gregor Gysi brilliant: http://www.youtube.com/watch?v=ezEjykTJjVk

Gravatar: MAX

EU und USA haben es im KOSOVO vorgemacht , wie man einen
Landesteil abspaltet.
Nun keifen und geifern sie , wenn die Krim und Russland das gleiche machen.
Man kann den KRIM nur gratulieren !!!

Gravatar: FDominicus

Ich denke wir in der EU haben selber genügend andere Probleme. Und auch die USA haben m.E. ihren moralischen Anspruch verwirkt. Ich kann an der Ukrainer folgendes gar nicht gut finden. Die EU misst in ganz vielen Maßstäben, jeder Rechtsbruch der EU ist in Ordnung aber wehe andere machen es der EU nach, dann ist das Geschrei groß.

Lebe ich im Süden der Ukrainer wüßte ich mir was ich mir für meinen Teil der Ukraine wünschte. Nämlich Rußland und die EU zur Hölle und eine neutrale Ukraine mit einem echten Geld und so wenig Staat wie mögliche. Aber nein die einen wollen zur EU, ist auch egal was dort an Schulden mit rüberkommt. Die Ukraine ist Pleite, aber das kann ja die EU nicht hindern diese auch noch zu schlucken. Die Anderen zu Rußland, das in seiner schlechtesten Zeit Völkermord und Völkerwanderungen erzwang wie selten ein anderes Land.

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