Krickel-Krackel - schreiben wie Hühner im Sand

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Die Rechtschreib- und Grammatikleistungen der Grundschüler haben sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Soweit das Ergebnis einer aktuellen Längsschnittstudie, durchgeführt vom Siegener Germanistikprofessor Wolfgang Steinig. Der Bayerische Philologenverband fordert nun einen besseren Deutschunterricht in der Grundschule. Freies Schreiben solle nur noch in Verbindung mit stringentem Rechtschreibunterricht praktiziert werden. Also Schluß mit lustig? Jetzt einmal ehrlich: macht das Herumkritzeln mit geballter Schreibpfote den Erstklaßkindern wirklich solchen Spaß, wie stets behauptet wird? Was beim Verschriften mit Anlauttabellen herauskommt, sieht doch irgendwie recht kläglich aus. Glauben wir etwa, dass Kinder das nicht selbst bemerken?

Schrift ist nicht zum Schreiben, sondern zum Lesen da. Bei oberflächlichem Lesen mag dieser Satz paradox klingen, doch wer darüber nachdenkt, dem wird es wie Schuppen von den Augen fallen. Schrift, die nur mühsam oder gar nicht gelesen werden kann, welchen Nutzen sollte die haben? Keinen. Na also. Sie ist unbrauchbar wie ein Regenschirm ohne Dach oder Schuhe ohne Sohlen. Schule, sofern sie nicht imstande ist, den nachfolgenden Generationen das tradierte und genormte Schreibweisen zu vermitteln, hat ihre Legitimation eingebüßt - als Institution sinkt sie herab zur Bertreuungs- und Unterhaltungsanstalt.

Gedankenaustausch über Raum und Zeit hinweg

Der soziale Charakter der Schrift dient dem mittelbaren Gedankenaustausch über Raum und Zeit hinweg. Wer die Briefe seines seligen Großvaters lesen möchte, kann ihn nicht zu unleserlichen Wörtern befragen. Wenn Lehrer mit unendlicher Geduld die Hieroglyphen ihrer Schreibschüler zu entziffern versuchen, sind Rückfragen notwendig. Gleichwohl folgt die Anerkennung: „Das hast du gut gemacht!“ Wird der gelobte Schüler sich nicht insgeheim veräppelt fühlen?

Die ganze Verantwortung für die Alphabetisierung unserer Nachkommen lastet seit Einführung der Schulpflicht auf der Grundschule. Kommt diese ihrer Verpflichtung nach? O ja, der Stundenplan ist überfrachtet, ich weiß. Was aber ist wichtiger: Kulturtechniken zu vermitteln oder über den Klimawandel zu diskutieren? So manche Trendthemen übersteigen den geistigen Horizont von Grundschulkindern, sind also vertane Zeit.

Und plötzlich ist es mit dem Spaß vorbei

Zurück zum Thema. Spaß muß sein. Spaß am Schreiben auch. Leider steht dabei die Norm im Wege. Also muß die Norm dran glauben. Die heitere Beliebigkeit, mit der anfangs frisch drauflosgeschrieben wird, weicht in höheren Schuljahren dem blanken Entsetzen, zuerst bei den Eltern, dann bei den Kindern. Plötzlich ist es aus mit dem Spaßhaben. Was ist da passiert? Wir sind dabei, die Schriftkultur zu vernachlässigen, wobei die neue Kommunikationstechnik eine beachtliche Rolle spielt. Der bewußte Verzicht, unseren Nachkommen die Grundlagen der genormten Schriftsprache zu vermitteln, bleibt indes ein gewagtes Experiment.

Schrift ist zum Lesen da, nicht zum Schreiben. Aufsätze schreiben soll das Schulkind nicht „von Anfang an“, sondern erst dann, wenn es das Handwerkszeug dazu beherrscht: die Schrift. Diese gilt es als erstes zu lernen. Alles andere kommt dann schon nach. Liebe LuL (so heißt es doch jetzt famos pc-korrekt und dennoch platzsparend), üben Sie sich nicht nur in Fleiß, sondern vor allem in Geduld. Und dies von Anfang an!

Weiterführende Gedanken zum Thema: folgen Sie dem Link!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Jana

Überspitzt? Überhaupt nicht. Das mag nur jenen so scheinen, die nicht verfolgen, was in der Schulwelt los ist. Man verfolge nur mal die Inklusion bzw. Gemeinschaftsschule, die überall eingeführt wird und unser bewährtes dreigliedriges Schulsystem verdrängt. Da schreit der gesunde Menschenverstand nur noch nach Hilfe.

Gravatar: geli

@ Ulli
Danke für den Tipp. Die Leserkommentare sind wirklich noch mal eine Sache für sich. Trotz heftigem Schmunzeln frage ich mich, ob die "Experten" unsere Schulen wirklich in ein so verrücktes Fahrwasser schicken wie dort überspitzt beschrieben.

Gravatar: mestro

Inzwischen sind alle etablierten Parteien Bildungszerstörer, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die allmähliche Abschaffung des bewährten dreigliedrigen Schulsystems zu Gunsten der Einheitsschule wird der Schulbildung den Rest geben. Dann sind alle Schüler auf niedrigstem Niveau gleich.

Gravatar: Annika

In den vergangenen Jahren wurden nicht nur die nachlassenden Rechtschreibfähigkeiten beanstandet, sondern auch die kaum mehr lesbare, unsaubere Handschrift vieler Schüler. Hier wurde im Unterricht ebenfalls zu großzügig über Mängel hinweggesehen.
Da passt die Meldung aus Thüringen, dass Schüler überhaupt keine verbundene Handschrift mehr lernen sollen, sondern nur noch Druckbuchstaben, in die pädagogische Landschaft.
Wo man hinschaut, herrscht Erleichterungspädagogik, die keinen Wert mehr legt auf die Vermittlung guter Grundkenntnisse und Fähigkeiten.
Dass Kinder auch zunehmend Schwierigkeiten mit ihrer Feinmotorik haben, ist ebenfalls bekannt. Da kommt zum Ausbau dieser Schwäche die Druckschrift gerade recht.
http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Z82D92M410135

Gravatar: Ulli

Die "weiterführenden Gedanken zum Thema" über den Link lohnen sich, auch wegen der vielen Kommentare. Sie sind wieder eine Geschichte für sich und sollten unbedingt mitgelesen werden. Köstlich!

Gravatar: quapp

Zitat: "Der Bayerische Philologenverband fordert nun einen besseren Deutschunterricht in der Grundschule."
Was heißt "besserer Deutschunterricht"? Dem Volk wird doch schon seit Ewigkeiten vorgemacht, dass die dauernden Reformen Schule und Unterricht "bessern". In Wahrheit wird aber ein ehemals gutes Schulsystem Stück für Stück zerlegt. Und dafür soll dauernd mehr Geld her?
Vor allem Grüne und SPD fordern "mehr Geld für Bildung" und begründen u.a. damit ihre exzessiven Steuererhöhungen. Um Gottes Willen, nicht mehr Geld für diese Bildungszerstörer!

Gravatar: Beate W.

Meine beiden Enkel haben in der Schule auch nach der Methode "Freies Schreiben" gelernt, was zu Anfang noch ganz gut ging. Jetzt sind sie in der 5. und 7. Klasse und machen Fehler über Fehler.
Ich, die ich noch solide Rechtschreibung gelernt habe, bin immer nur entsetzt. Meine Tochter nimmt es gelassener und meint, die Deutschzensuren seien nicht schlecht und die anderen Kinder schrieben auch nicht besser.
Wo soll das noch hinführen mit diesen katastrophalen Leistungen, die übrigens auch das Lesen betreffen. Beide Enkel lesen so langsam und stockerig, dass ein dünnes Buch schon fast eine Qual für sie ist.

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