Kontrolle ist besser

Solange sich die Kritiker der herrschenden Klimapolitik dem vermeintlichen Konsens der Klimawissenschaften unterwerfen, werden sie nicht an Überzeugungskraft gewinnen. Ökonom David Henderson übt berechtigte Kritik an seinen Kollegen.

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Nicht nur unter Umweltschützern, Politikern und der Öffentlichkeit hat sich in den vergangenen Jahren die Angewohnheit breit gemacht, den offiziellen Berichte des IPCC und der diesem zuarbeitenden Gruppe von Wissenschaftler die Deutungshoheit über den Stand der Klimaforschung zuzubilligen. Auch Vertreter anderer Wissenschaftsdisziplinen, allen voran die Ökonomen, zeichnen sich dadurch aus, ihre Forschungsarbeit zunehmend unkritisch auf den Fundamenten eines vermeintlichen wissenschaftlichen Konsens der Klimawissenschaften aufzubauen.

Das dürfte auch den Lesern der wenigen Veröffentlichungen deutscher Volkswirte, die sich kritisch mit der gegenwärtigen Klimapolitik auseinandersetzen, wie etwa Professor Hans-Werner Sinns Buch „Das grüne Paradoxon“ oder des inhaltlich zu ähnlichen Aussagen kommenden Buches „Klima-(Politik)-Katastrophe“ des Magdeburger Ökonomen Joachim Weimann, nicht verborgen geblieben sein. Beider Autoren Fundamentalkritik am klimapolitischen Gemauschel europäischer Regierungen beruht auf der Prämisse, dass die Debatte um den Einfluss des Menschen auf das Klima und die Wirkung klimatischer Veränderungen auf die Gesellschaft beendet ist und die zu erwartenden Folgen des Klimawandels kaum dramatischer sein können. Folglich sei das größte Problem der Ineffizienz der gegenwärtigen Klimaschutzpolitik nicht so sehr die davon ausgehende Gefahr für den globalen Wohlstand, sondern vor allem der Verlust wertvoller Ressourcen für den Kampf gegen den Klimawandel. Klimapolitik sei mit mehr Rationalität und Markt zu bewerkstelligen, nur dann ließe sich die Katastrophe vermeiden.

Bei aller kritischen Distanz zur Klimapolitik fehlt vielen Autoren die Skepsis gegenüber dem wissenschaftlichen Fundament ihrer Fragestellung. Hier gilt die vernünftige Regel nicht mehr, vor dem Kochen auch einen kritischen Blick auf die Qualität der Zutaten zu werfen. Doch wie soll ein noch so sorgfältig durchdachtes klimapolitisches Rezept zu einem vernünftigen Ergebnis führen, wenn schon die Annahmen auf tönernen Füßen stehen? David Henderson, früherer Leiter der Abteilung Ökonomie und Statistik bei der OECD in Paris und derzeit Professor an der Londoner Westminster Business School, setzt sich in der neusten Ausgabe des Magazins „World Economics“ mit diesem gravierenden Problem auseinander. In seinem Beitrag bezieht er sich sowohl auf Veröffentlichungen so renomierter Ökonomen wie William Nordhaus, Martin Weitzman und Dieter Helm, die sich eher durch eine kritisch, rationale Position zur derzeit praktizierten Klimaschutzpolitik auszeichnen, als auch auf die apokalyptischen Klimagutachten unter der Leitung von Nicholas Stern (2006) und Ross Garnaut (2008).

Henderson wendet gegen den sprachlichen Missbrauch der mit erheblichen Unsicherheiten verbundenen Erkenntnisse der gegenwärtigen Klimaforschung. Oft wird mit einer selektiven und zuweilen missbräuchlichen Verwendung von wissenschaftlichen Fachbegriffen eine Dramatisierung der gegenwärtigen Situation beabsichtigt und damit der Dringlichkeit des Forschungsgegenstands bzw. der formulierten Politikempfehlung Nachdruck verliehen. Der Autor nennt auch mehrere Gründe, die gegen eine eilfertige Akzeptanz des mutmaßlichen wissenschaftlichen Konsenses vom Menschen als Hauptursache der gegenwärtigen klimatischen Veränderungen sprechen: Nach wie vor erlauben die enormen wissenschaftlichen Unsicherheiten und das hohe Ausmaß an Unkenntnis über die Einflussfaktoren und Mechanismen der Klimabildung keine ultimativen Aussagen über den menschlichen Beitrag zum Klimawandel. Hierauf haben bekannte Klimaforscher und wissenschaftliche Gutachten immer wieder hingewiesen. Dieser Umstand äußere sich - betont Henderson - auch in einer erheblichen Bandbreite der wissenschaftlichen Beurteilung der gegenwärtigen Situation: Diese reiche von den dramatisierenden Aussagen des amerikanischen Klimaforschers James Hansens bis hin zu den deutlich ausgewogeneren Stellungnahmen des Ozeanografen Carl Wunsch. Während für Hansen der Mensch das Klima kontrolliert und derzeitige Kohlendioxidemissionen die Menschheit bereits heute erheblich gefährden, geht Wunsch davon aus, dass der menschliche Einfluss auf das Klima nur sehr schwer von natürlichen Einflüssen zu trennen ist. Ein deutlicher Hinweis auf den offenen Ausgang der wissenschaftlichen Debatte um den Klimawandel sei letztlich der erhebliche Widerspruch, den die Äußerungen des IPCC und dessen führende Autoren immer wieder auf sich ziehen. Ein erst kürzlich in den USA für das Environment and Public Works Committee des US-Senats veröffentlichter Bericht, der den Dissens von rund 650 Wissenschaftlern mit dem Mainstream der Klimaforschung dokumentiert, ist ein beredtes Zeugnis für den nach wie vor herrschenden Meinungspluralismus.

Vor diesem Hintergrund zeichnet sich der überwiegende Teil der ökonomischen Analyse des Klimawandels durch ein Übermaß an Vertrauen gegenüber dem IPCC-Prozess und eine spürbare Ignoranz gegenüber den Ergebnissen einer offenen wissenschaftlichen Debatte aus. Obwohl gegenüber dem IPCC-Prozess wiederholt Bedenken hinsichtlich einer Überbewertung der Qualitätssicherung durch herrschende Review-Kartelle, der mangelnden Transparenz von Daten und Simulationsmodellen und nachweisbarer methodischer Fehler geäußert wurden und diese Kritik von den Verantwortlichen sichtlich ignoriert wird, findet in vielen wissenschaftlichen Disziplinen keine ernsthafte Diskussion über die Haltbarkeit der aus dem IPCC-Material abgeleiteten Prämissen statt. Das keine IPCC-interne Qualitätsprüfung der Gutachtertätigkeit stattfindet, wird von den meisten Ökonomen kaum mehr hinterfragt, geschweige denn kritisiert.

Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt an der ökonomischen Forschung im Bereich des Klimawandels ist für Henderson der ausgesprochen einseitige Umgang mit dem Begriff des Risikos. Während es ausgemachte Sache zu sein scheint, dass erhebliche Gefahren für die menschliche Entwicklung ohne drastische Massnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemission nicht zu vermeiden seien, wird die Kehrseite der Medaille, dass auch Klimaschutz nicht ohne erhebliche Kosten zu haben ist, nur unzureichend berücksichtigt. Hier hat das in den vergangenen Jahrzehnten in Mode gekommene Vorsorgprinzip einen blinden Fleck. Nicht nur der Klimawandel kann die Menschheit teuer zu stehen kommen, unüberlegte und in sich widersprüchliche Klimaschutzmaßnahmen sind keine geringere Gefahr für unseren zukünftigen Wohlstand. Insofern fordert der Autor, das Vorsorgeprinzip auch auf die Klimaforschung als wissenschaftlichen Ausgangspunkt der Klimapolitik auszuweiten, um teure Fehlentscheidung der Politik zu vermeiden. Hierzu schlägt er vor das Daten und Programmcodes für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen sind, statistische Methoden dem Stand der aktuellen Fachdiskussion angepasst werden, die IPCC-Berichte ihren selbstauferlegten Regeln an die wissenschaftliche Objektivität, Offenheit und Transparenz Rechnung tragen sowie die verantwortlichen staatlichen Autoritäten eine unabhängige Plausibilitätsprüfung der Modellergebnisse ermöglichen.

Der englischsprachige Aufsatz von David Henderson ist auf der Webseite des Europäischen Instituts für Klima und Energie Jena (EIKE) zu finden, wo auch dieser Beitrag bereits erschienen ist.

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