Konservative Kampftruppe in Auflösung?

Die hessische CDU zittert der Landtagswahl am 22. September entgegen

 

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Am 22. September dieses Jahres entscheiden die Wähler im Bund und in Hessen unter anderem darüber, ob eine CDU mit „morschem Markenkern“ (Werner D’Inka) noch Mehrheiten mobilisieren kann. Während die thematisch offenbar ausgelaugte Union in Berlin zumindest noch auf das unumstrittene Zugpferd Angela Merkel setzen kann, fehlen in Hessen nach Meinung von Beobachtern sowohl die Inhalte als auch populäre Personen.

Einige Indizien sprechen dafür, dass der recht blass gebliebene Ministerpräsident Volker Bouffier, der das einst tiefrote Bundesland seit September 2010 regiert, vor einer schweren Herausforderung steht. Dies liegt zunächst an Bouffier selbst. Kritiker werfen ihm fehlende Führungsstärke oder sogar Überheblichkeit („Arroganz der Macht“) vor. Aus dem Amt des Parteivize der Bundes-CDU hat er nichts gemacht – so die Kritik an ihm. Seine Strahlkraft reicht nicht – im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Roland Koch – über Hessen hinaus. Vielleicht verbrachte der mittlerweile 61-jährige Politiker zu viel Zeit als eine Art „Prinz Charles der hessischen CDU“ im Wartestand. Dregger, Kanther, Koch: Sie waren oder sie galten zumindest als konservative Galionsfiguren und Haudegen. Doch wofür steht Volker Bouffier? „Dass es denn Hessen gut geht, wie Ministerpräsident Volker Bouffier zu betonen nicht müde wird, stimmt, aber darf es nicht ein bisschen mehr sein?“, fragte jüngst FAZ-Mitherausgeber Werner D’Inka in einem Kommentar der „Rhein-Main“-Ausgabe des Blattes.

Früher galt die Hessen-CDU als sturmerprobter Kampfverband in eigentlich feindlichem (roten) Umfeld. Inzwischen wird auch hier die thematische Armut zum Programm gemacht. Ob Thesenpapiere, die sozialpolitische Korrekturen anmahnen und einen Weg in die vermeintliche Moderne der Großstadtpartei weisen wollen, Abhilfe schaffen, erscheint fraglich. Die Machtbasis bröckelt von unten weg. In Großstädten wie Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach gibt es keine schwarzen Oberbürgermeister mehr. Kein Wunder, dass sich Panik oder zumindest Rat- und Orientierungslosigkeit breitmachen.

Die zahlreichen programmatischen Kehrtwenden der Bundespartei (Energiewende, Wehrpflicht, Mindestlohn, Homo-Ehe), die – so der Vorwurf - nicht erklärt, sondern nur als alternativlos dargestellt wurden, dürften auf den Zustand der hessischen CDU ebenfalls abgefärbt haben. Hat man hier Wegweisendes vom relativ stummen Parteivize Bouffier gehört?

Auch die Arbeitsteilung mit der jungen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, der Übelwollende aufgrund ihrer jugendlichen Erscheinung die Anmutung eines „Kommunionkindes“ attestieren, funktioniert nicht. Eigentlich sollte die Wiesbadener Bundestagsabgeordnete bei der Bundestagswahl im September als Spitzenkandidatin der CDU in Hessen ins Rennen gehen. Sie sollte urbane, weibliche Wählermilieus ansprechen, während sich Bouffier um die ältere und konservative Stammkundschaft vom Lande kümmern wollte. Ob es nun die unterschiedlichen Ansichten zur Homo-Ehe oder immer stärkere Zweifel Bouffiers waren, ob Frau Schröder die Richtige sei, ist letztlich einerlei. De facto darf jetzt der schon 64-jährige frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung ran. Zukunft sieht anders aus, und die dringend nötige Wählermobilisierung dürfte so nicht gelingen, orakeln die Auguren. Jung darf sich jedenfalls über einen erneuten Einzug in den Bundestag freuen. Kristina Schröder kann warten. Sie ist im September, wenn die Männerriege in der hessischen CDU so oder so ihre letzte Schlacht schlagen wird, erst 36 Jahre alt sein.

Fast doppelt so alt ist der Landtagsfraktionsvorsitzende Christean Wagner. Dass er als einer der Stichwortgeber des konservativen „Berliner Kreises“ geliefert und ein überzeugendes Kontrastprogramm zur wenig goutierten Merkel-CDU präsentiert hätte, muss mit einem dicken Fragezeichen versehen werden.

Eventuell muss sich Hessen – historisch gesehen eine Art Testlabor der Bundesrepublik – auf einen „demokratischen Sozialismus“ unter einem Ministerpräsidenten Thomas Schäfer-Gümbel einstellen. Ob Angela Merkel alleine dies verhindern kann?

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ulla Lang

"Früher galt die Hessen-CDU als sturmerprobter Kampfverband in eigentlich feindlichem (roten) Umfeld."

Heute ist auch die CDU selbst mehr rot als schwarz.

"Ob Angela Merkel alleine dies verhindern kann?"

Im Gegenteil, sie ist der "Brandbeschleuniger"

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