Am Rande meines Vortrags zum Thema “Rohstoffe, Umwelt und Eigentum” am Samstag beim Seminar “Erdgas, Fracking, Seltene Erden & Co.” in der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach wurde auch der Interessenausgleich zwischen Bergbau betreibenden Unternehmen und von der Rohstoffförderung betroffenen Grundstückseigentümern diskutiert. Mittelpunkt der Debatte war das im Bundesberggesetz (BBergG) kodifizierte deutsche Bergrecht und sein Einfluss auf die Eigentumsrechte der in Bergbauprojekten zwangsläufig miteinander einen Nutzungskonflikt ausfechtenden Parteien. Grundstückseigentümer wollen ihr Recht auf Nutzung ihres Grund und Boden nicht verlieren bzw. für Nutzungseinschränkungen hinreichend entschädigt werden. Rohstoffe fördernde Unternehmen hingegen ihr von den Landesbehördenen zugewiesenes Recht auf Erschließung und Förderung bergfreier Rohstoffe wahrnehmen, ohne hieran durch aufwendige Verhandlungen mit den Betroffenen gehindert zu werden. Doch das Bergrecht selbst trägt nicht gerade zu einem reibungslosen und fairen Interessenausgleich bei. Bereits die Trennung zwischen grundeigenen und bergfreien ist aus der Perspektive eines kooperativen Interessenausgleichs problematisch. Während grundeigene Rohstoffe im Eigentum des Grundeigentümers stehen, erstreckt sich das Grundeigentum nicht auf bergfreie Rohstoffe. Zu diesen zählen die überwiegende Zahl der metallischen Rohstoffe und fossilen Energieträger. Bei bergfreien Rohstoffe obliegt es den Bundesländern diese auf Antrag eines Bergbau betreibenden Unternehmens unter Einhaltung eines gesetzlich vorgegebenen Verfahrens eine Bergbauberechtigung zu erteilen (Erlaubnis, Bewilligung, Bergbaueigentum). Diese erhalten damit per se eine gegenüber individuellen Interessen herausgestellte gesamtwirtschaftliche Dimension, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass nicht die jeweiligen Grundeigentümer oder eine deren Interessen vertretende Institution die Entscheidung über eine Rohstoffnutzung mitbestimmt, sondern lediglich der Staat und das antragstellende Unternehmen. So wird in den bergrechtlichen Voraussetzungen zur Grundabtretung festgestellt (§79,1 BBergG), dass ”im einzelnen Falle zulässig [ist], wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.” Eine Entschädigung für den Rechts- und Vermögensverlust ist zwar verpflichtend, doch ist diese per Gesetz auf den Verkehrswert festgelegt und damit die Entscheidung über ihre Höhe den verhandelnden Parteien zumindest teilweise entzogen. Konflikte sind so vorprogrammiert.
Da die Grundeigentümer selbst kaum wirtschaftlich von den in ihrem Grundeigentum vorkommenden Rohstoffen profitieren ist nicht weiter verwunderlich, dass Nutzungskonflikte nicht selten sind und oft zu langen und aufwendigen Rechtsstreitigkeiten führen. Dies wird auch dadurch gefördert, dass eine Einigung mit den Grundstückseigentümer der behördlichen Bergbauberechtigung zeitlich nachgelagert ist, so dass die Grundeigentümer erst mit in das Verfahren eingebunden werden, wenn der ökonomische Wert der betreffenden Rohstoffe zumindest grob abschätzbar ist. Die ungleiche Verhandlungsposition zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Bergbaus und den Grundeigentümern, die sich dem bergrechtlichen Verfahren letztendlich zu beugen haben wird dadurch noch betont und lädt Grundeigentümer geradezu dazu ein, auf eine möglichst hohe unmittelbare Kompensation zu pochen oder gar vollständig auf fundamentale Gegensätze zwischen dem Nutzungsinteresse der betroffenen Grundeigentümer den den Wirtschaftsinteressen des Bergbaus zu verweisen.
Aus liberaler Perspektive, die individuelle Eigentumsrechte so verteilt wissen will, dass ein privater Interessenausgleich durch möglichst wenig Reibungsverluste (Transaktionskosten) erfolgt, kann die Lösung dieser Misere allein durch eine Stärkung der Eigentumsrechte beider Verhandlungspartner herbeigeführt werden. Hierzu müsste zunächst die schwer zu rechtfertigende Trennung zwischen individuellen und gesellschaftlichen Nutzungsinteressen an Rohstoffen aufgehoben werden. Es gibt prinzipiell keinerlei Unterschied zwischen dem Nutzungsinteresse eine Grundeigentümers an seinem Grund und Boden und einem Bergbauunternehmen an der wirtschaftlichen Verwertung von Rohstoffen, auch wenn diese dadurch Arbeitsplätze schaffen und die Volkswirtschaft mit Rohstoffen versorgen. Der marktwirtschaftliche Preismechanismus sorgt dafür, dass sich diese Effekte voll im Gewinn der Unternehmen niederschlagen, ebenso wie die Erfüllung der Interessen der Grundeigentümer in ihrer Summe wohlfahrtssteigernd ist. Es ist letztlich aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive eine reine Verteilungsfrage, ob ein größerer Teil der Gewinne der Grundstücks- und Rohstoffnutzung in der Bergbauindustrie endet oder bei den betroffenen Grundeigentümern verbleibt. Auch werden die volkswirtschaftlichen Verluste einer im Zweifelsfall geringer dimensionierten Rohstoffförderung bei fairen Verhandlungen durch geringere Nutzenverluste der Grundeigentümer aufgehoben. Entscheidend ist eine Reduzierung der Transaktionskosten, die eine Einigung der Interessen verzögert oder gänzlich verhindert.
Würde man die recht willkürliche Trennung zwischen grundeigenen und bergfreien Rohstoffen aufheben und alle Rohstoffe dem Grundeigentum zuweisen, bliebe zwar die Notwendigung eines Interessenausgleiches erhalten, doch würden Grundeigentümer direkt von der wirtschaftlichen Verwertung der Rohstoffe profitieren. Das könnte die Bereitschaft in der Bevölkerung konkrete Probleme oder diffuse Risiken umstrittener Bergbauprojekte, sei es den Braunkohlentagebau oder aber auch das Fracking von Schiefergaslagerstätten, in Kauf zu nehmen deutlich erhöhen, da sie unter diesen Bedingungen ganz unmittelbare Interessen an einer wirtschaftlichen Erschließung und Förderung von Rohstoffen hätten und die Nutzen und Risiken daher rational gegeneinander abwägen würden. Auch Bergbau betreibende Unternehmen dürften angesichts der notwendigen Kompensationen für die Inanspruchnahme der Nutzungsfläche des Bergbaus ein größeres Interesse haben von sich aus die Belange der Bevölkerung und des Umweltschutzes, unter Umständen sogar über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus, zu berücksichtigen.
Lesetipp: Bruce Benson, Matthew Brown: Eminent Domain for Private Use: Is it Justified by Market Failure or an Example of Government Failure?
Beitrag erschien zuerst auf: liberalesistitut.wordpress.com
Kommentare zum Artikel
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Bei der Rohstoffgewinnung durch Bergbau und Eingriffe in den Untergrund, sollten die Bürger vorrangig bedenken, dass das Fracking in Deutschland, wegen der dichten Besiedlung und wegen der weiteren und nicht wieder gut zumachenden Verunreinigung der Trinkwasserreserven, ein Verbrechen darstellt. Was den Schutz der Eigentumsrechte der Bürger betrifft, so ist es reine Makulatur, denn die betroffenen Bürger welche von Neubaumaßnahmen von Bahn und Autobahnbau betroffen sind, können davon berichten, wie mit Eigentumsrechten an Grund und Boden umgegangen wird, zwar gesetzklich geregelt, trotzdem skandalös und durch Hilflosigkeit der betroffenen Eigentümer gekennzeichnet. Und Bürgerbeteiligung ist reine Makulatur , man könnte sagen Demokratieschwindel.