kon-ser-va-tiv

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von lat. conservativus = erhaltend, bewahrend

Ab und an kommt noch ein “erz-” davor.

Bin ich das?

Also da packt mich doch jetzt voll die krasse Identitätskrise.

Oder nicht?

Also politisch ist das klar, da bin ich ja sowas von konservativ, daß mir progessive rote, braune und grüne Ideologien komplett irgendwo hinten links vorbei gehen. Schließlich haben die Unheil genug angerichtet. Das könnten wir mal langsam auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen. Leider sind wir gerade in einer Phase, in der linke Ideologien aller Couleur wieder erstarken und die Gesellschaft zergliedern. Bei fortschreitender Tendenz droht Unregierbarkeit des Landes und das Erwachen totalitärer Phantasien. Da bin ich doch lieber konservativ, auch wenn es Konservativen irgendwann mal wieder an den Kragen gehen könnte.

Wirtschaftlich auf der Linie von Leo XIII. und somit durchaus ordoliberal. Kein Nachtwächterstaat, kein Fürsorgerstaat, sondern ein Staat, der in Wahrnehmung seiner Verantwortung eine tragfähige Rahmenordnung schafft, in der die Märkte sich frei entfalten können, ohne zu ruinösen Wettbewerben zu werden. Menschen sind Subjekte wirtschaftlichen Handelns. Werden sie zu Objekten, so ist an der Rahmenordnung etwas faul.

Kirchlich bin ich katholisch, durchaus römisch, also ultramontan von nationalkirchlichen Ansätzen halte ich gar nichts. Der Ortskirche, die Einheit mit der Kirche von Rom steht, bin ich treu verbunden. Ist das konservativ? Erzkonservativ? Nunja, als pöbelnder Dunkelkatholik hat man einen Ruf zu verlieren. Doch dieser Ruf schließt jegliche andere Art von Konservativismus als die Paulinische “Prüft alles und behaltet das Gute” (1 Thess 5,21) rundweg aus. Ein echter katholischer Konservativismus steht im Einklang mit dem II. Vatikanum und dessen Auftrag, “Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten” (GS 4). Im Lichte des Evangeliums zu deuten heißt eben nicht, ihnen hechelnd nachzueifern. Es kann heißen, sie entschieden mit 1 Thess 5,21 zurück zu weisen. Und das gilt auch für Bestrebungen innerhalb der Kirche. Letzte Autorität ist der Papst, der den Vorsitz in der Liebe führt und als Nachfolger der Hl. Petrus mit den Sondervollmachten des Lehr- und Jurisdiktionsprimates ausgerüstet ist. Doch Achtung: Letzte Autorität heißt eben letzte und und nicht erste. Die Kirche hat eine episkopale Struktur, keine patriarchale, keine parochiale und schon lange keine synodale Struktur.

Sollte das konservativ sein, dann heißt es, im besten Sinne katholisch zu sein. Und wenn das so ist, dann bin ich eben konservativ.

Das war jetzt grob gerastert. Man kann das noch sehr viel tiefer und feiner ausfeilen und austarieren. Es gäbe noch viel dazu zu sagen und zu bedenken, doch das Grobraster mag einmal ausreichen.

In jüngster Zeit nimmt ein Trend zu, das Attribut “konservativ” (wahlweise mit Vorsilbe “erz-“) als ein Schimpfwort zu gebrauchen. Dabei zielt man nicht darauf, jemanden wirklich als konservativ zu kennzeichnen, vielmehr vermischt sich der Begriff mit Bezeichnungen wie “rechtspolpulistisch”, “rechtsextrem” oder eben gleich schon “Neonazi”. Angewandt wird diese Begrifflichkeit auf all jene, die sich in Fragen des Lebensrechtes pro Leben äußern, die die Ideologie des Gendermainstreaming kritisch betrachten, die praktizierte Homosexualität im Sinne des Katechismus der Katholischen Kirche ansehen und neben einigen anderen Ansichten auch noch die Familie durch verbindliches, dauerhaftes Zusammenleben von Mutter und Vater, die miteinander verheiratet sind, sowie deren Kindern ansehen.

An dieser Stelle wird es gefährlich. Gefährlich wird es an dieser Stelle selbst für die, die sich weit entfernt von konservativ wähnen und lediglich mal ihre Vernunft gegen den Mainstream stellen. Dann nämlich wird sichtbar, daß es gar nicht um die Frage geht, ob jemand konservativ ist, sondern nur um die Frage, ob er ggf. gegen ein Denkverbot verstoßen haben könnte. Das nämlich ist des Pudel Kern, diesmal kein fahrender Scholast, nein, ein immanenter “Großer Bruder” der eifrig über das Einhalten den Regeln des “Neudenk” wacht. Man findet ihn in Talkshows, Feuilletons und allen nur denkbaren öffentlichen Räumen. Eine Art pawlowschen Schnappreflex gegen alles, was nur irgendwie “konservativ” riecht ist ihm systematisch zu eigen.

Nur, langsam ist es mal gut damit. Die Konservativen sollten aufhören, sich dafür zu entschuldigen, daß sie in allen gesellschaftlichen und kirchlichen Zusammenhängen das bessere Programm vertreten und wieder selbstbewußt öffentlich auftreten. Rechts von uns Konservativen ist im demokratischen Spektrum nur noch die Wand. Jenseits der Wand ist Links und links von uns wohnen ohnehin nur Drachen und Ungeheuer. So!

Und jetzt in die Hände gespuckt, es wird ab sofort wieder offensiv und selbstbewußt aufgetreten.

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: buchbaer

Sehr geehrter Herr Winnemöller,
gern würde ich Ihnen den Begriff streitig machen, da er jedoch schon lange inhaltlich besetzt ist, dürfen Sie Ihr selbstverständlich behalten.

Doch das Bewahren liegt mir sehr am Herzen - ich mag sehr viele Dinge, wie sie sind. Und was mir diesbezüglich fehlt ist, Dankbarkeit. Man kan in diesem Land für oder gegen Abtreibung, Selbstbestimmung von Homosexuellen uvam sein. Bringt man seine Meinung zum Ausdruck, riskiert man Gegenrede. Für mich ist jedoch wesentlich - ich kann es tun!

Ich bin tagtäglich im Netz auf Seiten unterwegs, die das Prädikat "sehhhr konservativ" durchaus zu recht tragen, das Wort "Denkverbot" zaubert mir da nur ein Lächeln ins Gesicht.

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