Köpfe des Jahres 2014

Meine persönliche Hitliste

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Mit der ersten Post des neuen Jahres trudelte auch das von mir schon mal mehr geschätzte Fachblatt „Journalist“ ein. Darin ein Beitrag über die „Köpfe des Jahres“. Dabei wie zu erwarten Prominenz: Julia Jäkel, Wolfgang Büchner, Georg Mascolo. Alle aus dem Premiumbereich des Journalismus und eher ohne wirkliche Sorgen, trotz Karriereumbrüchen wie bei den beiden Letztgenannten. Aber waren das wirklich die Köpfe 2014 ?

Das Internet sorgt auch hier zunehmend für eine andere Wahrnehmung. Und zeugt seine eigenen Helden.

Beschränken wir uns bei dieser Betrachtung nur mal auf die ersten drei Platzierungen meiner ganz persönlichen Hitliste.

Da hätten wir auf Platz drei Winfried Stöcker, den Medizinunternehmer aus Lübeck. Stöcker, der auch Honorarprofessor an der Universität der Hansestadt ist, beschäftigt in seinem Unternehmen Euroimmun rund 1 700 Mitarbeiter in 26 Ländern, wie über ihn berichtet wird. Mit dieser Fima, gegründet 1987, und ihren Mitarbeitern machte er 2013 rund 107,9 Millionen Euro Umsatz. Eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Doch mit so etwas schafft man es in Deutschland bestenfalls ins Lokalblatt. Es sei denn, dass der Erfolg etwas mit der sexuellen Veranlagung des Chefs zu tun hätte, die aber dann auf keinen Fall im Normalbereich liegen darf. Siehe Tim Cook.

Nein, Stöcker hat, wahrscheinlich mehr oder weniger unbedacht, gegen eines der heiligsten Tabus dieser Republik verstoßen: Der bedingungslosen Begeisterung für „Zuwanderung“ jeglicher Art. Was war geschehen? Stöcker stammt aus Görlitz und zeigte sich seiner niederschlesischen Heimat verbunden, indem er dort ein altes Kaufhaus kaufte. Das ist aufgrund seiner Bauart im Jugendstil kulturhistorisch wertvoll. Es wird sogar vermutet, dass Stöcker jenes „Heinzelmännchen“ ist, das der Stadt an der Neiße jedes Jahr erst eine Million D-Mark, später 500 000 Euro jährlich vermachte. Einzige Bedingungen: Das Geld muss für den Aufbau der Stadt verwendet werden und der Spender anonym bleiben. Das wird vermutet.

Jener Winfried Stöcker untersagte nun ein von der Stadt und den üblichen Verdächtigen in Sachen Asyl geplantes Benefizkonzert in seinem Kaufhaus. Das Ganze mit der für heutige Zeiten ungeheuerlichen Begründung, er wolle dem Asylmißbrauch nicht noch Vorschub leisten. Ein Zeitungsinterview und ein darauf aufbauendes Gespräch mit einer aufgeregten Dame im Dienste des Mitteldeutschen Rundfunks machten die Dinge im Sinne der Staatsraison nicht besser. Stöcker zeigte sich verstockt, in dem er auf dem Wort „Neger“ als Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe bestand. An der Hautfarbe könne man nun mal nichts ändern, sagte er, jede Chance zur Umkehr und öffentlicher Buße ausschlagend. Auch die explizite weibliche Anrede will er bei Mitarbeiteransprachen nicht verwenden. Das sei eine Dummheit. Die Weihnachtstage mit ihrer temporären Drehzahlreduzierung der Empörungsturbinen, sorgten für trügerische Ruhe im Fall Stöcker. Letzter Stand war die Forderung der „Studierendenschaft“, also der Studentinnen und Studenten der Uni Lübeck, Stöcker die Honorarprofessur zu entziehen. Klar. Was kann man schon von einem Menschen lernen, der nicht penibel zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern unterscheidet und offenbar noch dazu „refugeephob“ ist? Fortsetzung garantiert.

Auf Platz zwei haben wir einen weiteren Mann der regionalen Wirtschaft, der es mit seiner jahrzehntelangen, fleißigen Arbeit wohl auch nie in die Öffentlichkeit geschafft hätte. Es handelt sich um Josef Wieder, den Geschäftsführer der Kliniken Erlabrunn gGmbH im Erzgebirge. Von der Firma Kabeljournal GmbH mit Sitz in Grünhain-Beierfeld ließ er für deren Ableger Erz-TV, was Bezug auf das Erzgebirge nimmt, eine Weihnachtsansprache aufzeichnen. Die hatte es allerdings in sich. Gesendet wurde sie im Rahmen einer Art Dauerwerbesendung, in der auch andere Unternehmer der Region in langatmigen Statements Danksagungen abspulten. Aber in Zeiten der weltweiten Vernetzung muss man aufpassen. Getreu dem Motto so manches Lokaljournalisten: Einer wird`s schon lesen, gab es auch hier jemanden, der sich den Schmonzes antat. Zum Glück. Und so fand ein Fragment der Rede von Wieder den Weg über Facebook in die Netzwelt, wo es begeistert herumgereicht wurde. Auf einem stark frequentierten Nachrichtenportal war es sogar das Titelthema mit der Überschrift „Die alternative Weihnachtsansprache“ oder „Was Gauck hätte sagen sollen“.

In seinem Beitrag, der sich im ersten Teil nur um Klinikinterna drehte, holte Wieder zu einer scharfen Analyse der gegenwärtigen Politik aus. In der Asylfrage hätten „Lug und Betrug“ die ehrliche Suche nach Lösungen ersetzt. Die Politik sei nicht in der Lage, ein vernünftiges Zusammenleben zu organisieren. Randgruppen ersetzten die Mitte der Gesellschaft und unterwerfen die Mehrheit einem Diktat. „Die traditionelle Familie wird demontiert. Unterwerfungen unter den Zeitgeist werden honoriert“, wetterte ERZ-TV-Engel Wieder.

Bereits der einigermaßen gesunde Menschenverstand erkenne, dass etwas schiefläuft in diesem Land. „Wir importieren nicht nur Menschen aus aller Welt am Grundgesetz vorbei, denn das Asylrecht sollte immer nur Schutz vor Verfolgung auf Zeit bieten, nicht Freifahrtschein für Einwanderung sein, sondern ihre Kriege und Auseinandersetzungen. Manch flinker Nazivorwurf und ein diktatorisches Demokratieverständnis hätten um sich gegriffen. Deshalb Asylantenstadel und Gesinnungsstrafrecht.“ Bisher sind netzweit keine Reaktionen der Sittenpolizei bekannt. Aber: abwarten.

Platz eins belegt unangefochten der Medienliebling des Jahres 2014, Felix Reichstein. Mitte des Monats noch „Reporter“ beim Landesstudio Ost, das für RTL zuliefert, zum Jahresende „freigestellt“ und abgetaucht. Ganz mutig machte sich der Felix am 15. Dezember auf nach Dresden, um dort „undercover“ in den Pegida-Reihen zu ermitteln. Angeblich sogar für das „Team Wallraff“. Heiße Geschichte. So in dem Stil: Wie ich als Rollerfahrer Mitglied der Hells-Angels wurde. Zumindest muss man es sich so vorgestellt haben. Was in diesem spannenden Journalismusthriller noch fehlte, war, neben Veronica Ferres als Pegida-Geisel in einer späteren Verfilmung, ein BMW wie ihn James Bond fährt. So mit Raketen, Panzerglas und einer Fernsteuerung in der Armbanduhr. Und als ob das alles nicht schon albern genug wäre, sprach er dann noch in die Kamera von NDR-Kollegen Sätze wie: Manchmal frage man sich, sind wir eigentlich noch in Deutschland? Was tatsächlich zu dieser freudschen Entgleisung geführt hat, werden wir vielleicht nie erfahren. Seine Erklärung, er habe sich damit unauffällig unters Volk mischen wollen, versteht man vielleicht im fernen Köln. Von dort aus gesehen finden die Dresdner Demonstrationen in einem Vorort von Moskau statt. Aber wer bei dieser und anderen Demonstrationen von Pegida dabei war, fasst sich besonders als Kollege nur an den Kopf. Der Deutsche Journalistenverband hat geschrieben, was dazu zu schreiben war: „Es ist schwer, dort O-Töne von Teilnehmern zu bekommen, aber nicht unmöglich.“ Punkt. Es gibt eben auch noch Menschen, die sich nicht vor eine Kamera drängen. Wenn das so ist, sollten sich Journalisten eher fragen, woran das liegt, als einen auf Detektiv für Arme zu machen. Schaut man sich die Passage mit Reichstein auf den vom NDR ungekürzt ins Netz gestellten Passagen an, sieht man, dass er nicht etwa in einer dicht gedrängten Menschenmenge mit Mord in den Augen steht. Er musste sich nicht anbiedern. Selbst wenn er gesagt hätte, Pegida ist doof. Keiner hätte ihm was getan. Zur bisher letzten Veranstaltung am 22. Dezember schrien ein paar ganz Mutige direkt vor der Rednerbühne und natürlich rein zufällig inmitten eines Pulks von Kameras: „Nie, nie, nie wieder Deutschland“. Die Masse bekam es gar nicht mit. Die Störer wurden ausgebuht und von Ordnern zum Rand geführt. Keinem wurde ein Haar gekrümmt. Richtig mutig wäre es vom Günter oder einem aus seinem Team mal im schwarzen Block auf der Gegenseite eine Strophe unserer Nationalhymne anzustimmen. Es muss ja nicht gleich die erste sein. Ich würde ihn besuchen im Krankenhaus.

Ganz abgesehen von der zweifelhaften Art der Herangehensweise durch das „Team Walraff“, wenn das alles überhaupt so stimmt, bleibt die Frage: Was soll der Unsinn? Hat der Günter das nötig oder nur die Orientierung verloren? Das hier sind keine finsteren Halbweltunternehmer, wie bei seiner letzten und zu Recht viel beachteten Enthüllungs-Reportage über einen Hersteller von Billigbrötchen. Die Menschen in Dresden kann man ruhig fragen, warum sie dort rumlaufen. Man muss ja nicht bei den vierschrötigen Dynamotypen anfangen.

Aber nehmen wir mal an, auch ein verdeckt arbeitender Agent provocateur von RTL ist überwältigt von der Frische einer neuen Volksbewegung und macht in einer vaterländischen Aufwallung aus seinem Herzen keine Mördergrube. Schaut man sich die Aufnahmen in Ruhe an, so kann man nicht sagen, dass es klingt, als sage er lange zurechtgelegte Sätze. Hat der Reporter hier einfach mal gesagt, was er wirklich denkt? Nur in schlechter Absicht? Er stehe dem Ganzen schon kritisch gegenüber, der Islamisierung. Man sehe das schon. Auf der Straße, im Wohnviertel. Auch in seiner Heimatstadt Bayreuth spüre man das immer mehr.

„Seine Aussagen geben weder seine Meinung noch die von RTL wieder“, hieß es in einer offiziellen Stellungnahme von RTL als das ganze Ding aufgeflogen war. Aber waren seine Aussagen vom Kern her so schlimm? Steht gar „Volksverhetzung“ im Raum? Noch vor zehn Jahren hätte man damit in bayerischen Bierzelten die Stimmung nicht zum Sieden gebracht. Immerhin: Hier wird weder der Nationalsozialismus verherrlicht, noch der Holocaust geleugnet. Menschen nicht wegen ihrer Hautfarbe verächtlich gemacht oder gar eine Religion verhöhnt. Übrigens alles Sachen, die keiner der Demonstranten in Dresden tut, obwohl es unterstellt wird. Aber selbst wenn dort Unsinn verbreitet würde, abgesehen von den strafbewehrten Dingen, was wäre dabei? Beinhaltet das Recht auf freie Meinung nicht auch das Recht auf irrige, falsche, ja sogar selten dämliche Meinungen. Oder gilt das nur für Gender Mainstreaming?

Das Rennen für eine neue Rangliste 2015 ist eröffnet. Leider hat sich Frau Merkel schon disqualifiziert. Aus formalen Gründen. Ihre (sagen wir es diplomatisch, weil genau das bei ihr fehlte) bemerkenswerte Neujahrsrede wurde noch im alten Jahr veröffentlicht. Schade. Sie wäre sicher lange auf Platz eins geblieben.

Beitrag erschien auch auf castorfiberalbicus

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Heinrich

Nein, sie haben ihn nicht in die Knie gezwungen.
Er hat lediglich darauf reagiert, dass die Leute zu unfähig waren seine Aussagen richtig zu interpretieren.
Liest man sich diese "Entschuldigung" durch stellt man schnell fest, dass sich an seinen Aussagen nichts geändert hat. Lediglich die Art und Weise wie er es gesagt hat, hat sich geändert.
Oder anders gesagt. Er hats für die Dummen und für die Medienmanipulierten nochmal erklärt :)

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