Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Das kennen und mahnen sich Menschen seit Jahrhunderten. Heute würde man wohl sagen müssen „Wer den Cent nicht ehrt, ist des Euro nicht wert“. In den Sinn kommt es bei dem Vorhaben, die 1-Cent- und 2-Cent-Münzen abzuschaffen. Bei Barzahlungen soll auf die nächsten fünf Eurocent auf- oder abgerundet werden. Der Anstoß dafür kommt vom Nationalen Bargeldforum.*) Dazu hat die Deutsche Bundesbank jüngst eine Mitteilung veröffentlicht (hier). Sie begründet sie mit den Kosten, die entstehen, um die Münzen herzustellen, zu verpacken und zu transportieren. Klar, das Herstellen von Geld kostet Geld. Und es wird auch zutreffen, dass diese Kosten bei diesen beiden Kleinstmünzen im Verhältnis zu ihrem Nennwert hoch sind. Aber sind sie auch zu hoch? Wie hoch, teilen Bundesbank und Bargeldforum leider nicht mit. Doch die Kosten sind es nicht allein, beide Institutionen nennen auch andere Gründe für den Anstoß. Können die beiden Kleinstmünzen wirklich weg?
Die Berufung auf eine Umfrage – War sie neutral gehalten oder suggestiv?
Eine weitere Begründung lautet, mit dem Verzicht auf die beiden Kleinststückelungen des Euro werde Bargeld für die Nutzer attraktiver. Außerdem wäre der Bargeldkreislauf, besagt eine andere, nachhaltiger und effizienter. Beide sind nicht nachvollziehbar, denn eine Erläuterung dafür fehlt. Ferner beruft sich das Bargeldforum auf Umfragen. Danach seien Kleinmünzen nicht sehr beliebt: Im jüngsten Eurobarometer habe sich die Mehrheit der Befragten dafür ausgesprochen, die 1- und 2-Cent-Münzen abzuschaffen. Diese Meinungsumfrage gebe die EU-Kommission jährlich in allen EU-Staaten in Auftrag. Aber wie neutral ist die Umfrage formuliert oder wie suggestiv? Wie lauten die gestellten Fragen? Nur wenn man das weiß, lässt sich der Aussagewert der Umfrage beurteilen. Repräsentativ immerhin wird sie doch wohl sein. Aber die EU-Kommission gehört zu jenen Institutionen, die daran arbeiten, das Bargeld abzuschaffen, ist als neutral also nicht gerade verlässlich.
Umfragen sollen oft ergeben, was die Auftraggeber von ihnen erwarten
Unter den Begründungen liest man auch dies: „Zudem kehren die 1- und 2-Cent-Münzen seltener zu den nationalen Zentralbanken des Euroraums zurück als die Münzen mit höheren Nennwerten. Dies spricht dafür, dass diese Kleinmünzen überwiegend gehortet werden oder verloren gehen.“ Das soll wohl heißen: Niemand werde die beiden Münzen im Zahlungsverkehr vermissen. Mag sein, Menschen gewöhnen sich an fast alles. Aber davon, dass sie von sich aus die beiden Kleinstmünzen für lästig empfinden und danach drängeln, sie abzuschaffen, hat man bisher nichts vernommen. Umfragen dazu scheinen eher dafür zu dienen, den Menschen als sinnvoll oder notwendig nahezulegen und aufzudrängen, was Gremien beschlossen haben und planen. Dann wäre ihr Ergebnis das von den Auftraggebern herbeigefragte und gewünschte.
Eine Minderheit im Bargeldforum ist gegen das Abschaffen, aber warum, bleibt unerwähnt
An sich sollen die 1- und 2-Cent-Münzen beim Barzahlen eine betragsgenaue Herausgabe des Wechselgeldes ermöglichen. Doch eine Mehrheit im Bargeldforum hält es nun für richtig, auf diese beiden Münzen durch eine Rundungsregel im deutschen Bargeldkreislauf zu verzichten. Mit einer solchen Regel bleiben die Warenpreise unverändert, nur wird der Rechnungsbetrag des Wareneinkaufs beim Zahlen in bar entweder auf null oder fünf Cent kaufmännisch gerundet wird. Diese Regelung, so das Bargeldforum, würde den Bedarf an diesen Stückelungen gen Null führen. Deshalb ersucht es das Bundesfinanzministerium (BFM), „sich für eine verbindliche und möglichst europa-einheitliche gesetzliche Rundungsregelung einzusetzen und diese voranzutreiben“ (hier). Die Argumente der Forum-Minderheit gegen eine solche Regelung lässt das Forum freilich unerwähnt, als könnten sie unliebsame Überzeugungskraft haben.
Statt 4,99 gerundet 5 Euro, statt 1,02 gerundet nur 1 Euro – In einigen EU-Ländern schon gängige Praxis
In ihrer Mitteilung vom 11. März erläutert die Bundesbank: „Die vorgeschlagene Rundungsregel würde bedeuten, dass Käufer und Verkäufer bei einer Barzahlung die Summe des Gesamteinkaufs auf die nächsten fünf Cent auf- oder abrunden müssten. Kaufsummen, die auf ein oder zwei Cent enden, würden abgerundet und Beträge, die auf drei oder vier Cent enden, aufgerundet. Statt 4,99 Euro würden dann beispielsweise 5 Euro fällig, statt 1,02 Euro hingegen nur 1 Euro. In einigen europäischen Ländern wie in Finnland oder den Niederlanden ist dies gängige Praxis. Eine einheitliche europäische Lösung steht bisher aus.“
Warum bloß wird man einen bestimmten Verdacht nicht los?
Dass bei dieser Rundungsregel Verkäufer wohl lieber mit Preisen hantieren werden, die 1 oder 2 Cent unterhalb eines Euro-Betrags liegen, also hinter dem Komma auf ...,98 oder …,99 Euro lauten, und dann gern den nach oben gerundeten Euro-Betrag vereinnahmen, lässt sich leicht ausmalen. Das mag als nebensächlich und unerheblich empfunden werden. Doch ist zu bedenken, was einem solchen Schritt noch folgen kann und vermutlich noch folgen soll. In den Sinn kommt die Lebensweisheit aus der römischen Antike: Quidquid agis, prudenter agas et respice finem (Was immer du tust, tu es gut und bedenke das Ende). Wiegen die Argumente von Bargeldforum und Bundesbank wirklich schwer genug, um die beiden Kleinstmünzen abzuschaffen? Warum bloß wird man den Verdacht nicht los, dies könnte nur der erste Schritt dafür sein, irgendwann auch die anderen Euro-Münzen abzuschaffen – also die 50 Cent-, die 1-Euro und die 2-Euro-Münze – und danach die Euro-Scheine, also das ganze Bargeld aus dem Verkehr zu ziehen. Denn Kosten – selbst wenn sie bezogen auf den Nennwert geringer sind – entstehen auch für sie; auch sie sind herzustellen, zu verpacken und zu transportieren.
Das Bargeld insgesamt abzuschaffen, wird schon lange betrieben
Die Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen, laufen schon lange. Es sind politisch motivierte Bestrebungen, garniert mit Verführungssprüchen, wie bequem bargeldlose Zahlungen doch seien und wie hoch die Kosteneinsparungen. Mit dem Bargeld verschwindet auch die Freiheit des letzten möglichen anonymen Zahlungsverkehrs. Diese Freiheit ist autoritären Politikern und Bürokraten ein Dorn im Auge. Schon seit 2009 gibt es die EU-Richtlinie 2009/110/EG. Was sie bedeutet, wohin sie führt, siehe hier, das ganze Dokument hier. Im April 2017 hat der IWF in Washington das Arbeitspapier WP 17/71 zur Bargeldbeseitigung (de-cashing) veröffentlicht. In seinen Schlussfolgerungen wartet es mit Ratschlägen auf, wie Regierungen den Widerstand der Bevölkerung unterlaufen und sie über die wahren Absichten täuschen können. In dem Beitrag The Macroeconomics of De-Cashing empfiehlt der IWF-Analyst Alexei Kireyev den Regierungen, die das Bargeld abschaffen wollen, mit kleinen Schritten anzufangen. So nachzulesen in meinem Beitrag von 2018 „Wie uns das Bargeld madig gemacht wird“ (hier) oder von 2016 „Der Kampf um das Bargeld“ (hier) oder von 2015 „Bargeld lacht. Aber bald nicht mehr“ (hier).
Geldmünzen sind geprägte, Geldscheine gedruckte Freiheit
Können also die beiden Kleinstmünzen des Euro wirklich weg? Können schon, dürfen nicht. Sie sind der Anfang von einem absehbaren, schon lange geplanten Ende, ein erster Schritt von einem möglichen letzten. Der Alt-Lateiner hat dafür die Worte initiis obsta parat, auf Deutsch: Wehret den Anfängen. Bares bleibt Wahres. Die Bargeldkosten – Scheine drucken, Münzen prägen, sie transportieren, aufbewahren, verwalten, überwachen – sind Freiheitskosten. Für das Freiheitsrecht, in bar und damit anonym zu bezahlen, sind die Kosten nicht zu hoch. Sie sollten uns die Freiheit wert sein. Für die Menschen sind sie gut angelegtes Geld. Die Gründe, das Bargeld zu verteidigen, sind gute Gründe. Bargeld beschert und sichert individuelle Freiheit. Geldmünzen sind geprägte, Geldscheine gedruckte Freiheit.
Alle meine bisherigen Beiträge mit den Themenschwerpunkten Freiheit, Wirtschaft und Rechtsstaat finden Sie hier: www.kpkrause.de
____________________________________
*) Das Nationale Bargeldforum gibt es erst seit einem Jahr. Gegründet wurde es auf Initiative der Deutschen Bundesbank mit dem Ziel, Bargeld als allgemein verbreitetes Zahlungsmittel zu sichern und verfügbar zu halten. In dem Gremium sind die Verbände der Kreditwirtschaft, des Einzelhandels, des Verbraucherschutzes, der Geld- und Wertdienstleistungsbranche und der Automatenbetreiber vertreten. Die Auftaktveranstaltung und erste Sitzung hat am 16. Februar 2024 stattgefunden, die zweite Sitzung am 20. November 2024, beide bei der Bundesbank in Berlin (Protokolle davon hier und hier). Die dritte Sitzung wurde vom 12. auf den 5. November 2025 vorverlegt. Zusammentreten soll das Forum bis zu zweimal im Jahr. Arbeitsgruppen sollen die fachliche Grundlage für dessen Arbeit liefern.
Das Mandat, das sich das Forum bei seiner Gründung gegeben hat, lautet: „Ziel des Nationalen Bargeldforums ist es, Bargeld als kostengünstiges und effizientes Zahlungsmittel in einem Umfeld des sich wandelnden Zahlungsverhaltens verfügbar zu halten und zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen,
- erörtert das Gremium alle relevanten Aspekte des Barzahlungsverkehrs, insbesondere aber die Themenschwerpunkte Zugang zu und Akzeptanz von Bargeld, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Not- und Krisenvorsorge sowie grenzüberschreitende Zusammenarbeit,
- entwickelt das Gremium konkrete Handlungsempfehlungen.“
Nach eigenem Bekunden dient das Forum „dem fortlaufenden und offenen Austausch über Bargeldfragen zwischen den relevanten Stakeholdern des Bargeldkreislaufs in Deutschland. Ziele sind, eine intensivere Kooperation der Bezugsgruppen untereinander zu fördern, die Interessen der Stakeholder zu bündeln sowie Initiativen zur Verbesserung und Stabilisierung des Bargeldkreislaufs vorzubereiten. Durch das Nationale Bargeldforum setzen die Bargeldakteure ein deutliches Zeichen für das Bargeld.“ Die Web-Seite des Forums (hier) dient außerdem als zentrale Informationsquelle zum Thema Bargeld. Es finden sich dort auch grundlegende Informationen zu Banknoten und Münzen.
Unerfindlich bleibt, warum das Bargeldforum die Arbeitsregeln, die es sich in seiner Sitzung gegeben hat, unnötig und bödsinnig „Working Rules“ nennt. Die Sprache in Deutschland ist bekanntlich deutsch.
Zum Zahlungsverhalten in Deutschland nach dem Stand von 2023 („Bargeld bleibt an der Ladenkasse meistgenutztes Zahlungsmittel, Karte und mobiles Bezahlen gewinnen hinzu“) siehe Bundesbank Mitteilung vom 1. Juli 2024 hier.
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Sofern die gedanklich durchgespielte Abschaffung der 1 - und 2-Centmünzen ehrlich gemeint ist, hätte ich nichts dagegen.
Selbstverständlich wird es z. B. weiterhin die xxx,99-Preise/ltr an den Tankstellen geben. Gerundet auf 5 Cent würde ja nur beim zu zahlenden Gesamtbetrag.
Abschaffung der Kleinmünzen dürfte auch weiter die Inflation steigern!
Das sogenannte "Nationale Bargeldforum" ist letztlich auch nur eine Art NGO, welche die Regierungsmeinung vertritt. Übrigens: Bei der Volksbank/Raiffeisenbank kostet jede Kartenzahlung 30 Cent - noch zusätzlich zur Kontoführungsgebühr!
... „Das Nationale Bargeldforum und die Bundesbank wollen die 1- und 2-Cent-Münzen abgeschafft sehen – Die Begründungen klingen gut, sind aber nicht überzeugend genug“ ...
Weil die Abschaffung dieser Münzen nur dem Beginn der Liquidierung des Bargeldes insgesamt dienen soll, deren Ziele auch aus meiner Sicht mit gutem(?) Grund mit entsprechender ´Hinterfotzigkeit` formuliert wurden?!
https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2015/heft/8/beitrag/mit-bargeld-zahlen-ein-auslaufmodell.html#:~:text=Die%20Abschaffung%20von%20Bargeld%20soll,Transaktionskosten%20des%20Zahlungsverkehrs%20zu%20senken.