Kitas entsprächen dem Wunsch nach modernen Lebensformen

Kita-Lüge 4: Das traditionelle Familienmodell sei überholt. Bei der Bildungsbiographie von Kindern und Jugendlichen spiele noch immer die familiäre Herkunft eine große Rolle. Dieser ärgerliche Zustand könne abgeschafft werden durch kollektivistische Erziehungsmodelle.

Veröffentlicht:
von

Dass das traditionelle Familienmodell überholt sei, verkünden besonders eindringlich die Grünen, neuerdings auch die EKD (3). Die Piraten möchten gar den Begriff „Ehe“ verbannen.

Studien und Umfragen von Forsa, Allensbach und Ipsos aus den Jahren 2005 und 2007 sprechen eine andere Sprache: Für fast 90% der Deutschen steht demnach Familie weiter an erster Stelle ihrer persönlichen Prioritäten. Nur eine Minderheit der Befragten macht ihren Wunsch nach (weiteren) Kindern von Betreuungsmöglichkeiten abhängig. Wenn Eltern das Geld zur eigenen Verfügung hätten, welches Bund, Länder und Kommunen in einen Krippenplatz investieren, würden sich 69,2 % dafür entscheiden, ihre Kinder selbst zu betreuen. Wenn zusätzlich die Bedingung erfüllt wäre, dass der Wiedereinstieg in die alte berufliche Position auch nach mehreren Erziehungsjahren problemlos gelänge, würden sich 70% der Mütter, deren ältestes Kind jünger als drei Jahre ist, dafür entscheiden, drei bis sieben Jahre zu Hause zu bleiben. Eine Umfrage der NGO Mouvement-Mondial-des-Mères (Internationale Mütterbewegung) im Auftrag der Europäischen Kommission erbrachte auch im Jahre 2011 noch ähnliche Ergebnisse: 61% der Mütter wollen sich in den ersten drei Lebensjahren ganz den Kindern widmen, 37% auch danach. 63% der Mütter wollen eine Kombination aus Teilzeit-Erwerbstätigkeit und Familienarbeit, 26% möchten sich vollständig um ihre Familie kümmern und 11% wünschen eine Vollerwerbstätigkeit. Anlässlich einer Umfrage aus dem Jahr 2012 resümiert Allensbach: “Bei keinem Punkt der Studie klaffen Anspruch und Wirklichkeit so sehr auseinander wie bei der Frage nach viel gemeinsamer Zeit der Eltern mit ihren Kindern. 83% halten dies für wünschenswert, nur 28% sehen es als verwirklicht an.“

Dass dies alles natürlich nicht finanzierbar sei, erscheint als eine weitere Lüge, zumindest als ein Armutszeugnis angesichts der Milliarden, die problemlos zur Rettung von allem und jedem vorhanden sind.

Umso mehr muss deshalb verwundern, dass moderne Lebensformen reklamiert werden, indem man die alten marxistisch-bolschewistischen- und DDR-Lebensformen wieder entstaubt. 1848 hieß es im „Kommunistischen Manifest“ von Karl Marx und Friedrich Engels: „Die Familie des Bourgeois fällt natürlich weg“ und „an die Stelle der häuslichen Erziehung (setzen wir) die gesellschaftliche“. Die Folge war in der Sowjetunion ab 1920: Kindererziehung durch den Staat, Mütter in die Produktion. In der DDR wurden ab 1950 die Säuglinge so früh wie möglich staatlich erzogen. Über die Erfahrungen dort berichtet die Kinderärztin Gisela Kalz: kontinuierliche grippale Infekte, psychischen Hospitalismus, psychische und physische Retardierung: „Als Kinderärztin erfuhr und erfährt man tagtäglich in der Sprechstunde das `plötzliche` Auftreten von gehäuften Infekten, […] erfährt die stagnierende Sprachentwicklung, erfährt die von den Eltern beklagten ‚plötzlichen` Verhaltensauffälligkeiten beim Kind: Rückzug, Schlafstörungen, Unruhe oder oppositionelles Verhalten bis zu Aggressivität`“, schreibt Gisela Kalz. (4) Solche Befunde veranlassten das Regime ab 1986 immerhin zu Lohnfortzahlungen für 12 Monate und für 18 Monate für das dritte Kind. Diese Ideologie erwies sich also sowohl in der DDR als auch in der Sowjetunion als kontraproduktiv. Dies wurde dort, wenn auch zu spät, zumindest erkannt.

Die Nationalsozialisten versuchten sich in ihrem Programm „Lebensborn“ ebenfalls mit Kollektiverziehung. Ein weiteres gescheitertes Großexperiment waren die israelischen Kibbuzim. Die Folgen dieser freiheitsverachtenden Experimente waren katastrophal, allerdings muss das in Deutschland offensichtlich verdrängt worden sein, denn schon im zweiten Familienbericht der sozialdemokratischen Regierung von 1975 tauchten die alten, totalitären Ideologien wieder auf: “Erziehung der Kinder ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe […]. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe überträgt unsere Gesellschaft Familien und außerfamilialen pädagogischen Einrichtungen.“ - Von modernen Lebensformen kann keine Rede sein.

Der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio weist darüber hinaus auch in diesem Zusammenhang auf die grundgesetzwidrigen Tendenzen hin: „Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung: ein bemerkenswerter Verfassungssatz. In einem negativen Sinne ist es dem Staat untersagt, Ehe und Familie zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen; in einem positiven Sinne geht es um die Aufgabe des Staates, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen Dritter, also durch gesellschaftliche Kräfte, zu bewahren, sondern soweit erforderlich auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern […]. Als Lebens- und Entfaltungsraum für die Einheit von Erwachsenen und Kindern ist Familie ein Refugium gesellschaftlicher Freiheit, abgeschirmt von der Macht der Kollektive, dabei selbst eine ursprüngliche, erste und sozial unabgeleitete Gemeinschaft.“ Und weiter: „Die intakte Familie prägt wie keine zweite Instanz den freien Menschen als zur moralischen Einsicht fähigen Bürger […]. Die Gemeinschaft von Ehe und Familie ist ein Teil der Privatsphäre, das heißt, mit dem Recht bewehrt, alles Öffentliche dort auszuschließen. Der Ruf nach dem Staat führt zu einem Eindringen der öffentlichen Gewalt in diese privat abgeschirmte Sphäre, führt à la longue zu einer Vergesellschaftung der familialen Gemeinschaft“.

Gerade dies ist jedoch eines der Motive für die Umsetzung der angestrebten sogenannten „modernen Lebensformen“: die immer wieder in Studien festgestellte und anschließend heftig beklagte Rolle der familiären Herkunft von Kindern und Jugendlichen. Gleichgültig wie stark die „Chancengleichheit“ ausfällt, ob frühe Kitas, gemeinsames Lernen, Ganztagsschule, immer noch findet sich die ärgerliche Abhängigkeit von der familiären Herkunft. Statt nun grundsätzlich den offensichtlichen Einfluss der Familie positiv zu verstärken, wird er kurzerhand abgeschafft. Auch dazu gibt es Anleitungen im zweiten Familienbericht von 1975: „Die Familie tradiert und stabilisiert das bestehende System sozialer Ungleichheit. Dies lässt sich nur in dem Maße durchbrechen, in dem der Sozialisationseinfluss der Familie zurückgedrängt wird“, doch „nur die vollständige Preisgabe der Familie und damit einhergehend eine totale Kollektivierung der Erziehung würde die Chance schaffen, im Sozialisationsprozess den Kindern gleiche Entwicklungschancen anzubieten. Dergleichen erscheint aber in der heute kalkulierbaren Zukunft weder machbar noch wünschbar.“ Im Jahre 2002 ist der damalige Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz, schon weiter: Er strebt an, „die Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern.“

(3) Zwischen Autonomie und Angewiesenheit. Eine Orientierungshilfe des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 2013

(4) Gisela Kalz: Die Krippenerfahrung der DDR ernst nehmen, FAZ vom 13. 4. 2012

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang