Kirchliches Arbeitsrecht: Chance verpasst!

Das kirchliche Arbeitsrecht ist in Kirche und Öffentlichkeit immer mal wieder ein Streitpunkt. Eine Chance zur Klärung hat man gerade wieder verpasst.

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Gestern hat die Deutsche Bischofskonferenz eine Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechts vorgelegt, die mit Spannung erwartet wurde. Mit Spanung deshalb, weil dieses Sonderrecht der Kirchen immer mal wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen ist (immer mit prägnanten Beispielen wie der wiederverheirateten Kindergärtnerin oder der muslimischen Reinigungskraft im katholischen Krankenhaus) und weil im Vorfeld spekuliert wurde, man würde in der katholischen Kirche in Deutschland schon mal eine geforderte Änderung in der Moral- und Sakramentenlehre vorwegnehmen.

Und mit der Entscheidung schlagen die Wellen tatsächlich hoch: So soll eine zivile Wiederverheiratung eines Angestellten der katholischen Kirche oder das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (“Homo-Ehe”) nur noch im Fall von “pastoral-katechetischen und bischöflich besonders beauftragten Mitarbeitern” als schwerer Loyalitätsverstoß gelten. Auch hier soll es keinen Automatismus zur Kündigung geben, es wird aber klar herausgestellt, dass an solche Mitarbeiter andere Anforderungen gestellt werden als an sonstige Mitarbeiter.

In der Pressemitteilung der DBK heißt es dazu:

4. […] Die Neufassung der Grundordnung unterscheidet zwischen Loyalitätsverstößen, die für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten, und solchen, die nur von katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begangen werden können. Zu den schwerwiegenden Verstößen zählen z. B. das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung von Abtreibung oder von Fremdenhass), der Austritt aus der katholischen Kirche oder kirchenfeindliches Verhalten.

5. Die erneute standesamtliche Heirat nach einer zivilen Scheidung ist zukünftig grundsätzlich dann als schwerwiegender Loyalitätsverstoß zu werten, wenn dieses Verhalten nach den konkreten Umständen objektiv geeignet ist, ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis zu erregen und die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Dasselbe gilt für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Diese Handlungen besitzen damit bei Vorliegen besonderer Umstände und damit nur in Ausnahmefällen Kündigungsrelevanz. Das ist z. B. der Fall, wenn objektive Gründe befürchten lassen, dass eine erneute standesamtliche Ehe oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft sich störend auf die Zusammenarbeit in der Dienstgemeinschaft auswirkt. Bei einer Wiederverheiratung können sich solche Umstände zum Beispiel ergeben aus der beruflichen Stellung des Mitarbeiters, aus der Art und Weise, wie der geschieden wiederverheiratete Partner mit dem Scheitern der Ehe bzw. Wiederheirat in der Öffentlichkeit umgeht oder wie er seine gesetzlichen Verpflichtungen aus seiner ersten Ehe erfüllt. Notwendig ist eine Gesamtbeurteilung. […]

Bei bestimmten Berufsgruppen bestehen erhöhte Loyalitätserwartungen. Hierzu zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die pastoral, katechetisch, aufgrund einer Missio canonica oder einer besonderen bischöflichen Beauftragung tätig sind. Ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß ist bei diesen Personengruppen in jedem Fall geeignet, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen. Insoweit bleibt es im Wesentlichen bei der bisherigen Rechtslage.

Dass mit der Neuordnung des kirchlichen Arbeitsrechts auch den Gewerkschaften mehr Rechte eingeräumt werden, stimmt mich als ausgewiesenen Gewerkschaftsskeptiker nachdenklich, ist aber wohl lediglich der Rechtsprechung geschuldet, die ein solches Zugeständnis notwendig gemacht haben (siehe Abschnitte 1 und 2 der Pressemitteilung). Mir stellt sich jedenfalls die Frage, ob sich die Aufregung in katholischen Kreisen im Vorfeld gelohnt hat oder es doch nur ein Sturm im Wasserglas war?

Ich bin kein Kirchenrechtler, aber wenn ich es richtig weiß, haben die Kirchen in der Gestaltung ihrer Arbeitsverträge ein gerüttelt Maß an Freiheiten. Das berechtigt sie, auf den katholischen Glauben ihrer Mitarbeiter zu bestehen (wie immer man das prüfen will) und zeugnishafte Handlungen, wie eben eine zivile Wiederverheiratung, durch eine Kündigung zu ahnden. Die Kirche kann das tun, sie muss aber nicht. So besteht innerkirchlich in der Tat die Frage, ob Änderungen wie die oben beschriebenen eine Signalwirkung haben und wie die genau aussieht.

Zunächst mal kann man den Aspekt der Lebensrealitäten (wohlwissend, dass der Begriff reichlich “verbrannt” ist) in den Vordergrund stellen: In Deutschland gibt es über 1 Million Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen, bei denen man rein faktisch nicht immer von einem christlich beispielhaften Lebenswandel ausgehen kann. Darüber hinaus stellt sich auch insgesamt die Frage, ob Mitarbeiter, die nicht in einem “pastoral-katechetischen” Umfeld arbeiten, tatsächlich derartige Anforderungen erfüllen müssen. Beispielhaft: Ist eine muslimische Reinigungskraft schlechter als eine christliche? Geht von einer muslimischen Reinigungskraft eine Gefahr für die Kirche aus? Sicher nicht!

Schwieriger ist dagegen schon die Frage, ob mit einer Anpassung des Kirchenrechts, nach der Menschen in aus katholischer Sicht ungeordneten Lebensverhältnissen nur noch in Ausnahmefällen arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten müssen, eine Akzeptanz solcher Verhältnisse signalisiert wird. Ich will nicht behaupten, dass es eine solche Gefahr nicht geben kann, aber jemanden einzustellen bzw. nicht zu kündigen und seinen Lebenswandel gutzuheißen sind doch noch zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Die Einstellung, die hier zum Tragen kommt ist eine Hopp-oder-Topp-Bewertung, die zu einem Legalismus führt, den man nur noch als unchristlich bezeichnen kann: Wer sich nicht adäquat verhält, fliegt raus!

Insofern ist die individuelle Unterscheidung der Einsatzgebiete der Mitarbeiter sicher sinnvoll. Für einen Mitarbeiter, der auch als Seelsorger tätig ist, Katechesen anbietet oder in anderer Weise in prominenter Stellung für die Kirche arbeitet, sollten andere Bedingungen gelten als für einen reinen Verwaltungsmitarbeiter. Das ist ein generelles Problem der Kirche: Katecheten, die nicht vorleben, was sie vermitteln oder die gar einfach vermitteln, was sie selbst vorleben können, sind immer schädlich, egal ob sie fest angestellt sind oder nicht. Es ist also geboten, sich an dieser Stelle  arbeitsrechtliche Konsequenzen vorzubehalten.

Es wird sich aber in der Praxis erweisen müssen, wie man mit den neuen Regeln umzugehen gedenkt, sowohl in Streitfragen bei “normalen” Mitarbeitern wie bei Mitarbeitern mit pastoral-katechetischen Aufgaben, inklusive der Frage, welche Mitarbeiter eigentlich wozu gehören. Und in diesem Zusammenhang ist eine Aussage des Kölner Kardinals Woelki interessant, der die betreffende Arbeitsgruppe der Bischöfe geleitet hatte, zu dem bereits oben angebrachten Beispiel der Kindergartenerzieherin. Kath.net zitiert den Kardinal mit den Worten: “Zu welcher Gruppe die Leiterinnen von Kindertagesstätten gehören, wird davon abhängen, ob sie eine besondere bischöfliche Beauftragung erhalten oder nicht. Die Entscheidung hierüber trifft der jeweilige Ortsbischof.”

Das allerdings macht mich hinsichtlich der neuen Regelungen tatsächlich skeptisch: Wenn sich schon zu den prägnanten und in der Öffentlichkeit diskutierten Fällen keine einheitliche Sicht herstellen lässt, wenn es weiterhin im Ermessen des Diözesanbischofs liegen soll, wie eine solch exponierte Funktion ausgestaltet werden soll und ob sie mit einer der Kirchenlehre loyal gegenüberstehenden Mitarbeiterin besetzt sein sollte, dann liefert die Regelung eher neue Verwirrung denn Klärung. Egal wie man in diesen Dingen entscheidet, an Kritikern wird es nicht mangeln, das hat schon das Vorgeplänkel deutlich gemacht. Keine eindeutige Position zu vertreten, und das erscheint mir das das jetzt vorliegende Ergebnis zu dokumentieren, ist aber zumindest kirchenintern der “worst-case”, aus dem sich jeder das herauspicken kann, was er will.

Weder kirchliche Mitarbeiter noch Kirchenkritiker noch die interessierte Öffentlichkeit haben daher durch die neuen Richtlinien Klarheit erlangt. Zumindest den ersteren wäre man eine klare Kante, auch eine, die dem einen oder anderen nicht gefällt, schuldig gewesen.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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