Kein Todesporno für die Playstation-Generation, sondern guter alter Noir

Dave Zeltsermans „Paria“ erscheint bei Pulp Master

Veröffentlicht:
von

Ein Plagiat ist schlimmer als Mord und die folgenschwere Entführung eines kleinen Kindes. Auf diese zynische Formel lässt sich Dave Zeltsermans wuchtiger Kriminalroman „Paria“ www.pulpmaster.de/z/34.shtml bringen. Dass der schwere Junge Kyle Nevin einige Passagen aus Dashiell Hammetts Meisterwerk „Rote Ernte“ www.diogenes.de/leser/katalog/nach_autoren/a-z/h/9783257240733/buch kopiert hat, gilbt in unserer teilweise perversen Mediengesellschaft als ein bösartigeres Verbrechen als Mord und Totschlag.

 

Der Autor Dave Zeltserman wurde 1959 in Boston geboren und hat dort einige Jahre als Software-Entwickler gearbeitet. Mittlerweile schreibt er hard-boiled novels und übt sich in Kampfsportarten. In seinem Vorwort macht der Bestseller-Autor Roger Smith („Kap der Finsternis“ u. a.) deutlich, was den Rang Zeltsermans ausmacht. Dieser schreibe keine „Todespornos für die Playstation-Generation“, sondern halte der amerikanischen Gesellschaft einen dunklen Spiegel vor.

 

Kyle Nevin, aus dessen kranker Perspektive dieser Roman ohne Schnickschnack kraftvoll und unverfälscht erzählt wird, ist ein ziemlicher übler Bursche, getrieben von der Gier nach Gewalt, Geld, Rache, Alkohol und Sex (für den er manchmal allerdings Koks oder blaue Pillen braucht).

 

Er war einst Teil einer irischen Gangsterbande in South Boston. Doch dann wurde er vom Hauptboss Red Mahoney verraten und wanderte für acht Jahre in den Knast. Als er aus der Haft entlassen wird, sind nicht nur die Benzinpreise drastisch gestiegen, auch sonst hat sich die Welt verändert. Sein ehedem ebenfalls wenig zaghafter Bruder Danny, bei dem Kyle unterkommt, hat sich zu einem Weichei mit Honda Civic statt BMW gemausert, der malochen geht und mit einer flachbrüstigen Vegetarierin zusammenlebt, in deren Bude nicht mal geraucht werden darf. Kyle kennt nur noch einen Gedanken: Rache an Red Mahoney und wieder schwere Dinger drehen. Zwischendurch geht er der nymphomanen Nola an die Wäsche (oder umgekehrt), die auf harte Jungs steht.

 

Doch die kriminellen Aktivitäten Kyles enden in einem ziemlichen Desaster. Die Entführung eines kleinen Jungen, der an der Bluterkrankheit leidet, schläft fehlt. Zeltserman gelingt das Kunststück, das man dem Widerling Kyle zwar Abscheu entgegenbringt. Doch dieses machohafte Großmaul ist so überzeichnet, dass man die 360 Seiten durchgehend mit großem Vergnügen liest. Der Humor kommt nämlich nicht zu kurz. Deutsche und skandinavische Betroffenheits-Kriminalautoren: Schneidet Euch hier mal ein Stück ab!

 

Das Buch ist auch deshalb so gelungen, weil es auf einer zweiten Ebene als veritable Mediensatire durchgeht. Ein großer New Yorker Publikumsverlag will nämlich mit den Erlebnissen des kriminellen Kyle richtig Kohle machen – ohne Rücksicht auf Verluste, auf die Moral, auf die Familie des Entführungsopfers.

 

Am Ende machen die Blogs den „Schriftsteller“ Kyle zur Witzfigur, weil er sich bei einem wahren Meister des Noir wie Hammett etwas zu ausgiebig bedient hat. Google schlägt zurück. Der harte Gangster erleidet das Schicksal deutscher Minister (Achtung: Plagiat!) und kommt zu Fall.

 

Die Moral von der Geschicht’: Abschreiben ist schlimmer als Mord, zumindest in der Welt der Blockwart-Blogger, die die auf ihre meist anonyme Jagd nach abgeschriebenen Textpassagen gehen.

 

Dave Zeltserman: Paria. Pulp Master Band 34: Berlin 2013: 369 Seiten. 13,80 Euro: ISBN 9 783927 734470.

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang