Kein Kreuz im öffentlichen Raum

Das Gerichtsurteil zum italienischen Kruzifix war richtig. Eine Antwort auf 12 Thesen.

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Ich war mir eigentlich sicher, dass eine der Erwähnungen des "großen Milton Friedman" oder eine der Forderungen nach mehr Gier mich dazu veranlassen würde, in der Freien Welt negativ aufzufallen. Jetzt ist es aber doch anders gekommen, denn die 12 Thesen, die Josef Bordat für Europe for Christ veröffentlichte, verlangen eine Entgegnung.


Es erstaunt mich, dass die Frage der Religionsfreiheit immer noch ein Problem für manche darstellt. Es sollte mittlerweile selbstverständlich sein, dass Religionsfreiheit sowohl positive wie negative Freiheit bedeutet, also sowohl die Freiheit, seine Religion auszuüben, wie auch die Freiheit anderer, nicht zu einer Religion gezwungen zu werden. Dazu gehört – auch vor dem Hintergrund eines säkularen Staates – eben die Neutralität des öffentlichen (i.S. von staatlichen) Raumes. Und Schulen sind ein solcher Raum, wie man in Bayern schon 1995 erfahren durfte und wie in den Diskussionen um Kopftuchverbote immer wieder zum Ausdruck kommt.
In den Thesen kommt aber zum Ausdruck, hier werde die "Konfrontation", die Begegnung mit Religion verboten. Das ist, mit Verlaub, Unsinn. Eine in staatlichen Gebäuden zur Schau gestellte Religion impliziert eine Staatsreligion, eine allgemeine Identifikation aller Vertreter der entsprechenden Institution.


Mir gefällt, dass die Thesen explizit die "slippery slope" erwähnen, jenen schlüpfrigen Abhang, der eine häufige Argumentationsschwäche aufdeckt, nämlich die Überzeichnung von Konsequenzen. Wenn wir heute Homo-Ehe einführen, dürfen Leute morgen Hunde und Kinder heiraten. Ebenso verhält es sich mit der vermeintlichen Verfolgung von Christen aufgrund ihres Glaubens; eine slippery slope ist keineswegs ein gültiges, sondern ein ungültiges Argument.


Immer wieder geht es um die "Konfrontation" mit christlichen Werten, als werde diese durch das Urteil verhindert. Wird sie nicht. Auch an meiner Kruzifix-freien Universität bin ich schon mehrfach angesprochen worden, um mich zu bekehren, und allenthalben wird auf die Aktivitäten bspw. der Evangelischen Hochschulgruppe aufmerksam gemacht. Ich werde ständig mit Religion konfrontiert, nur nicht von staatlich-offizieller Seite. Das ist der Sinn hinter diesem Urteil.


Dann wird die englische Krankenschwester angesprochen, der angeblich das Kruzifix verboten wurde. Leider verhält es sich nicht ganz so, wie behauptet wird. Das Krankenhaus (nicht der Staat!) hat eine neue Uniformregelung erlassen, und demnach muss die Krankenschwester ihr Kreuz ablegen – oder es unter der Kleidung tragen. Das ist kein Religionsverbot. Im Gegenzug kann ich von atheistischen Kindergärtnerinnen und lesbischen Krankenschwestern erzählen, die tatsächlich ihre Identität verleugnen müssen, um ihren Job in christlichen Anstalten nicht zu verlieren. Da sollte man das Maß im Auge behalten.


Zwei Dinge müssen noch gesagt werden. Erstens ist es unerheblich, ob die Mehrheit der Befragten das Kreuz behalten will; es ist ja gerade Zeichen unseres Rechtsstaates, dass es die Rechte von Minderheiten auch gegen die Mehrheit schützt, und in dem vorliegenden Fall fand eben eine Rechtsverletzung statt. Das ist der wichtige Punkt: hier wird nicht der Wille von Minderheiten zum Gesetz gemacht, sondern die Rechte eines jeden Menschen auch für Minderheiten durchgesetzt.
Zweitens ist der Satz, das Kreuz sei das Zeichen Europas, weitgehend inhaltsleer. Europa als Wiege des Christentums ist natürlich durch selbiges geprägt, aber ebenso könnte man die Aufklärung dafür benennen, wenn sie denn ein Symbol hätte. Allerdings wird dadurch das Kreuz nicht zu einem neutralen Kultursymbol, dass man quasi neben der Europaflagge aufhängen kann, sondern es ist immer noch eine "Landesflagge", die Kennzeichnung einer bestimmten Denomination. Es ist nicht der Weihnachtsmann – der kann zu jedem kommen –, sondern das Christkind, und das kommt nur zu Christen.


(kreuzgeschrieben auf Derangierte Einsichten)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freieheit

Hallo,
wahre Freiheit wäre, wenn Menschen sich erst im Erwachsenenalter für einen Glauben entscheiden könnten. Davor ist es mentaler Kindsmissbrauch, die wehrlosen Wesen mit Religion zu belästigen.
Im Öffentlichen Raum hat keine Religion etwas zu suchen. Religion ist reine Privatsache.
Grüße
Freigeist

Gravatar: JS

@Pricken
Ja, das ist in der Tat Realsatire pur! Denn: Diese Erklärung mit den 12 Sternzeichen stammt vom SWR. Wenn Sie noch mehr lachen wollen, lesen Sie, was von SWR und sonstigen offiziellen Erklärungen zur EU-Flagge noch so abgeliefert wird, inklusive EU-Seite. Worüber Sie (noch) lachen (können), sind offizielles Dogmen. Ich fand die EU auch mal lustig, seit Lisabon gefriert mir das Lachen jedoch.

Gravatar: Amelie E. Schneidereith

@ Werner:
Beim Adoptivkind (volljährig) habe ich weder Inzest noch Kindesmissbrauch. Mit der Oma habe ich keinen Sex. Jede Liebe ist anders.

Und was ist mit einem nichtverwandten Pflegefall, um den ich mich kümmere, tagein, tagaus? Oder einer normalen Freundin, mit der ich zusammenlebe, ohne Sex, ohne Kinder- aber wir haben uns versprochen, immer füreinander da zu sein.

Ist das EHE? Ich möchte meine lebenslange Bindung und das Füreinander Einstehen als EHE anerkannt haben. Sonst fühle ich mich diskriminiert.

Gravatar: Susanne Werner

@Amelie E. Schneidereith
Haben sie zu ihrem Ehemann das selbe Verhältnis wie zu ihrem Opa oder ihrer Oma oder einem Adoptivkind? Besteht da nicht ein entscheidender Unterschied?
Und was wollen sie mit diesem Vergleich aussagen, indem sie Inzest auf die selbe Stufe stellen mit der Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen?

Gravatar: Amelie E. Schneidereith

@ Pricken: Sie schreiben:
"...Überzeichnung von Konsequenzen. Wenn wir heute Homo-Ehe einführen, dürfen Leute morgen Hunde und Kinder heiraten."

Wenn ich mit Blick auf gegenseitige Liebe, Pflege und Anteilnahme usw. die Gleichstellung von Homo-Ehe zur Ehe fordere, weil in beiden Fällen man sich liebt und pflegt und anteilnimmt und deswegen schon mient, dann muesse die Verbindung der Homos eben auch unbedingt eine "Ehe" sein, dann möchte ich gerne wissen, warum ich meinen Opa nicht heiraten kann, den ich liebe und pflege und an dessen Leben ich rund um die Uhr anteilnehme. WO ist der Unterschied??? Wenn die Homo-Pflege-Beziehung eine EHE ist, dann ist es auch die Oma-Enkel-Pflege, wenn ich mit der Oma zusammenlebe, oder? Und wenn mein Adoptivkind (um die Blutsnähe herauszunehmen) einen schweren Unfall hat und dann 24 h/Tag lebenslänglich von mir gepflegt wird, wieso wird mir dann die EHE für diese Verbindung nicht genehmigt: WARUM? Ich bitte herzlich um eine ANtwort. Mein ANtwort ist klar:

Ehe ist zwischen Mann und Frau. Alles andere ist schlicht ein aliud.

Gravatar: Meinert

Vielen Dank Herr Pricken, dass sie hier ein paar klare Worte gesprochen haben.

@Frank Martin
"ein religiöses Symbol in einem öffentlichen Raum impliziere eine Staatsreligion wird nicht dadurch realistisch, daß man auf eine Begründung für die Behauptung verzichtet." Wenn ich sie zu mir einlade und in meinem Wohnzimmer hängt ein Kreuz an der Wand gehen sie also nicht davon aus, dass ich Christ bin?
"Rechte von Minderheiten werden durch ein Kreuz in einem öffentlichen Raum ja nicht beeinträchtigt." Wenn das wirklich so wäre, könnten wir ja problemlos das Kreuz gegen ein anderes Symbol autauschen, es führt ja zu keiner Beeinträchtigung. Eben das so eine Aufregung um das Entfernen des Kreuzes herrscht ist ja ein Beweis dafür, wie bedeutent diese Symbole für die Gläubigen sind.

Gravatar: Frank Martin

Aus einem Kruzifix in einem Klassenraum einen Zwang zur Religiosität zu konstruieren, ist mindestens sehr mutig.
Auch die Vorstellung, ein religiöses Symbol in einem öffentlichen Raum impliziere eine Staatsreligion wird nicht dadurch realistisch, daß man auf eine Begründung für die Behauptung verzichtet.
Selbstverständlich kommt es nicht auf Mehrheiten an. Rechte von Minderheiten werden durch ein Kreuz in einem öffentlichen Raum ja nicht beeinträchtigt.
Es muß auch niemand seine Identität verleugnen, wenn er an seinem Arbeitsplatz darauf verzichtet, seine sexuelle Orientierung bekanntzugeben.
Alles in allem erneut ein erschreckend schwacher Beitrag des Herrn Pricken.

Gravatar: JS

Ein zwangssekularisierte Gesellschaft ohne jegliche Religionssymbolik ist eine Utopie. Die Symbolik wird dann von anderen Kulten, Religionen oder Quasi-Religionen übernommen. Die EU-Flagge ist nicht nur quasi-religiös. Sie basiert auf Freimaurer-Symbolik mit den Sternen, die nicht die Staaten sondern die 12 Sternzeichen repräsentieren. Es ist ein eindeutig religiöses Symbol. Mit der EU-Forderung alle konkurrierenden religiösen Symbole zu verbieten, wird die Staatreligion festgelegt.

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