Kein Allgemeinwohl ohne Eigentum

Der Streit um den Uferweg des Villenviertels am Griebnitzsee in Potsdam-Babelsberg illustriert wie fragil Rechtssicherheit und Privateigentum auch hierzulande sind.

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Es gibt Situationen, in denen der Schutz individuellen Eigentums mit den Interessen des Allgemeinwohls zu kollidieren scheint. Regelt nicht das Grundgesetz, dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch dem Allgemeinwohl zu dienen hat? Unter Rückgriff auf die sogenannte Sozialpflichtigkeit des Eigentums werden die exklusiven Nutzungsrechte von Privateigentümern immer wieder in Frage gestellt, manchmal gar Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit gefordert.

Ein prominenter Fall, der seit Jahren die Gemüter bewegt, ist der Streit um den Uferweg der Villenkolonie am Griebnitzsee in Potsdam-Babelsberg. Dass einige private Grundstücksbesitzer hier letztlich auf Rechtssicherheit pochten und nach einem langen Gezerre mit der Stadt Potsdam nun von ihrem Eigentumsrecht Gebrauch machten und den Weg für die Öffentlichkeit sperrten, ist für viele ein Affront gegen das Allgemeinwohl. Doch wer die Geschichte über die letzen Jahre genau verfolgte, der wird den Verdacht nicht los, dass es den vermeintlichen Verfechtern des Allgemeinwohls wohl weniger um die Belange aller Bürger, als um ein politisches Alles-oder-Nichts-Spiel, einen künstlich hochstilisierten Konflikt zwischen privatem und öffentlichen Interesse ging.

Bereits das inzwischen in die Jahre gekommene Uferkonzept der von den Grundstückseigentümern ins Leben gerufenen Initiative Historische Uferregion Griebnitzsee e.V. war beredtes Zeugnis dafür, dass nie ein echter Gegensatz zwischen den Eigentümerinteressen und dem Gemeinwohl bestand. Auch später machten die Eigentümer der Stadt Potsdam Angebote, die den Zugang der Öffentlichkeit mit der privaten Nutzung der Grundstücke verbinden sollten. Lediglich gewisse Einschränkungen für die Öffentlichkeit, wie eine Wegenutzung nur für Fußgänger zur Tageszeit, eine flache Heckenbegrenzung des Weges und ein auf einen Teil der Grundstücke beschränkter direkter Seezugang, sollten das Nebeneinander privater und öffentlicher Belange sicherstellen.

Überdies hatten die Eigentümer der Öffentlichkeit bereits mit dem Rückerwerb der Grundstücke vom Bund einen finanziellen Dienst erwiesen, von der Stadt als Vertreterin der Öffentlichkeit erhielten die Eigentümer dagegen nie ein ernstzunehmendes Entschädigungsangebot. Erst die zähe Kompromisslosigkeit der Potsdamer Stadtväter und die lautstarke Enteignungsdrohung führten bei den Eigentümern zu der Erkenntnis, dass ihnen das Entgegenkommen gegenüber den Interessen der Allgemeinheit keinerlei Würdigung der eigenen Belange einbrachte. Einen Widerspruch zwischen privatem Eigentum und Allgemeinwohl hat es nie gegeben, der Widerspruch zwischen der Allgemeinwohlrhetorik der Politik und einer bewusst provozierten Rechtsunsicherheit ist indes nicht zu übersehen.

Insofern zeigt die Debatte um den Uferweg am Griebnitzsee, wie wenig die Bedeutung des Eigentums für das Allgemeinwohl im Bewusstsein der Politik und der Öffentlichkeit verankert ist. Ist es wirklich nur die direkte Teilhabe der Allgemeinheit an der Nutzung von privatem Eigentum, die dem Gemeinwohl dient? Oder motiviert nicht gerade der Schutz der Eigentümerinteressen zu einem Verhalten im Interesse der Allgemeinheit?

Eigentum und das Genussrecht an seinen Früchten motiviert die Menschen zu Leistungen. Jeder, der seinem Leben ein Sinn geben möchte, seiner Familie ein schönes Leben erlauben will und für die Zukunft vorsorgt, baut darauf, am Ende des Monats den Lohn harter Arbeit behalten, Eigentum bilden und über dessen Verwendung frei entscheiden zu dürfen. Macht man den Menschen dieses Recht streitig oder lässt sie im Unklaren über den Umfang ihrer Eigentumsrechte, dann hinterlässt man bei ihnen ein Gefühl der Unsicherheit gegenüber der Zukunft - mit dem Ergebnis, dass ihre Motivation schwindet, ihre Leistung nachlässt und die Pflege des Eigentums ins Hintertreffen gerät. Die Mühe lohnt nicht, wenn die Allgemeinheit willkürlich versucht, sich einen ordentlichen Teil vom Kuchen abzuschneiden. Viel schlimmer noch: Die Menschen beginnen Zeit und Aufwand darauf zu verwenden, ihr Eigentum vor dem Zugriff anderer zu schützen - Mühen, für die auf andere Dinge verzichtet werden muss. Im Fall des Griebnitzsees bleibt der Öffentlichkeit nun ein Teil des Uferwegs versperrt. Unsere Gesellschaft und unser Wohlstand leben von der Leistungsmotivation der Bürger, davon, dass jeder von uns ein Interesse hat, seine Fähigkeiten zusammen mit seinem Eigentum zu Markte zu tragen, um sie zum Vorteil aller zum Tausch anzubieten. Weniger Eigentumsrechte und weniger Rechtssicherheit bedeuten weniger Leistung des Einzelnen für die Allgemeinheit.

Doch wie steht es mit der Sozialpflichtigkeit der Allgemeinheit, wenn sie ihre Nutzungsansprüche an privatem Eigentum geltend macht, sich selbst dabei aber wenig um die Pflege des in Anspruch genommenen Eigentums schert? Jeder kennt den achtlos weggeworfen Unrat auf öffentlichen Wegen und weiß, wie leicht es fällt, unbekümmert mit dem Eigentum anderer umzugehen. Wer weder die Verantwortung noch die finanziellen Konsequenzen für selbstverursachte Schäden trägt, der hat auch wenig Grund, sich um die Konsequenzen seines Handelns für andere zu sorgen. Zudem ist es häufig das Eigentum anderer, selten das eigene, dessen Schutz hinter dem Interesse der Allgemeinheit zurückzutreten hat. Verantwortung für die Allgemeinheit wird sehr gern delegiert, aber nur ungern selbst übernommen. Zwar lässt sich niemand gern auf derlei Schwächen ansprechen, doch ändert das nichts daran, dass beispielsweise die Pflege öffentlicher Parkanlagen häufig ein teures und manchmal sogar hoffnungsloses Unterfangen ist. Auch die Grundstückseigentümer am Griebnitzsee wissen ein Lied davon zu singen. Gleichzeitig gilt es als selbstverständlich, wenn so mancher Grundstücksbesitzer mit Ordnungsliebe und akribisch gepflegten Blumenrabatten die Allgemeinheit gratis mit erfreut. Waren es nicht gerade die prachtvoll renovierten Fassaden der Villenkolonie und die liebevoll angelegten Gärten, die viele Besucher auf diese Seeseite lockten?

Eigentum ist der Allgemeinheit verpflichtet, wenn sich die Allgemeinheit dem Eigentum verpflichtet. Nur so hält der vielzitierte Grundsatz der Gemeinwohlorientierung der Realität stand. Eine Gesellschaft, in der jeder Bürger um sein Eigentum und dessen Vorteile bangen muss, in der die Allgemeinheit permanent geneigt ist, die Spielregeln für das private Eigentum zu ändern, ist eine unsichere, argwöhnische und arme Gesellschaft. So eine Gesellschaft ist sicher nicht im Sinne des Allgemeinwohls. Die traurigen Umstände, unter denen die Geschichte des Uferwegs am Griebnitzsee begann, mögen uns daran erinnern.

Nachdruck aus der Märkischen Allgemeinen vom 6. Mai 2009.

Veranstaltungstipp: Grenzenlose Freiheit - auch am Griebnitzsee? Diskussionsveranstaltung zur Schließung des Uferwegs, 18.05.2009, 18:00 Uhr, Regionalbüro Berlin-Brandenburg der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Truman-Haus, Karl-Marx-Str. 2, 14482 Potsdam.

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