Kehraus der Klimapolitik: Das Hartwell-Papier

Von 14 mit Klimaforschung und Klimapolitik in unterschiedlichen Disziplinen befaßten Wissenschaftlern wurde mit dem Hartwell-Papier ein Konzept zur Neuausrichtung der Klimapolitik nach Kopenhagen und Climategate entworfen. Tatsächlich aber handelt es sich weniger um eine "Neuausrichtung" denn um eine "Abschaffung".

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Das Dilemma eines jeden Klimaskeptikers ist, das Nichteintreten einer Klimakatastrophe nicht beweisen zu können.  Denn es handelt sich hier um ein Ereignis in der Zukunft, und diese kann man nicht vorhersagen. Die klimapolitische Debatte ist daher auch geprägt von den differierenden Verständnissen der Rolle und der Möglichkeiten naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung. Insbesondere der Forschung, die sich mit komplexen und rückgekoppelten, einer Vielfalt von Einflüssen ausgesetzten Systemen befaßt. Systemen, wie sie die Erde, ihr Energiehaushalt und ihre Klima- und Wetterphänomene darstellen.

Auf die Frage, ob unser Wissen genügt, um Risiken vorhersehen und rechtzeitig die richtigen Maßnahmen zu ihrer Minimierung ergreifen zu können, gibt es je nach Problemstellung unterschiedliche Antworten. Die Kollision eines Fahrzeuges mit einem Hindernis gleich welcher Natur ist (abhängig von seiner Masse und seiner Geschwindigkeit) ab einer bestimmten Annäherung tatsächlich unvermeidbar. Auf dieser Basis können Automaten entscheiden, eine Vollbremsung einleiten (um die Aufprallenergie zu vermindern) und tatsächlich in Zukunft einen Notruf bereits kurz vor dem Unfall absetzen. Ob aber ein bestimmter Fluß zu einem bestimmten Zeitpunkt über seine Ufer tritt und Menschen und Sachwerte gefährdet, ist letztendlich auch durch noch so viel klimawissenschaftliche Erkenntnisse niemals beantwortbar. Und selbst wenn man das im Rahmen der Hypothese von der menschgemachten Erwärmung steigende Risiko einer Überschwemmung durch Gegenmaßnahmen wie Emissionsvermeidung verringert, es wird immer größer als Null sein. Denn der Fluß kann aus einer Vielzahl von Gründen sein Bett verlassen, von denen kaum alle jemals menschlicher Kontrolle unterliegen werden.

Das Hartwell-Papier hat hier seine stärksten Momente. Probleme vom Typ des kollidierenden Autos nennt es „zahm“ („tame“). Solche Herausforderungen können durch den Ansatz der Risikovermeidung gebändigt werden. Fragestellungen vom Typ Klimawandel aber sind „boshaft“ („wicked“); denn was man auch unternimmt, sie erstehen auf tückische Weise immer wieder neu und sind nie endgültig zu beantworten. Das Papier nennt neben der Klimafrage Themen wie Armut, Krebs, Drogen und Terrorismus als typische Beispiele für die Boshaftigkeiten, denen man sich  ohne Hoffnung auf Lösung stellen muß.

Da haben sich also 14 Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen tätig sind, an drei Tagen im Februar im Hartwell House in Buckinghamshire getroffen, um sich über eine Neuausrichtung der Klimapolitik Gedanken zu machen.

Ihre Argumentation beginnt mit einer klaren Beschreibung der realen Situation. Das Scheitern des Kopenhagen-Gipfels hat jegliche Anstrengungen, ein globales Regime zur Emissionsminderung aufzubauen, für die kommenden Jahre (wenn nicht Jahrzehnte) sinnlos werden lassen. Das „zwei Grad Ziel“ ist endgültig obsolet. Climategate und verknüpfte Enthüllungen haben einen großen Vertrauensschwund in Politik, Medien und allgemeiner Öffentlichkeit in die Klimawissenschaft zur Folge. Ein Vertrauensschwund, der zu Recht besteht und ebenfalls auf Jahre hinaus irreparabel sein wird.  

Davon ausgehend ruft das Hartwell-Papier einige grundlegende Wahrheiten in Erinnerung, die von der Debatte oft überdeckt wurden und damit aus dem Bewußtsein der Menschen verschwunden zu sein schienen:

     

  • Jegliche Technologie, und insbesondere die zu Bereitstellung von Energie bzw. Elektrizität, hat aus Nutzersicht robust (verfügbar und verläßlich); sicher und wirtschaftlich zu sein. Nur solche Technologien setzen sich im Marktgeschehen durch, die diese Ansprüche besser erfüllen, als ihre Vorgänger.
  • Technologien robust, verfügbar und verläßlich zu gestalten, bzw. Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen dies geschehen kann, ist eine Frage der Menschenwürde. Denn ein würdiges Leben aus heutiger Sicht ist ein solches, in dem die Versorgung mit Nahrung, Gesundheit, Mobilität und Kommunikation, also letztlich mit Energie, gesichert ist.
  • Wenn also mehr als 1 Milliarde Menschen auf diesem Planeten hungern, wenn mehr als 1,3 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Elektrizität haben, wenn Menschen in unterentwickelten Regionen nach wie vor an eigentlich leicht zu behandelnden Krankheiten sterben, dann ist dies das Problem, dem sich die Politik auf globaler Ebene mit höchster Intensität widmen muß. Es kann keine andere Priorität geben. Alles, was man auf globaler Ebene vereinbart, hat sich dieser Fragestellung unterzuordnen.
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Als Astronom kennt man die Technik des indirekten Sehens. Man schielt an einem kontrastarmen Objekt im Zentrum des Bildfeldes vorbei, um es letztendlich besser erkennen zu können. Das Hartwell-Papier verwendet ein ähnliches Beispiel aus der Arbeit eines berühmten englischen Landschaftsgärtners, wo Menschen auf indirekten Wegen zu ihrem Ziel geführt werden. Wege, die letztendlich aber effektvoll Freude und Entspannung bereiten.

Es ist diese Form der Strategie, die auch für die Neuausrichtung der Klimapolitik vorgeschlagen wird. Ein eher zahmes Problem, also die Versorgung der Menschen mit Strom, in den Mittelpunkt zu rücken, und auf dem Weg zu dessen Lösung indirekt auch eine Antwort auf die boshafte Klimafrage zu geben.

Es ist ja völlig richtig, den wachsenden Energiehunger der Welt kann man durch fossile Energieträger nicht stillen. Sie werden ausreichen, um den Bedarf der Industrieländer für viele Jahrzehnte zu sichern, aber sie sind unmöglich dazu in der Lage, eine Verdoppelung oder Verdreifachung des Energieumsatzes weltweit bis 2050 darzustellen. Um die Welt mit Energie zu versorgen, sprich die Menschen überall mit Strom und Treibstoffen, sind zwingend neue Technologien, alternative Energielieferanten zu entwickeln. Und die, die man sich vorstellen kann, sind oft frei von Kohlendioxid-Emissionen. Wind- und Sonnenenergie werden im Hartwell-Papier genannt, aber auch Kernenergie und die Nutzung von Pflanzenabfällen (Biomasse der zweiten bzw. dritten Generation). Und es ist auch möglich, durch den technischen Fortschritt Strom aus diesen Energieträgern irgendwann einmal preiswerter darzustellen, als solchen aus Kohle. Und dann haben alternative Quellen nicht nur das Potential, fossile Energieträger zu ergänzen, sondern auch, sie zu substituieren, zu ersetzen.

Auf diese Weise, so das Hartwell-Papier, schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. Man löst die Energiefrage und vermindert dabei, als indirekten Nebeneffekt, langfristig die Kohlendioxid-Emissionen. Daß dieser Weg nur als Marktlösung, nur durch den Verzicht auf verzerrende Subventionen, beschritten werden kann, wird im Papier ebenfalls klar benannt.

Nur: Ist das nicht der Weg, den die Welt schon immer genommen hat? Es ist der Weg des technischen Fortschrittes, wie er sich natürlicherweise ergibt. Dieser Weg hat nicht nur dazu geführt, daß man nach Holz und Torf auf Kohle und Erdgas, nach Walöl auf Erdöl und schließlich auf Kernenergie gesetzt hat. In freien Märkten ist immer schon das Gute durch das Bessere ersetzt worden, religiös getriebener Umweltaktivismus ist da eher hinderlich. Der stetige Gang des technischen Fortschrittes hat auch in den entwickelten Industrieländern zur Entkopplung von Energieumsatz und Wertschöpfung geführt. Effizienzsteigerungen unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit sind eine Grundbedingung freier Märkte, um Anbietern von Produkten aller Art das Überleben zu gewährleisten. In der westlichen Welt sind die Steigerung der Wirtschaftsleistung und der Energieumsatz seit mehr als 20 Jahren bereits entkoppelt.

Es bedarf keiner formulierten Klimapolitik, um diese Entwicklung überall auf der Welt weiter zu fördern. Es bedarf einzig einer klugen, auf Liberalisierung und dem freien Spiel der Kräfte beruhenden Wirtschaftspolitik.

Auch der zweite wesentliche Aspekt der neuen Klimapolitik im Sinne der Hartwell-Gruppe, die Anpassung an Veränderungen unserer natürlichen Umwelt, ist ein stetiges Element in der Entwicklung der menschlichen Zivilisation. Denn deren Fortschreiten kann auch unter dem Blickwinkel einer immer größeren Unabhängigkeit von destruktiven natürlichen Einflüssen und einer immer größeren Nutzung der Möglichkeiten, die die Natur uns bietet, verstanden werden.

Das Hartwell-Papier fordert als dritte Säule, die Kohlendioxid-Emissionen dann doch nicht so ganz außer Acht zu lassen. Die Wirkungslosigkeit des Kyoto-Protokolls und der etablierten oder geplanten Emissionshandelssysteme wird klar und eindeutig beschrieben. Eine geringe Karbonsteuer, gering genug, um das Wirtschaftswachstum nicht zu bremsen, wird als Ersatz empfohlen.

Vergessen aber haben die 14 Wissenschaftler an dieser Stelle, daß die Karbonsteuer im Prinzip bereits existiert. In Deutschland beispielsweise werden Energieträger aller Art auf unterschiedliche Weise besteuert, neben der Mehrwertsteuer kann man Mineralöl- und Ökosteuern anführen aber auch die Zwangsabgaben zur Subventionierung von Alternativen wie Wind oder Sonne.

Letztendlich ist die neue Klimapolitik, die das Hartwell-Papier formuliert, schlicht und einfach keine Klimapolitik. Und das ist erstens intellektuell brillant begründet und zweitens auch folgerichtig.    

Denn der Sündenfall der Klimaforschung war und ist es, die Herausforderungen mutmaßlich anthropogener Klimaveränderungen als zahmes Problem darzustellen, dem man durch eine einfache, direkte und simple Maßnahme wie der Vermeidung von Kohlendioxid-Emissionen begegnen könne. Im Angesicht der wissenschaftlichen Unwägbarkeiten bezüglich aller anderen Klimatreiber, seien sie anthropogen oder natürlich, konnte dies nur geschehen konnte, weil wertegetriebene mit rationalen Argumenten unzulässig verknüpft wurden. Die Klimafrage war und ist nur für eine bestimmte Klientel die Mutter aller Fragen. Für die Ökologisten, die damit eine Veränderung des Menschen an sich durchsetzen wollten. Zugunsten quasi-theologischer Vorstellungen von einer Mutter Natur, der unabhängige, eigene Rechte zugewiesen wurden. Und wenn es auch nur das Recht auf konstante Temperaturen unabhängig von menschlichen Einflüssen ist. Der Absolutheitsanspruch, jegliche andere Fragestellung allein als Unteraspekt der Klimaproblematik behandeln zu dürfen, sei sie zahm oder boshaft, sei sie hinsichtlich Energie, Mobilität oder gar Fortpflanzung, liegt im Wesen solcher Vermischungen von Wertvorstellungen und Rationalität.

Es gilt aus Sicht der Klimaskeptiker nicht, den Versuch zu unternehmen, das Nichteintreten der Klimakatastrophe zu beweisen. Es gilt, diese Verknüpfung zwischen einer Wertvorstellung und einer rationalen Problembeschreibung zu zerbrechen. Denn eine Politik, die auf  dieser Basis Maßnahmen ergreift, wird erstens scheitern und zweitens bis zu diesem Zeitpunkt erheblichen Schaden anrichten. Beides ist bereits geschehen. Nun sind die Scherben aufzuwischen. Das Hartwell-Papier liefert den Besen dazu.

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