Jesu Blick auf mich

Am gestrigen Montag hat der Papst einige Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester getroffen, darunter auch zwei Deutsche. Neben dem persönlichen Treffen nahmen die drei Männer und drei Frauen auch an der Frühmesse des Papstes im Gästehaus Santa Marta teil.

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In der Presse ist nun zu lesen, dass die Welt und die Opfer auf dieses Zeichen der Kirche und des Papstes gewartet hätten und dass sie seitens Papst Benedikt XVI. vergebens auf ein solches Zeichen gewartet hätten. So werden Benedikt und Franziskus gegeneinander ausgespielt. Wenige andere Medien und einige katholische Blogs weisen zurecht darauf hin, dass man damit Papst Benedikt nicht gerecht wird, der sich intensiv um Aufklärung der Missbrauchsfälle und auch um Aussöhnung mit den Opfern bemüht hat – wobei bei ihm in entsprechenden Berichten seinerzeit immer nur auf angebliche oder tatsächliche Versäumnisse hingewiesen wurde und nicht auf die heilende Wirkung auch seiner Gespräche mit den Opfern. Leider scheint das Ziel seiner Verteidiger dabei eher zu sein, zu zeigen, dass Papst Benedikt in diesem Thema bereits vorher und mindestens so gut aktiv war wie Papst Franziskus heute. Damit besorgt mal allerdings wiederum das Geschäft derjenigen, die Benedikt und Franziskus gegeneinander auszuspielen versuchen.

Dabei gehen die Worte des Papstes aus seiner Predigt am Montag unter, die jedem, der sie liest und sich als Teil der Kirche versteht, zu Herzen gehen müssen. Denn nicht wenige, und ich kann mich nicht ausschließen, haben viele der mittlerweile bewiesenen Vorgänge nicht wahrhaben wollen, sie als Teil einer Kampagne gegen die katholische Kirche gedeutet. Und selbst nach Vorliegen von Beweisen haben viele, und wiederum kann ich mich nicht ausnehmen, mit Vehemenz und sachlich richtig darauf hingewiesen, dass der gesellschaftliche Anteil von Missbrauchsfällen durch Priester oder kirchliche Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Gruppen unterdurchschnittlich sei, der Furor, der gegen die Kirche in dieser Frage losgebrochen ist daher unverhältnismäßig war. Diese Fakten sind auch wahr, sprechen für die Kirche und verdeutlichen, dass auf den Missbrauchsfällen in der Tat eine Kampagne gegen die Kirche gegründet wurde, um diesem mystischen Leib Christi Schaden zuzufügen.

Das alles ist wahr, und trotzdem: Hier geht es nicht um Zahlen, es geht nicht um Statistiken, es geht nicht um die Feinde der Kirche, es geht nicht mal darum, ob einzelne Fälle vielleicht unbewiesen geblieben sein mögen. Uns müssen die Worte von Papst Franziskus in den Ohren klingeln und insbesondere das von ihm verwendete Bild vom Blick Jesu berühren (ich habe mich schwer getan, Ausschnitte aus der Predigt, die ich in Summe zur Lektüre empfehle, auszuwählen, man sehe mir nach, falls es nicht die optimale Auswahl war):

Das Bild von Petrus, der Jesus aus dieser Sitzung mit dem schrecklichen Verhör herauskommen sieht, dem Blick Jesu begegnet und weint – dieses Bild steigt heute in meinem Herzen auf, da ich Ihrem Blick und dem so vieler Männer und Frauen, Jungen und Mädchen begegne. Ich spüre den Blick Jesu und bitte um die Gnade seines Gebetes. Um die Gnade, dass die Kirche weinen möge und Wiedergutmachung übe für ihre Söhne und Töchter, die ihre Aufgabe verraten und unschuldige Menschen missbraucht haben. […]

Und die Wenigen, die begonnen haben zu weinen, haben unser Gewissen mit diesen Verbrechen und schweren Sünden belastet. Das ist meine Bestürzung und mein Schmerz über die Tatsache, dass einige Priester und Bischöfe die Unschuld von Minderjährigen und ihre eigene priesterliche Berufung geschändet haben, indem sie sich an ihnen sexuell vergingen. Es handelt sich um mehr als niederträchtige Taten. Es ist wie ein gotteslästerlicher Kult, denn diese Knaben und Mädchen waren dem priesterlichen Charisma anvertraut, damit sie zu Gott geführt würden, und jene haben sie dem Götzen ihrer Lüsternheit geopfert. Sie haben das Bild Gottes selbst beschmutzt, nach dessen Ähnlichkeit wir geschaffen worden sind. Die Kindheit – das wissen wir alle – ist ein Schatz. Das junge Herz, das so offen und von Vertrauen erfüllt ist, betrachtet die Geheimnisse der Liebe Gottes und zeigt sich in einzigartiger Weise bereit, im Glauben genährt zu werden. Heute erblickt das Herz der Kirche in den Augen dieser kleinen Buben und Mädchen die Augen Jesu und möchte weinen. Sie bittet um die Gnade, zu weinen angesichts der verdammenswerten Taten des Missbrauchs, die an Minderjährigen begangen wurden – Taten, die Narben für das ganze Leben hinterlassen haben. […]

Vor Gott und seinem Volk drücke ich meinen Schmerz über die Sünden und schweren Verbrechen der sexuellen Missbräuche aus, die Mitglieder des Klerus Ihnen gegenüber begangen haben, und bitte demütig um Verzeihung.

Ebenso bitte ich Sie um Verzeihung für die Sünden der Unterlassung seitens Verantwortlicher in der Kirche, die nicht angemessen auf die Missbrauchsanzeigen reagiert haben, die von Familienangehörigen und von Missbrauchsopfern selbst vorgebracht wurden. Dies hat noch zu zusätzlichem Leiden derer geführt, die missbraucht worden sind, und andere Minderjährige, die sich in Risikosituationen befanden, in Gefahr gebracht. […]

Jesus kommt aus einer ungerechten Gerichtsverhandlung, aus einem grausamen Verhör und schaut Petrus in die Augen – und Petrus weint. Wir bitten, dass er uns anschaue, dass wir uns anschauen lassen und weinen können und dass er uns die Gnade schenke, Scham zu empfinden, damit wir ihm – wie Petrus vierzig Tage danach – antworten können: „Du weißt, dass ich dich liebe", und seine Stimme hören: „Nimm deinen Weg wieder auf und weide meine Schafe" – und ich füge hinzu: „Und lass nicht zu, dass ein Wolf in die Herde eindringt!"

Natürlich, der Papst weiß sehr wohl um die Wirkung seiner Worte in der Öffentlichkeit, auch um die Wirkung bei den Missbrauchsopfern, die nicht zu einem solchen Treffen eingeladen waren. Sie sind die ersten Adressaten – und doch sind es auch alle Gläubigen in der Kirche, bin auch ich es, der sich fragen lassen muss, ob ich dem Blick Jesu standhalten könnte, oder ob ich ihn, ob ich seine „Lämmer“ nicht mit Worten der Verteidigung der Kirche eher verleugnet denn gestärkt habe?

Diejenigen, die die Kirche in dem Missbrauchsskandal verteidigt haben, haben dies – das möchte ich zumindest für mich in Anspruch nehmen – mit guten Gewissen getan, überzeugt von der Heiligkeit der Kirche, abgeschreckt durch die Ungeheuerlichkeit und überzeugt von der Haltlosigkeit der gegen sie und ihre Vertreter vorgebrachten Vorwürfe. Aber heute, mit dem Wissen, das vieles von dem wahr ist, auch eingedenk dessen, dass die ohnehin schweren Vergehen auch instrumentalisiert wurden gegen diejenigen, die sich um Aufklärung und um die Heiligkeit der Kirche bemühen – können wir, kann ich da noch Jesu Blick standhalten ohne wie Petrus zu weinen?

Mögen die Medien das Zusammentreffen von Papst Franziskus mit dem Missbrauchsopfern auch nutzen um ihn gegen Papst Benedikt auszuspielen, um antikirchliche Kräfte zu stärken – unser Blick als Katholiken sollte nicht dabei stehen bleiben. Wir alle müssen die Sätze und Fragen, auch die Bitte um Vergebung, des Papstes in unser Herz dringen lassen. So mag die Kirche wieder ein bisschen heiliger werden und Gott – nur er kann das – die beschriebenen Verbrechen zu etwas Gutem wenden!

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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