Ist die Gleichstellungspolitik links oder rechts?

Professor Günter Buchholz über Gleichberechtigung und Privilegierung

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Der Wirtschaftswissenschftler Professor Günter Buchholz hat in der Zeitschrift "Der Freitag" einen bemerkenswerten Artikel unter dem Titel „Von der Frauenemanzipation zur Frauenprivilegierung – oder warum die Gleichstellungspolitik keine linke, sondern eine rechte Politik ist“ geschrieben. Er geht davon aus, dass bei der Betrachtung von Diskriminierungen die soziale Schicht wichtiger als das Geschlecht ist. Unter diesem Aspekt behandelt er die bundesrepublikanische Gleichstellungspolitik, insbesondere die Forderung nach einer Frauenquote.

Die Einführung der Frauenquote wird auf folgende Weise gerechtfertigt: Frauen sind in Führungsetagen unterrepräsentiert. Dabei wird wie selbstverständlich angenommen, dass die Unterrepräsentanz eine Folge der Frauendiskriminierung ist. Diese Annahme ist aber falsch. Es ist nirgendwo nachgewiesen, dass in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft eine systematische und flächendeckende Frauendiskriminierung besteht. Die Unterrepräsentanz kann andere Gründe haben: So interessieren sich Frauen offenbar für bestimmte Bereiche (z.B. technische Berufe) weniger als Männer.

Die Forderung nach einer Frauenquote betrifft außerdem nur attraktive Berufe, wie z.B. Professoren, Manager und Politiker. Im Hinblick auf nicht attraktive Berufe wird diese Forderung nicht erhoben. Bei der Gleichstellungspolitik handelt es sich daher um eine Rosinenpickerei für eine relativ kleine Gruppe von Frauen, nämlich für Frauen aus der oberen Mittelschicht (Frauen aus der Oberschicht sind in der Regel aufgrund ihres Vermögens auf Berufskarrieren nicht angewiesen). Sie sind genauso wie die Männer dieser Schicht an sozialem Aufstieg orientiert. Stoßen diese Frauen auf Schwierigkeiten, dann beschweren sie sich über eine angebliche „gläserne Decke“. Damit übersehen sie, dass auch eine ganz geringe Anzahl von Männern aus dem mittleren Management in das Top-Management aufsteigt. Nur diese Männer beschweren sich nicht. Frauen aus der Unterschicht und aus der unteren Mittelschicht, also die überwältigende Mehrheit der Frauen, würden von einer Frauenquote in den Vorstandsetagen überhaupt nicht profitieren.

Zu den Erläuterungen von Professor Buchholz kann noch Folgendes hinzugefügt werden: Die Gleichstellungspolitik verletzt das Prinzip der Chancengleichheit. Es gibt unzählige Förderprogramme nur für Frauen, z.B. an den Hochschulen. Diejenigen, die an diesen Programmen teilnehmen dürfen (Frauen); haben später bessere Berufschancen als diejenigen, die an ihnen nicht teilnehmen dürfen (Männer). Von einem schichtenspezifischen Standpunkt aus kann behauptet werde: An den genannten Förderprogrammen dürfen Frauen aus der Mittel- und sogar Oberschicht, also z.B. Millionärinnen oder Töchter von Millionären, teilnehmen, während sie für Männer aus der Unterschicht verschlossen bleiben.

Von den Befürwortern der Frauenquote wird Gleichberechtigung mit Ergebnisgleichheit, also mit dem Erreichen der quotierten Vorgaben (im Idealfall 50% Frauenanteil) verwechselt. Professor Buchholz: „Gleichberechtigung enthält keine Norm des Sollens im Hinblick auf Ergebnisse.“ „Eine Tür ist offen oder sie ist es nicht. Wenn sie offen ist, dann ist es allerdings die Sache der einzelnen Personen, hindurch zu gehen und sich damit ebenso wie andere Menschen und ohne Erfolgsgarantie auf diesen, unter Umständen fordernden und anstrengenden Weg voller Ungewissheiten zu machen, oder dies eben nicht zu tun und eine andere Option zu wählen. Diese Entscheidungen sind Ausdruck individueller Präferenzen, und in einer freien Gesellschaft, die die Individuen nicht bevormundet, sind diese Entscheidungen letztgültig und zu respektieren. Eine normative Begründung dafür, eingreifen zu dürfen und zu sollen, existiert nicht. Genau dies aber tut jedoch die Gleichstellungspolitik.“

Die Gleichstellungspolitik ist nach Buchholz eine Politik der Privilegierung von Frauen und zugleich der Diskriminierung von Männern. Sie ist eine Lobbypolitik einer Minderheit von Frauen, die ihre Interessen und Karrieren außerhalb der Konkurrenz durchsetzen möchten. Eine Politik der Privilegierung kann aber nach Buchholz als eine rechte Politik bezeichnet werden. Eine linke Politik zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass sie jegliche Diskriminierung bekämpfen möchte.

Einige Leser werden an dieser Stelle einwenden: Aber alle Parteien forcieren die Gleichstellungspolitik, auch oder insbesondere die linken. Doch auf diesen möglichen Einwand hat Buchholz eine Antwort: „Eine rechte Politik wird nicht dadurch zu einer linken Politik, dass sie von Mitte-Links-Parteien betrieben wird.“

Professor Buchholz empfiehlt den Linken, sich den Problemen von Menschen, Männern wie Frauen, aus der Unterschicht bzw. von Lohnabhängigen zu widmen. Zu diesen Problemen gehören u.a.: prekäre statt sichere Arbeitsplätze, nicht auskömmliche Niedriglöhne statt sichere Mindestlöhne, ggf. ungleicher Lohn zwischen Männern und Frauen ebenso wie zwischen Leiharbeit und regulärer Arbeit, nicht ausreichende oder zu teure kommunale Angebote der Kinderbetreuung, unflexible Arbeitszeiten, fehlende Ganztagsschulen usw.

Weitere Literatur: Prof. Dr. Jens Alber, „Geschlecht – die überschätzte Dimension sozialer Ungleichheit. Zentrale Herausforderungen liegen anderswo“:

www.wzb.eu/sites/default/files/7-11_alber1.pdf

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