Ist das Naturrecht ein Auslaufmodell?

Ehe als systematisch geordneter Ort für die Sexualität funktioniert nur, wenn die Fortpflanzung der Grundton des Dreiklangs der Sexualität ist. Gibt man diese Grundannahme auf, purzelt im Grunde die gesamte Ehelehre, die gesamte Sexualmoral der Kirche. Das ist tatsächlich eine der Grundentscheidungen, die die Bischöfe in Rom zu treffen haben. Und das ist alles andere als trivial.

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Der Freiburger Professor für Moraltheologie Eberhard Schockenhoff im Interview mit katholisch.de dazu.

Schockenhoff hebt in dem Interview stark auf eine katholische Sonderlehre in der Sexualethik und hier noch einmal besonders stark auf die Lehre über natürliche und künstliche Verhütung ab.

Fakt ist: Humanae vitae ist vom Volk Gottes nicht rezipiert worden.

Die Ursachen sind aus meiner Sicht vielfältig.

Nachlassende kirchliche Bindung Ende der 60er gehört ebenso dazu wie eine nicht konsequente Verkündigung und Erklärung der Lehren von Humanae vitae.

Die sog. sexuelle Revolution der 68er ist inzwischen unhinterfragtes gesellschaftliches Dogma, wenn auch in einer verbürgerlichten abgemilderten Form. Wer zweimal mit derselben pennt, gehört zwar nach wie vor zum Establishment, ist aber nicht mehr ausgegrenzt. Trotzdem sind die sog. alternativen Formen eheähnlicher und anderer Partnerschaften inzwischen auch innerkirchlich vom Volk weitestgehend akzeptiert. Erwachsene Ministranten leben in aller selbstverständlichkeit unverheiratet mit ihren Freunden zusammen, es käme niemand, auch nicht der Pfarrer auf die Idee, dazu mal ein Wort zu sagen. Man könnte sie ja aus der Kirche treiben. Allen Unkenrufen zum Trotz ist eine irregluäre Lebenssituation in den meisten Fällen weder ein Kündigungsgrund, noch ein Grund kein Ehrenamt in einer Gemeinde ausüben zu dürfen. Die lautstark medial verbreiteten Ausnahmen haben zumeist mindestens noch eine oder mehrere weitere Ursachen.

Der Grundstreit, der sich um die Sexualität dreht ist der, ob man Augustinus und der Biologie folgt, indem man sagt, der Schöpfer hat den Sex erfunden, damit sich die Menschen fortpflanzen können, oder ob man der modernen Psychologie und Sozialwissenschaft folgt, die sagt, die Natur hat den Sex hervorgebracht, damit Beziehungen funktionieren (Lustdimension) und die Menschen sich zu einer reifen Persönlichkeit entwickeln (personale Dimension). Die Kirche lehrt einen Dreiklang aus den Dimensionen der Sexualität mit einem Primat der Fortpflanzung, dem sich die anderen Dimensionen zuordnen – nicht einmal unterordnen – müssen. Tun sie das nicht, betrachtet die Kirche die Sexualtiät im konkreten Fall als in sich ungeordnet.

Weil also in dem Dreiklang der Grundton auf Fortpflanzung liegt, ohne die anderen Dimensionen zu leugnen, verbieten sich vor- und außereheliche sexuelle Beziehungen genau so, wie sich gleichgeschlechtliche Beziehungen verbieten. Das läßt sich allerdings nur gemeinsam mit der Ehelehre der Kirche denken.

Die Ehe als Keimzelle der menschlichen Gesellschaft ist der systematische Ort für Kinder, weil ihnen in erster Linie dort – alles andere ist ein Notfall oder eine Ausnahme – ein geschütztes Hernawachsen unter stabilen Bedingungen geboten werden kann. Mithin ist der geordnete Ort für Sexualität ausschließlich die Ehe, die ja per Definitionem auf die Annahme der Kinder, die Gott dem Paar schenken will auch ausgerichtet ist.

Das – Ehe als systematisch geordneter Ort für die Sexualität – funktioniert aber nur, wenn die Fortpflanzung der Grundton des Dreiklangs der Sexualität ist. Gibt man diese Grundannahme auf, purzelt im Grunde die gesamte Ehelehre der Kirche, die gesamte Sexualmoral der Kirche und dann ist Humanae vitae (u.v.a.m.) nur noch Makulatur.

Das ist tatsächlich eine der Grundentscheidungen, die die Bischöfe in Rom zu treffen haben. Und das ist alles andere als trivial.

Und warum das nicht so trivial ist, kann man aus dem Schockenhoff – Interview gut ablesen, denn die Kirche ist, das sehe ich auch so, in der Begründungspflicht, warum sie in ihrer Sexualmoral am Primat der Fortpflanzung festhält. Da haben die Väter der Synode aus meiner Sicht wirklich eine Bringschuld, die sich nicht zuletzt aus dem enzyklikalen Rohrkrepierer Humanae vitae ergibt.

Gelingt diese Begründung nicht so überzeugend, daß diese Lehre einen breiten gesellschaftlichen Konsens finden kann, hat die Kirche in Fragen der Sexualmoral für lange Zeit verloren. Wenn das nicht schon längst zu spät ist.

Das heißt aber nichts anderes, als daß sich auch die Gläubigen in großer Zahl um die Lehre der Kirche zur menschlichen Sexualität ebenfalls schlicht gar nicht mehr kümmern werden.

Natürlich liegt hier und wirklich genau hier ein Einfallstor für die Zulassung Wiederverheiratet- Geschiedener zur Kommunion. Denn wenn ein Ausleben der Sexualität auch außerhalb der Ehe oder in beliebiger Konstellation nicht mehr verurteilt wird, dann gibt es keinen Grund an der Ehe in der bisherigen Form festzuhalten.

Diese Synode, da bin ich mir sicher wird eine historische Synode werden, weil sie sich genau an dieser Sollbruchstelle der Gesellschaft bewegt, die ja mit der Genderideologie in Fragen von Ehe und Moral (auch einer säkulären) den Anfang gemacht hat, sich vollständig aus der abendländischen Tradition zu verabschieden.

Zeigt sich die Kirche hier nicht reformierbar, in den Fragen Ehe, Familie Sexualität, wird die Gesellschaft die Kirche ausschließen. Wie auch immer sich das auswirken mag.

Hält die Kirche, wovon ich ausgehe, an der Ehelehre und der Sexualmoral in der herkömmlichen Form fest, stellt sie sich in ein gesellschaftliches Abseits. Und sie könnte gerade dadurch, weil sie nämlich wirklich eine Alternative zur Beliebigkeit unserer Zeit anzubieten hat, mittelfristig wieder sehr interessant werden. Aber es braucht eine wirklich gute Begründung, Vermittlung und Katechese zu diesen Fragen.

Das Interview hat einen echten WOW – Effekt …

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Es läuft doch nur auf mehr Kirchensteuerzahler hinaus.

Gravatar: Karl Letis

In den Sechzigern hatte man die Menschen auch mit Drogen gefügig gemacht.

jetzt will man es nur noch mit Sexualität und Befriedigung des Sexualtriebes.
Die Menschen wachen dann irgendwann auf, und wundern sich über die Ergebnisse

Gravatar: Richard

Fakt ist: Humanae vitae ist vom Volk Gottes nicht rezipiert worden.
Richtig - und das ist auch gut so. HV ist nichts weiter als in Buchstaben gegossener reaktionär verklemmter Stumpfsinn, der gut ins 18. Jahrhundert passt und schlecht ins 21. Geschrieben von einem Faschisten-Kollaborateur.

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