Irrwege einer erfolglosen Familienpolitik

Die Debatte um die Gutscheine, die Frau von der Leyen für einen Teil der armen Kinder einführen will, wird emotional und heftig diskutiert.

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Emotionalität aber lenkt nur allzu leicht davon ab, dass sachliche Analysen und Fakten zum Thema fehlen.
Dabei sollte es die gelernte Ärztin eigentlich methodologisch besser wissen. Bevor ein Arzt eine Therapie einleitet, muss ihm die Ursache der Krankheitssymptome klar sein, sonst kann die Therapie nie gezielt wirken.
Wenn z.B. ein Patient zum Arzt geht, weil er in letzter Zeit sehr viel husten muss, kann der Arzt ihm natürlich Hustensaft verschreiben. Wenn er Glück hat, lindert der Saft die Beschwerden, da der Patient vielleicht eine Bronchitis hatte. Liegt aber eine andere Ursache zu Grunde, hilft der Saft nicht viel. Vielleicht schadet er sogar.
Das ist der Grund, warum ein guter Arzt zuerst die Ursache sucht, bevor er dann anschließend eine bewährte oder neue, geprüfte Therapie einleitet. Es gibt hunderte von Krankheiten, die mit Husten einhergehen.

Ein guter Politiker sollte ebenso handeln. Bevor er eine Maßnahme einleitet, sollte er nicht nur die Ursachen kennen, sondern auch das Ziel und die Effektivität seiner Maßnahmen – sonst hilft er nicht wirklich.

Frau von der Leyen hatte schon als Familienministerin gezeigt, dass sie eher zu den Menschen gehört, die lieber mit “Erfahrungen aus dem Ausland“ und Meinungsumfragen arbeiten, als mit vorangegangenen wissenschaftlichen Analysen. Doch eine  solche Vorgehensweise erfordert immer zwingend auch die Korrektur, und zwar immer dann, wenn der Irrtum deutlich wird, immer dann, wenn das Ziel mit der Maßnahme nicht erreicht werden kann und konnte.

Irrtum-Beispiel Elterngeld: Das Elterngeld wurde unter Frau von der Leyen als Familienministerin anstelle des bisher gezahlten Erziehungsgeldes eingeführt. Es sollte Menschen ermutigen, ihre Kinderwünsche zu verwirklichen, es sollte zu einem Anstieg der Geburtenrate führen. Genau das hat es aber nicht bewirkt. Die Geburtenrate ist im Gegenteil so niedrig wie nie zuvor, es gibt noch nicht einmal den kleinsten Hinweis, dass mit dem Elterngeld Abhilfe geschaffen wurde. Einen „Irrtum“ würde man üblicherweise feststellen und den Fehler korrigieren. Nicht aber so das Familienministerium.

Irrtum-Bespiel Kinderarmutsbekämpfung: Das Elterngeld sollte - gemeinsam mit einer Erhöhung der Müttererwerbsquote - Familienarmut, sprich Kinderarmut, verringern. Um Müttern Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, um ihnen also zu helfen, ihren eigenen Beitrag zum Schutz vor Kinderarmut zu leisten, leitete Frau von der Leyen die Schaffung von deutschlandweit immerhin 750 000 Krippenplätzen für unter 3-jährige.
Abgesehen davon, dass der Bedarf hierfür objektiv nie ermittelt und auch keine sachliche Diskussion über die Gefahren und Spätfolgen der frühen Fremdbetreuung geführt wurde, könnte man mit dem entsprechenden politischen Willen hier sogar einen Teilerfolg erkennen: Die Müttererwerbsquote ist inzwischen gestiegen, sogar über die der Mütter in Frankreich. Nur das eigentliche Ziel, die Senkung der Kinderarmut, ist gerade nicht gelungen. Das genaue Gegenteil ist vielmehr erreicht. Nie war die Kinderarmut so groß, wie seit der Einführung von Elterngeld, Krippenausbau und Förderung der Müttererwerbstätigkeit. Auch hier würde jeder seriös rational argumentierende Verantwortliche „Irrtum“ sagen und seinen Fehler korrigieren. Nicht aber so das Familienministerium.

Gutscheine sollen Kindern von Hartz IV-Empfängern Zugang zu mehr Bildung ermöglichen. Sie sollen Leistungen umfassen wie Schulessen, Lernförderung und Sport- und Musikangebote. Fällt das unter den Begriff von Bildung? Wieso glaubt Frau von der Leyen zu wissen, dass Kinder von Hartz IV-Empfängern ungebildet, vernachlässigt und hungrig durch die Gegend laufen und Eltern haben, die sich nicht kümmern? Bildungsunwillige Kinder finden sich in allen Bevölkerungsschichten.
Gutscheine verhindern die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Bildungsfähigkeit und Bildungswille entstehen nicht durch das Verteilen von Gutscheinen. Denn wieso sollten verantwortungslose Eltern, die ihre Sozialleistungen nicht ihren Kindern zugutekommen lassen, sich auf einmal darum kümmern, dass ihre Kinder auch das erhalten, was ihnen die Gutscheine ermöglichen sollen?

Vielleicht wäre es ein Ansatz, Politikern einen Teil ihrer Diäten in Gutscheinen auszuhändigen, die bei wissenschaftlichen Fortbildungen über den Zusammenhang von Entwicklungspsychologie, Bindung und Bildungsfähigkeit einlösbar sind.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: gert

Die Analyse von Frau Dr. Maria Steuer ist zutreffend. Zum Elterngeld bleibt es auch im Rückblick erwähnenswert, dass die zunächst erklärte Absicht für dessen Einführung nicht die Unterstützung von Familien war, sondern das Ziel, Kinderkriegen für Besserverdienende Berufstätige lohnend zu machen, besonders für Akademikerinnen, die zu wenig Nachwuchs hätten. Um zum Gebären zu animieren, sollte deren Einkommensausfall gering gehalten werden. Alles auch heute noch nachzule-sen bei der Begründung zur Einführung des Elterngeldes, siehe Web-Seiten des Familienministeri-ums, sowie weitere Internetseiten. Die finanzielle Situation von vielen jungen Eltern dagegen ver-schlechterte sich. Von Gerechtigkeit und Familienförderung konnte wohl keine Rede sein.
Trotz den erkennbaren Irrwegen dieser Familienpolitik die bis heute zu ernsthafter Kritik von Fach-leuten wie Familienverbänden führt, war und ist man nicht bereit Irrtümer zu korrigieren. Im Beson-deren, mehr das Wohl des Kindes zu beachten. Im Gegenteil, geschickte Fragetechniken beim Erstel-len von Statistiken, bis das Wunschdenken passte, trugen zu Erfolgsmeldungen für Frau von der Ley-en bei. Sie spielte das populistisch als Star in Kabinett und Medien wie Trümpfe aus; selbst wenn das Ziel der Maßnahme nicht erreicht werden konnte. Das trübte allzu oft ihre Gesamtbilanz und ihr Image bekam Kratzer.
Außerdem hat Frau von der Leyen mit dem "Paradigmenwechsel" in der Familienpolitik einen ge-sellschaftlichen Umbau vorangetrieben, der auch mit der grundrechtlichen Ordnung teils nicht mehr vereinbar ist und der unserer Gesellschaft schadet.

Gravatar: Friedemann

Ich stimme Ihrer Analyse weitgehend zu bis auf einen Punkt: Ein Ziel für FvdL war es, hochqualifizierte Frauen aus dem Berufsleben für ein Jahr in die Familienarbeit zu bewegen, weil gerade studierte Frauen dazu neigen, Kinder hinter die Karriere zu stellen. Das wäre auch richtig, würden dadurch tatsächlich mehr Kinder mit potentiell günstigen genetischen Voraussetzungen geboren werden. Wahrscheinlich ist aber selbst dieses Gedankenexperiment von FvdL fehlerhaft.

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